EU-Ticker Januar 2025
Europa hat die gemeinsame Nutzenbewertung von Gesundheitstechnologien gestartet, der EU-Gesundheitsdatenraum die letzte Hürde genommen und Polen die Ratspräsidentschaft übernommen.

Gemeinsame Nutzenbewertung auf EU-Ebene ist gestartet
Nach mehrjähriger Vorbereitungsphase hat die gemeinsame europäische Nutzenbewertung von Gesundheitstechnologien (EU-HTA) am 12. Januar offiziell begonnen. Die systematische Bewertung klinischer Studien (Health Technology Assessment "Technologiefolgenabschätzung" ist ein Verfahren, um Technologien der gesundheitlichen Versorgung… , HTA) soll künftig den Mehrwert neuer Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… und anderer Gesundheitstechnologien im Vergleich zur aktuellen Standardtherapie ermitteln. Das Verfahren betrifft zunächst neue Krebsmedikamente sowie neue Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) – zum Beispiel Gen- oder Zelltherapeutika. Ab Januar 2028 werden neue Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen (Orphan Drugs) einbezogen, ab 2030 dann alle neuen Arzneimittel. Ab 2026 sollen nach Angaben der EU-Kommission auch ausgewählte Medizinprodukte Medizinprodukte sind Apparate, Instrumente, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder… mit hohem Risiko bewertet werden.
Ziele des Verfahrens sind insbesondere einfachere und schnellere Zulassungsverfahren und eine damit verbundene schnellere Versorgung der Patienten mit neuen Medikamenten in allen EU-Ländern. Die EU-HTA-Verordnung sieht unter anderem eine bessere Vorfeldberatung der Unternehmen durch die EU-Arzneimittelagentur (EMA) vor. Die EMA koordiniert das EU-HTA-Verfahren mit Unterstützung der nationalen Arzneimittelbehörden und der in die Nutzenbewertung einbezogenen Einrichtungen, darunter in Deutschland der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA). Der GBA hatte von September 2023 bis Ende 2024 die deutsche Vorbereitung auf das neue EU-Verfahren koordiniert.
In Deutschland fehlt zur praktischen Umsetzung von EU-HTA noch die Anpassung an die nationalen Vorgaben der Arzneimittel-Nutzenbewertung. Dazu hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) einen Verordnungsentwurf vorgelegt. Er spiegelt im Wesentlichen die Maßgabe, unter der die jeweiligen Bundesregierungen die jahrelangen Verhandlungen zwischen Kommission, Europaparlament und Ministerrat über das EU-weite Nutzenbewertungsverfahren geführt haben: möglichst viele Synergie-Effekte durch EU-Kooperation, aber keine Preisgabe der deutschen Verfahrensstandards für Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… und Wirtschaftlichkeit, die im Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) festgelegt sind. Dafür hatten sich auch die gesetzlichen Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… , die Ärzteschaft und der GBA stark gemacht.
Die EU-Kommission hatte ursprünglich gefordert, dass das Ergebnis der EU-Nutzenbewertung für die Mitgliedstaaten bindend sein müsse. Der auch von Deutschland durchgesetzte Kompromiss sieht dagegen vor, dass die Bewertungen auf EU-Ebene lediglich als wichtige Entscheidungshilfen für nationale Beschlüsse über Einsatz und Preis der Medikamente und Medizinprodukte oder die Höhe der Erstattung durch die jeweiligen Gesundheitssysteme Der Zugang aller Bürger zu einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung unabhängig von ihrem… dienen.
Verordnung zum EU-Gesundheitsdatenraum nimmt letzte Hürde
Der Europäische Rat hat am 21. Januar der Verordnung Einige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfen einer schriftlichen Anweisung durch… über den Europäischen Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) zugestimmt. Der Aufbau des EHDS ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsunion.
Die Verordnung basiert auf der bereits im März 2024 mit dem Europaparlament erzielten Einigung. Der EHDS soll den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten innerhalb der EU erleichtern. Dabei geht es einerseits um eine bessere Gesundheitsversorgung für die EU-Bürger (Primärnutzung). Andererseits sollen die Daten auch für die gesundheitsbezogene Forschung zur Verfügung stehen, um besonders die Behandlung seltener und schwerwiegender Erkrankungen zu verbessern. Diese Sekundärnutzung schließt auch das Verwenden der Daten zur Versorgungsplanung durch die Mitgliedstaaten ein.
