EU-Ticker Dezember 2024
Das Europäische Parlament hat jetzt doch einen eigenen Ausschuss für Gesundheitt. Die Gesundheitsminister der EU verabschieden neue Empfehlungen für den Nichtraucherschutz. Außerdem: Der neue Gesundheitskommissar präsentiert ein Programm für die ersten 100 Tage.
Europaparlament wertet Gesundheitspolitik auf
Das Europäische Parlament hat der wachsenden Bedeutung der gemeinsamen EU-Gesundheitspolitik Die Gesundheitspolitik ist ein facettenreiches Gebiet, das weit über die in der Öffentlichkeit mit… Rechnung getragen. Das Plenum stimmte am 18. Dezember der Gründung eines eigenen Gesundheitsausschusses (Sant) zu. Bisher debattierten die Europaabgeordneten über entsprechende Themen in einem Unterausschuss des Fachgremiums für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Envi). Anders als ein Vollausschuss konnte der Unterausschuss bislang keine eigenen Verhandlungen mit dem Ministerrat und der EU-Kommission über Rechtsvorschriften führen. Das ändert sich nun und wird vor allem im Bereich der Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… -Gesetzgebung eine Rolle spielen.
Der Sant-Ausschuss wird sich gemäß Geschäftsordnung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten, Gesundheitskrisenvorsorge und -reaktion und den EU-Gesundheitsprogrammen sowie Patientenrechten befassen. Zudem hält das Gremium künftig die Kontakte zur EU-Arzneimittelagentur (EMA), zur EU-Gesundheitsbehörde ECDC und zur Weltgesundheitsorganisation Die WHO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die als Koordinationsbehörde der… WHO. Gesundheitsthemen, die sich mit der Umweltpolitik überschneiden, werden jedoch weiterhin im Envi-Ausschuss behandelt. Das betrifft zum Beispiel Maßnahmen zum Schutz von Luft, Wasser und Böden. Auch die Lebensmittelsicherheit bleibt Envi-Zuständigkeit.
Dieser Kompetenz-Zuschnitt geht auf die Fraktion der Sozialdemokraten (S&D) zurück. Auch deren gesundheitspolitischer Sprecher Tiemo Woelken (SPD) hatte sich mit Verweis auf den Ansatz „Gesundheit in allen Politikfeldern“ (Health in all Policies) lange gegen einen Vollausschuss Gesundheit ausgesprochen. Für einen eigenen Sant-Ausschuss hatte sich vor allem die Fraktion der Europäischen Volksparteien (EVP) stark gemacht. Der Envi-Ausschuss sei zuletzt für ein Viertel aller EU-Gesetzgebungsverfahren zuständig gewesen, sagte der EVP-Gesundheitspolitiker Peter Liese (CDU). Dadurch habe die nötige Zeit für gesundheitspolitische Themen gefehlt. Pandemie-Vorsorge Für die medizinische Vorsorge und die Rehabilitation gilt der Grundsatz ambulant vor stationär – das… , eine sichere Arzneimittel-Versorgung oder der Umgang mit medizinischen Daten seien „zu wichtig, um als Anhängsel im Umweltausschuss behandelt zu werden“, betonte auch der FDP-Europaabgeordnete Andreas Glück (Fraktion Renew).
Das neue Gremium wird sich Ende Januar 2025 konstituieren. Den Vorsitz übernimmt voraussichtlich der polnische EVP-Politiker Adam Jarubas. „Die Covid-19-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie viel effektiver wir sein können, wenn wir gemeinsam handeln, anstatt um begrenzte Ressourcen zu konkurrieren, die nur die Kosten in die Höhe treiben“, sagte Jarubas nach der Parlamentsentscheidung für den Sant-Ausschuss.
Statt der bisher 30 Mitglieder des Unterausschusses werden dem Vollausschuss 43 Abgeordnete angehören. Liese gibt seine bisherige Position als gesundheitspolitischer Koordinator der EVP-Fraktion an den kroatischen EVP-Politiker Tomislav Sokol ab, um sich auf die Arbeit als umweltpolitischer Sprecher zu konzentrieren. Auch Woelken will diese Funktion aufgeben, aber ebenfalls Koordinator seiner Fraktion im Envi-Ausschuss bleiben. Beide wollen sich zugleich im Sant-Ausschuss engagieren. Für Deutschland werden neben Liese und Woelken voraussichtlich auch die EVP-Fraktionsmitglieder Oliver Schenk (CDU) und Manuela Ripa (ÖDP) sowie Andreas Glück (Fraktion Renew) und Christine Anderson (AfD) im Gesundheitsausschuss sitzen.
