EU-Ticker April 2025
Die Pharma-Branche in Europa leidet unter der US-Zollpolitik und sucht das Gespräch mit der EU-Kommission. Außerdem begrüßt die EU das von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgehandelte Pandemieabkommen. Weitere Themen sind die Schwarzarbeit in der Pflege und die Cybersicherheit im Gesundheitswesen.

US-Zollpolitik dürfte auch EU-Arzneimittelpolitik beeinflussen
Die zwischenzeitlich für drei Monate ausgesetzten hohen US-Zölle auf EU-Importe treffen auch die Pharmaindustrie. Über die möglichen Folgen und Gegenmaßnahmen tauschten sich Vertreter der Pharmaverbände am 8. April in einer Videokonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus. Die Unternehmen warnten dabei vor den negativen Folgen „für die global vernetzten Lieferketten und die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für europäische und US-amerikanische Patienten gleichermaßen“. Als Reaktion müsse die EU „regulatorische Hindernisse“ im Binnenmarkt abbauen und die heimische Pharmaindustrie stärker fördern. Insofern dürfte die politische Entwicklung auch die Diskussion um die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission für mehr Liefersicherheit bei wichtigen Medikamenten (Critical Medicines Act – CMA) und die ohnehin anstehende Novelle der EU-Pharmagesetzgebung beeinflussen. In beiden Fällen geht es insbesondere um Maßnahmen zur Förderung der Arzneimittelentwicklung und -produktion in Europa.
Während das Europaparlament bereits vor den Europawahlen im Juni vergangenen Jahres seinen Standpunkt zur geplanten Pharma-Novelle beschlossen hatte, steht eine gemeinsame Position der EU-Staaten auch zwei Jahre nach dem Aufschlag der EU-Kommission weiter aus. EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi setzt jetzt darauf, dass es bis Ende Juni zu einer Einigung der EU-Gesundheitsminister kommt. „Wir hoffen sehr, dass die polnische Präsidentschaft (…) einen großen Schritt machen und den Rat zur Zustimmung bewegen kann“, sagte Várhelyi nach der jüngsten Tagung des Rates der EU-Gesundheitsminister (EPSCO) Ende März in Warschau. Die Themen Arzneimittelsicherheit Zielsetzung der Arzneimittelsicherheit ist, die Arzneimittelanwendung so zu gestalten, dass nach dem… und Pharmaförderung waren Schwerpunkte dieses Treffens.
Zudem berieten die Gesundheitsminister dort über geeignete Präventionsstrategien gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Erkrankungen. Nach neuen Zahlen der EU-Kommission hat sich die Zahl der unter 30-Jährigen, die unter Diabetes und Adipositas leiden, in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Durchschnittlich 20 Prozent der EU-Bürger in dieser Altersgruppe leiden an einer dieser Erkrankungen oder an beiden. „Das bedeutet, dass wir in zehn bis 15 Jahren eine ganze Generation mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben werden. Denn Adipositas und Diabetes führen, wenn sie nicht behandelt und eingedämmt werden, zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erläuterte Várhelyi.
WHO: Pandemie-Abkommen ist unterschriftsreif
Nach mehr als drei Jahren Verhandlung liegt der Entwurf für ein internationales Pandemie-Abkommen auf dem Tisch. Das zwischenstaatliche Verhandlungsgremium der Weltgesundheitsorganisation Die WHO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die als Koordinationsbehörde der… WHO legte am 15. April in Genf einen Vorschlag für eine bessere globale Zusammenarbeit bei Prävention, Vorsorge und Reaktion auf künftige Pandemiebedrohungen vor. Der 30 Seiten umfassende Textentwurf soll den 194 WHO-Mitgliedsländern bei der 78. Weltgesundheitsversammlung im Mai vorgelegt werden. Im Fall einer Verabschiedung des Pandemie-Abkommens ist für dessen Inkrafttreten anschließend die Ratifizierung durch mindestens 60 Mitgliedsstaaten notwendig.
Der Text der Verhandlungsgruppe beinhaltet Vorschläge zur Überwachung von Krankheitserregern, zur Stärkung von Gesundheitssystemen, für Technologietransfer und Austausch von Forschungsergebnissen sowie für ein globales Lieferketten- und Logistiknetzwerk. Im Fall einer Pandemie sollen notwendige Medizinprodukte Medizinprodukte sind Apparate, Instrumente, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder… , Impfstoffe und andere Hilfsgüter allen Ländern zugänglich sein. Pharmaunternehmen sollen der WHO zehn Prozent ihrer Produktion für ärmere Länder spenden und bestimmte Arzneimittelmengen günstiger zur Verfügung stellen.
Vor allem die europäischen Länder hatten bei den Verhandlungen darauf gepocht, dass die Beteiligung von Unternehmen am Technologietransfer freiwillig bleibt. Zudem bekräftigt der Entwurf „die Souveränität der Länder bei der Regelung gesundheitspolitischer Angelegenheiten innerhalb ihrer Grenzen“. Er stellt zudem klar, dass die WHO kein Recht hat, „nationale Gesetze oder politische Maßnahmen anzuordnen, zu verändern oder vorzuschreiben“ – etwa das Anordnen von Reiseverboten, Impfvorgaben, therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen oder Lockdowns.
