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Krankenhausfinanzierung im Umbruch: Experte fordert Nachbesserungen bei Vorhaltevergütung

17.10.2024 AOK-Bundesverband 4 Min. Lesedauer

Die Vorhaltefinanzierung ist zentrales Vorhaben und einer der größten Streitpunkte der Klinikreform zugleich. „Sofern sie richtig ausgestaltet wird, kann sie den ökonomischen Druck auf die Krankenhäuser reduzieren“, sagt Dr. Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung „Stationäre Versorgung, Rehabilitation“ im AOK-Bundesverband.

Zwei Ärzte mit OP-Haube und Mundschutz (rechts, Köpfe im Anschniitt) schauen auf ein Rötgenbild, dass an einen Scheinwerfer geklemmt ist.
Foro: Zwei OP-Ärzte betrachten ein Röntgenbild

Die Einführung der Vorhaltevergütung ist eines der zentralen Vorhaben, die durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) umgesetzt werden sollen. Gleichzeitig ist sie einer der größten Streitpunkte der Reform. So kritisierte ein Bündnis bestehend aus der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG), dem Deutschen Evangelischen Krankenhausverband (DEKV), der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG), der DAK-Gesundheit und dem AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Bundesverband, dass die derzeit im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Regelungen zu einer Fallabhängigkeit der Vorhaltefinanzierung führen. Ob die vorgesehenen Regelungen in der Lage sein werden, die Ziele der Vorhaltefinanzierung zu erreichen, und welche Alternativen zur Ausgestaltung es gibt, dazu äußert sich Dr. Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung „Stationäre Versorgung, Rehabilitation“ im AOK-Bundesverband.

Herr Dr. Malzahn, wie bewerten Sie die derzeit im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehenen Regelungen zur Vorhaltefinanzierung?

Aschblonder Mann in grau-beige-kariertem Sakko, weißes Hemd weinrot-weiß-schwarz-orange gestreifte Krawatte
Dr. Jürgen Malzahn

Malzahn: Grundsätzlich ist die Einführung einer Vorhaltekostenfinanzierung zu begrüßen. Sofern sie richtig ausgestaltet wird, kann die Vorhaltefinanzierung den ökonomischen Druck auf die Krankenhäuser reduzieren. Bei den im KHVVG vorgesehenen Regelungen sehe ich jedoch kritisch, dass insbesondere die die Abfinanzierung der Vorhaltebudgets fallbezogen erfolgen soll. Hierdurch wird die angestrebte Erlösunabhängigkeit verhindert. So bleiben Mengenanreize bestehen und die notwendige Ambulantisierung von bisherigen Krankenhausfällen wird ausgebremst.

Zwar gehen die jüngsten Änderungsanträge mit der Vorziehung des Bezugsjahres auf 2023/24 und die Festlegung des Vorhaltebudgets bis 2028 in die richtige Richtung. Aber eine deutliche Festlegung auf eine fallzahlunabhängige Vorhaltefinanzierung benötigt einen klaren Fahrplan! Für die weitere Entwicklung eines wissenschaftlichen Tools zur Bestimmung einer fallzahlunabhängigen Vorhaltefinanzierung wird ein gesetzlicher Entwicklungsauftrag benötigt.

Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Malzahn: Zur Bürokratievermeidung sollte die Abzahlung nicht über die Fälle, sondern über monatliche Budgetabschläge erfolgen, damit keine Erlösausgleiche auf der Ortsebene verhandelt werden müssen. Eine Abfinanzierung über den Fall wird zu mehr Bürokratie bei den Budgetverhandlungen zwischen den einzelnen Krankenhäusern und Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… führen. Zu befürchten sind langwierige Verhandlungen auf Ebene des einzelnen Krankenhauses, die oft den Weg zur Schiedsstelle finden werden.  

Für die Abfinanzierung schlagen wir also vor, dass die Vorhaltebudgets prospektiv in monatlichen Tranchen über einen Fonds ausgezahlt werden. Hierdurch könnte man die Krankenhäuser krisenfester machen, mehr Planungssicherheit schaffen und Bürokratie vermeiden.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Ermittlung von Vorhaltebudgets an den Landesgrenzen, insbesondere was die Mitversorgung durch Stadtstaaten betrifft? Manche Experten befürchten, dass es zwischen den Bundesländern nun zu einem Wettbewerb um die Vorhaltefinanzierung kommen könnte.

Malzahn: Bei der Bestimmung der Landesvorhaltebudgets können sich durch Mitversorgungseffekte tatsächlich Herausforderungen ergeben. Würde die Höhe der Vorhaltebudgets auf der Einwohnerzahl der Bundesländer beruhen, blieben Mietversorgungseffekte unberücksichtigt und Krankenhäuser, die Patienten aus anderen Ländern mitversorgen, erhielten eine unzureichende Vorhaltefinanzierung. Deswegen müssen die Berechnungen der Landesvorhaltebudgets anfangs auf der historischen Inanspruchnahme aufsetzen. Hierdurch wird ermöglicht, dass mitversorgende Krankenhäuser eine höhere Vorhaltepauschale je Einwohner erhalten im Vergleich zu Krankenhäusern, die keine Patienten mitversorgen. Dem Wettbewerb um Vorhaltefinanzierungen der Bundesländer durch Leistungsverlagerungen an den Bundeslandgrenzen ließe sich wiederum mit einem bedarfsorientierten Ansatz auf der Grundlage eines Bedarfsbemessungsinstrumentes begegnen. So würden Fehlanreize für Krankenhäuser zur strategischer Mengenplanung wegfallen, da die Höhe der Vorhaltungen nicht mehr an die erbrachten Fälle gekoppelt wäre. Gleichzeitig könnte man Mitversorgungseffekte durch das Bedarfsbemessungsinstrument berücksichtigen.

Die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG) hat eine Festschreibung der Vorhaltefinanzierung auf 10 Jahre gefordert. Was halten Sie davon?

Malzahn: Eine Festschreibung der Vorhaltebudgets über einen längeren Zeitraum ist sicherlich sinnvoll, um den Krankenhäusern Planungssicherheit zu geben und eine Erlösunabhängigkeit der Vorhaltefinanzierung sicherzustellen. Aus unserer Sicht wäre eine Festschreibung der Vorhaltebudgets von drei bis fünf Jahren angemessen. Hierdurch könnten eventuelle Abweichungen von Planfallzahlen und erbrachten Leistungen durch die Landesbehörden berücksichtigt werden, ohne dass eine Fallabhängigkeit gegeben wäre. Innerhalb dieses Zeitrahmens könnten auch Leistungsverlagerungen innerhalb eines Bundeslandes, Leistungsverlagerungen zwischen Bundesländern und demographische Effekte bedarfsgerecht bei der Fortschreibung der Landesvorhaltevolumina berücksichtigt werden. Im Übrigen muss es möglich sein, akuten strukturellen Veränderungen, bspw. wenn ein Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… aus der Versorgung ausscheidet, auch innerhalb des Festschreibungszeitraums Rechnung zu tragen.