Neue Ratsempfehlungen für mehr Nichtraucherschutz
Der Rat der EU-Gesundheitsminister (Epsco) hat am 3. Dezember Empfehlungen für einen höheren Nichtraucherschutz verabschiedet. Sie sind für die 27 Mitgliedstaaten aber nicht bindend. Es geht insbesondere darum, neue Produkte wie Tabakverdampfer oder E-Zigaretten einzubeziehen. Die Entscheidung weitet die Bestimmungen der zuletzt 2009 aktualisierten Empfehlungen auf Produkte aus, die Aerosole freisetzen. Um vor allem für Kinder und Jugendliche einen wirksamen Schutz zu gewährleisten, legen die Minister den 27 EU-Staaten nahe, „die Verwendung dieser Produkte in bestimmten öffentlichen Räumen, öffentlichen Verkehrsmitteln und am Arbeitsplatz weiter einzuschränken“. Dies hatte bereits im Vorfeld zu viel Aufregung geführt, weil die von der EU-Kommission vorbereitete Empfehlung auch die Außengastronomie einbezieht. Deutschland enthielt sich deshalb bei der EPSCO-Abstimmung. „Unter gesundheitspolitischen Erwägungen“ unterstütze die Bundesregierung die Inhalte, sagte Gesundheitsstaatssekretär Thomas Steffen in Brüssel. Letztendlich enthalte sich Deutschland aber, da „die Inhalte weitgehend in den Zuständigkeitsbereich der 16 Bundesländer entfallen“.
Der Bundesrat hatte sich im November gegen Rauchverbote in Außenbereichen von Restaurants, Bars oder Cafés positioniert. Wenige Tage vor der Epsco-Abstimmung hatte das Europaparlament eine interfraktionelle Resolution zugunsten der Empfehlungen abgelehnt. Auch dabei bezog sich die Kritik vor allem auf Einschränkungen für Raucher in der Außengastronomie. Die aktualisierten Ratsempfehlungen sind Teil der Initiative „Europas Plan gegen den Krebs“. Ziel ist es, den Anteil der Raucherinnen und Raucher bis 2040 auf unter fünf Prozent der EU-Bevölkerung zu senken. Aktuell raucht noch etwa jeder vierte EU-Bürger.
Volles „Erste-100-Tage-Programm“ für Gesundheitskommissar Várhelyi
Zu den Initiativen der neuen EU-Kommission, die deren Präsidentin Ursula von der Leyen für die ersten 100 Tage angekündigt hat, gehört auch ein europäischer Aktionsplan für die Cybersicherheit von Krankenhäusern und Gesundheitsdienstleistern. Verantwortlich dafür sind EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi und die Exekutiv-Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie, Henna Virkkunen. Diese Aufgabe hatte von der Leyen bereits im „Mission Letter“ für Várhelyi aufgelistet. Der Aktionsplan soll nach Angaben der Europavertretung der deutschen Sozialversicherungen (DSV) „der Verbesserung der Bedrohungserkennung, der Vorsorge und der Krisenreaktion in diesem Bereich dienen“. Zu erwarten sei „ein Vorschlag, der die Mitgliedstaaten sowie beteiligte Akteure des Gesundheitssektors und der Strafverfolgung dazu aufruft, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen“.
Dem Europaparlament hatte Várhelyi bei seiner Kandidatenanhörung zugesagt, noch im ersten Quartal 2025 erste Vorschläge zur „Entbürokratisierung der Medizinprodukteverordnung“ vorzulegen. Die CDU-Europaabgeordneten Peter Liese und Oliver Schenk forderten ihn zudem auf, „noch in den ersten 100 Tagen“ seiner Amtszeit die Vorlage für einen „Critical Medicines Act“ mit Vorschlägen für eine sichere Arzneimittelversorgung zu erarbeiten.
Gesundheitsminister wollen Herz-Kreislauf-Gesundheit verbessern
Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen nach Angaben der EU-Gesundheitsminister rund ein Drittel aller Todesfälle in der EU. Entsprechende Erkrankungen und damit verbundene Behinderungen „haben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen sowohl auf die Gesundheitssysteme Der Zugang aller Bürger zu einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung unabhängig von ihrem… als auch die Produktivität“. Eine EU-Strategie für mehr Prävention, Früherkennung Im Rahmen der Prävention dienen Maßnahmen der Früherkennung dazu, Krankheiten bereits im Frühstadium… , Behandlung und Rehabilitation Die Weltgesundheitsorganisation versteht unter Rehabilitation alle Maßnahmen, die darauf abzielen,… steht deshalb auf der Tagesordnung der EU-Kommission für die neue Legislaturperiode.