Mit der jetzt erzielten Einigung habe die WHO „nicht nur einen Generationenvertrag für mehr Sicherheit in der Welt geschlossen, sondern auch gezeigt, dass der Multilateralismus lebendig ist und dass die Nationen in unserer gespaltenen Welt weiterhin zusammenarbeiten können, um Gemeinsamkeiten und eine gemeinsame Antwort auf gemeinsame Bedrohungen zu finden“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die EU-Kommission begrüßte den Vorschlag als „entscheidenden Schritt hin zu einem gerechteren und proaktiveren globalen Ansatz zur Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… und Bewältigung künftiger Pandemien unter uneingeschränkter Achtung der gesundheitspolitischen Zuständigkeiten und Zuständigkeiten der einzelnen EU-Mitgliedstaaten“. Die EU sei „weiterhin entschlossen, mit allen Partnern und Interessenträgern zusammenzuarbeiten, um eine stärkere, widerstandsfähigere und gerechtere globale Architektur für die künftige Pandemievorsorge und -reaktion zu schaffen“.
EU-Stiftung sieht „besorgniserregenden Grad an Schwarzarbeit“ in der Pflege
In den 27 EU-Staaten erbringen nach Schätzungen der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) etwa 2,1 Millionen Menschen Pflegeleistungen ohne Anmeldung bei Finanzbehörden oder Sozialversicherungen. Nach einem Bericht der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) handelt es sich bei den nicht angemeldeten Pflegekräfte überwiegend um Frauen und häufig um Migrantinnen. „Sie haben schlechte Arbeitsbedingungen, einen eingeschränkten sozialen Schutz und sind einem erhöhten Ausbeutungsrisiko ausgesetzt“, moniert das Autorenteam. Der Grad der Schwarzarbeit im Pflegebereich sei „weiterhin besorgniserregend“. Die Schwarzarbeit im Pflegesektor mache schätzungsweise ein Drittel der Beschäftigungsverhältnisse aus.
Laut einer im Bericht zitierten Erhebung des Europäischen Netzwerks der Gleichstellungsstellen (Equinet) für 2021 gehört auch Deutschland zu den EU-Ländern, in denen „die meisten häuslichen Pflegearbeiten undokumentiert und daher nicht durch Arbeitsrechte oder Sozialschutz abgedeckt sind“. Hierzulande seien es überwiegend Frauen aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern, „die rund um die Uhr als Pflegekräfte beschäftigt waren und oft im Haushalt der von ihnen betreuten Personen lebten“. Nach zitierten Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung „leben und arbeiten schätzungsweise 400.000 osteuropäische Frauen als Pflegekräfte in deutschen Haushalten“. Es sei ein Graumarkt mit „teilweiser rechtlicher Formalisierung“ entstanden. „Obwohl private Haushalte und Dienstleister Zugang zu einem rechtlichen Rahmen haben, in dem Pflegekräfte häufig über Agenturen selbstständig beschäftigt sind, werden nationale und EU-weite arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften nicht vollständig durchgesetzt“, heißt es im Eurofund-Bericht.
„Das tatsächliche Ausmaß der nicht angemeldeten Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… - und Betreuungsarbeit ist schwierig zu messen“, schreibt die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherungen (DSV) in einer Analyse des Eurofund-Berichts. Bei Pflegetätigkeiten seien die Grenzen zwischen nicht angemeldeter Pflegearbeit und informeller Pflege sowie direkter und indirekter Pflegearbeit oft nicht klar zu ziehen. Die DSV stellt jedoch klar: „Nicht angemeldete Pflegearbeit ist illegal. Neben der Besteuerung wird die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen umgangen. Verfügt die Pflegekraft über keinen Sozialschutz aus anderer Quelle, steht sie im Falle eines Unfalls oder einer Krankheit wird in der Medizin als Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden verstanden. Allerdings stößt die… schutzlos da und hat weniger Rentenansprüche im Alter. Arbeitsrechte wie bezahlter Urlaub können oft nicht geltend gemacht werden, die finanzielle Unsicherheit ist groß.“
Beteiligungsverfahren zur Cybersicherheit im Gesundheitswesen läuft
Noch bis Ende Juni können sich Verbände und Organisationen in einer öffentlichen Konsultation der EU-Kommission aus dem Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… zu den Vorschlägen für die Cybersicherheit von Krankenhäusern und Gesundheitsdienstleistern äußern. Der bereits am 15. Januar mit Vorschlägen der EU-Kommission veröffentlichte Aktionsplan definiert vier Aktionsfelder: Abschreckung und verstärkte Gefahrenvorbeugung, besseres Identifizieren von Bedrohungen und Eindämmen der Folgen von Cyberangriffen. Eine Einrichtung unter dem Dach der EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) soll die EU-weiten und nationalen Maßnahmen koordinieren. Bereits ab 2026 soll ein EU-weiter Frühwarndienst „nahezu in Echtzeit“ vor potenziellen digitalen Bedrohungen warnen. Geplant ist zudem ein Krisenreaktionsdienst, der betroffenen Einrichtungen im Schadensfall die Hilfe vertrauenswürdiger privater Dienstleister vermittelt.