Der Gesundheitsministerrat (EPSCO) legte jetzt Schlussfolgerungen zur Verbesserung der Herz-Kreislauf-Gesundheit vor. In dem am 3. Dezember verabschiedeten Papier ersucht der Rat die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission, geeignete Strategien zu entwickeln, um die Gesundheitsförderung ist ein fortlaufender Prozess mit dem Ziel, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über… , die Primärprävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… und die Gesundheitskompetenz der Patienten zu verbessern. Überdies müsse es innerhalb der EU einen besseren Austausch bereits bewährter Verfahren geben. Ratsschlussfolgerungen sind ebenso wie Empfehlungen nicht rechtsverbindlich für die EU-Staaten.
Neue Vorgaben zur Luftreinhaltung in Kraft
Die neuen EU-Vorgaben für bessere Luftqualität sind am 10. Dezember in Kraft getreten. Sie müssen von den 27 EU-Staaten innerhalb der nächsten zwei Jahre in nationales Recht umgesetzt werden. Die strengeren Grenzwerte für zwölf Luftschadstoffe – darunter Feinstaub, Stickstoffdioxid oder Schwefeldioxyd – orientieren sich nach Angaben der EU-Kommission an Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. In der neuen EU-Richtlinie ist beispielsweise ein um mehr als 50 Prozent niedrigerer Jahresgrenzwert für Feinstaub als bisher vorgesehen.
„Jedes Jahr verursacht verschmutzte Luft etwa 250.000 vorzeitige Todesfälle und kostet die EU-Wirtschaft bis zu 850 Milliarden Euro“, sagte die neue EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall. Mit den neuen Rechtsvorschriften bekämen Bürgerinnen und Bürger auch das Recht auf Entschädigung für Gesundheitsschäden durch Luftverschmutzung. Die EU-Richtlinie sorge „für mehr Klarheit beim Zugang zur Justiz, für wirksame Sanktionen und für eine bessere Information der Öffentlichkeit über die Luftqualität und ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“.
Bis 2050 soll die Luft in der EU gänzlich frei von Schadstoffen sein. Das Europaparlament hatte die von der EU-Kommission vorgeschlagene neue EU-Richtlinie bereits Ende April gebilligt, der EU-Ministerrat hatte Mitte Oktober zugestimmt. Kritiker bemängeln die Möglichkeiten für Fristverlängerungen und nationale Ausnahmeregelungen.
Hohe Zustimmungswerte für die EU
Das Vertrauen in die Europäische Union ist nach Angaben der EU-Kommission „auf dem höchsten Stand seit 2007“. Sie beruft sich auf die jüngste Eurobarometer-Umfrage. Dabei sprachen 51 Prozent der EU-Bürgerinnen und -Bürger der Union ihr Vertrauen aus. 44 Prozent der Menschen haben laut Befragung „nach wie vor ein positives Bild von der EU, 38 Prozent ein neutrales und 17 Prozent ein negatives Bild“. Junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren setzen laut Befragung mit 59 Prozent das größte Vertrauen in die EU. 69 Prozent bezeichneten die EU als „Ort der Stabilität in einer krisengeschüttelten Welt“. Knapp drei Viertel (74 Prozent) verstehen sich als EU-Bürgerinnen und -Bürger.
Bei der Frage nach Themenfeldern, in denen sich die EU in den nächsten fünf Jahren stärker engagieren sollte, rangiert die Gesundheitspolitik mit 27 Prozent auf Platz fünf, knapp hinter den Themen Wirtschaft und Umwelt-/Klimaschutz (jeweils 28 Prozent). 29 Prozent nannten das Thema Migration und 33 Prozent den Bereich Sicherheit und Verteidigung. 44 Prozent der europäischen Bürger waren laut Eurobarometer der Meinung, „dass die Gewährleistung von Frieden und Stabilität kurzfristig den größten positiven Einfluss auf ihr Leben haben wird, gefolgt von der Sicherung der Lebensmittel-, Gesundheits- und Industrieversorgung in der EU und der Steuerung der Migration (je 27 Prozent).