An den Konsultationen der Kommission können sich grundsätzlich alle EU-Bürgerinnen und -Bürger beteiligen. Im vorliegenden Fall setzt die Kommission besonders auf die Meinung von Angehörigen der Gesundheitsberufe, von Gesundheitseinrichtungen und -behörden sowie Fachleuten für Cybersicherheit, Compliance Compliance – das Befolgen einer ärztlichen Anweisung – bezeichnet die Bereitschaft des Patienten,… und Datenschutz Der Datenschutz ist in der Sozialversicherung von besonderer Bedeutung, da ihre Träger auf eine… . Die Beiträge sollen in konkrete Empfehlungen einfließen, die die Kommission dem Europäischen Rat bis Ende dieses Jahres vorlegen will.
Zahl der EU-Produktwarnungen vor Gesundheitsrisiken nimmt zu
Gesundheitsrisiken durch Kosmetikartikel waren im vergangenen Jahr der häufigste Grund für Produktwarnungen in der EU. Nach Angaben der EU-Kommission betrafen entsprechende Hinweise 36 Prozent aller Meldungen an das unionsweite Warnsystem „Safety-Gate“. Laut Jahresbericht 2024 liefen über „Safety Gate“ insgesamt 4.137 Warnmeldungen aus den 27 Mitgliedstaaten ein – die höchste Zahl seit dem Start des Systems im Jahr 2003. In 15 Prozent der Warnmeldungen ging es um Spielzeug, gefolgt von Elektrogeräten (zehn Prozent), Kraftfahrzeugen (neun Prozent) und chemischen Produkten (sechs Prozent).
Chemische Inhaltsstoffe waren laut Jahresbericht 2024 die Hauptursache für Gesundheitsrisiken in den verschiedenen Produkten. Zu den nachgewiesenen gefährlichen Chemikalien gehörten Cadmium, Nickel und Blei in Schmuck sowie allergene Duftstoffe in Körperölen. Hinzu kamen synthetische Chemikalien, die zum Erweichen von Kunststoff verwendet – unter anderem zur Weiterverarbeitung in Kleidungsstücken. 97 Prozent der gemeldeten Kosmetikprodukte enthielten laut Bericht einen verbotenen synthetischen Duftstoff, „der das Fortpflanzungssystem schädigen und Hautreizungen verursachen kann“.
In 4.200 Fällen wurden im vergangenen Jahr von den nationalen Aufsichtsbehörden Folgemaßnahmen eingeleitet, um den Verkauf von Produkten vorläufig zu stoppen oder sie ganz sogar vom Markt zu nehmen. In Deutschland koordiniert die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin den Kontakt zur EU-Einrichtung und die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden der Bundesländer. In Deutschland kontrollieren die Länder nach eigenen Angaben „jährlich rund 50.000 Produkte.
Neben den nationalen Behörden zur Marktüberwachung können auch Wirtschaft und Verbraucher auf Produktrisiken hinweisen. Für EU-Bürger wurde dazu das Portal „Consumer Safety Gateway“ eingerichtet. „Die Zunahme der Warnmeldungen zeigt die wachsende Wirksamkeit und das wachsende Vertrauen in das Safety-Gate-System, da die Behörden die Plattform häufiger nutzen, um potenzielle Bedrohungen für die Verbrauchersicherheit zu melden und anzugehen“, sagte EU-Kommissar McGrath.
EU will Mikroplastik-Verschmutzung eindämmen
Das Europaparlament und der Europäische Rat haben sich am 8. April auf ein Maßnahmenpaket zur Verringerung von Umweltverschmutzung durch Mikroplastik geeinigt. Grundlage der knapp einjährigen Verhandlungen waren Vorschläge der EU-Kommission vom 16. Oktober 2023 und ein Parlamentsbeschluss vom 23. April 2024. Die neuen Umweltschutzvorschriften gelten – gestaffelt nach Unternehmensgröße – für die Verarbeitung und den Transport von Kunststoffgranulaten auf dem Land und auf dem Seeweg. „Die Vorgaben sollen die Verluste von Kunststoffpellets um bis zu 74 Prozent verringern“, erläuterte EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall. Das Reduzieren von Mikroplastik in der Umwelt ist Teil des Null-Schadstoff-Aktionsplans der EU.
2019 seien in der EU „zwischen 52.140 Tonnen und 184.290 Tonnen Kunststoffgranulat in die Umwelt freigesetzt“ worden, teilte der Ministerrat mit. 2022 seien rund 38 Prozent des gesamten in die EU importierten Granulats auf dem Seeweg befördet worden. „Als eine der größten Quellen unbeabsichtigter Freisetzungen von Mikroplastik“ rangiere Kunststoffgranulat – nach Farben und Reifen – an dritter Stelle. Trotz schädlicher Folgen für Umwelt und menschliche Gesundheit gab es bislang in diesem Bereich keine EU-Vorschriften.