Bei den zweijährigen Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament ging es vor allem um Fragen des Datenschutzes und das Recht der EU-Bürger, die Verwendung von Gesundheitsdaten abzulehnen oder einzuschränken. Die am 9. Juni 2024 vom Parlament abschließend bestätigte Einigung sieht vor, dass alle EU-Bürger das Recht auf eine kostenlose elektronische Gesundheitsakte erhalten. Eine europaweite Pflicht zu deren Nutzung wird es jedoch nicht geben. Den Umgang mit Forschungsdaten können die Mitgliedsländer über die EU-Verordnung hinaus detaillierter regeln.
Aktionsplan zur Cybersicherheit von Krankenhäusern
EU-Gesundheitskommissar Oliver Várhelyi hat die erste Aufgabe aus seinem Pflichtenheft für die ersten 100 Tage seiner Amtszeit erfüllt: Gemeinsam mit der für Technologiesicherheit zuständigen EU-Exekutivvizepräsidentin Henna Virkkunen legte der Ungar am 15. Januar einen Aktionsplan zur Stärkung der Cybersicherheit von Krankenhäusern und Gesundheitsdienstleistern vor.
Die für vier Aktionsfelder definierten Maßnahmen sollen eine eigene Einrichtung unter dem Dach der EU-Agentur für Cybersicherheit (ENISA) koordinieren. Dabei geht es laut Kommission um verstärkte Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… , das bessere Erkennen und Identifizieren von Bedrohungen, das Eindämmen der Folgen von Cyberangriffen und um Abschreckung. Das Zentrum soll insbesondere Sicherheitsinformationen, Leitlinien werden definiert als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten, die eine… zur Verbesserung der Sicherheit, Fortbildungsunterlagen für das Gesundheitspersonal sowie Vorlagen für Sicherheitsübungen entwickeln und zur Verfügung stellen. Zudem empfiehlt die Kommission den Mitgliedstaaten, „Cybersicherheitsgutscheine“ für kleine und mittelgroße Krankenhäuser und Gesundheitsdienstleister anzubieten und sie so bei der Absicherung gegen digitale Angriffe finanziell zu unterstützen.
Ab 2026 soll ein EU-weiter Frühwarndienst „nahezu in Echtzeit“ vor potenziellen digitalen Bedrohungen warnen. Geplant ist zudem ein Krisenreaktionsdienst, der betroffenen Einrichtungen im Schadensfall die Hilfe vertrauenswürdiger privater Dienstleister vermittelt. Überdies sollen die Mitgliedstaaten die Gesundheitseinrichtungen verpflichten, Angriffe und etwaige Lösegeldzahlungen zu melden, „um ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten und Folgemaßnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen“. Die Kommission plant zudem eine öffentliche Beteiligung (Konsultation), bei der neben den betroffenen Einrichtungen und Organisationen auch alle EU-Bürgerinnen und -Bürger Vorschläge einreichen können.
„Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass ihre sensibelsten Informationen sicher sind“, sagte Várhelyi bei der Vorstellung des Aktionsplans in Brüssel. Angehörige der Gesundheitsberufe müssten „Vertrauen in die Systeme haben, die sie täglich nutzen, um Leben zu retten“. 2023 haben die 27 EU-Staaten nach Angaben der Kommission 309 schwerwiegende Cybersicherheitsvorfälle im Gesundheitssektor gemeldet – mehr als in jedem anderen kritischen Versorgungssektor.
Polen hat EU-Ratspräsidentschaft übernommen
Zum Jahreswechsel hat Polen den EU-Ratsvorsitz von Ungarn übernommen. Polens Regierungschef Donald Tusk stellte das Programm seines Landes am 22. Januar im Europaparlament vor. Priorität haben für Polen die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Das Präsidentschaftsmotto „Security, Europe“ bezieht das Land aber auch auf andere Bereiche, darunter die Gesundheitssicherheit. Im Gesundheitsbereich will sich die polnische Präsidentschaft „auf die Arzneimittelsicherheit Zielsetzung der Arzneimittelsicherheit ist, die Arzneimittelanwendung so zu gestalten, dass nach dem… , die digitale Transformation des Gesundheitswesens, die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie Gesundheitsförderung ist ein fortlaufender Prozess mit dem Ziel, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über… und Krankheitsprävention konzentrieren“.
Die Arzneimittelpolitik beinhaltet laut Prioritäten-Liste auch eine breitere Aufstellung von Lieferketten und die Unterstützung von Pharmaforschung und Medikamentenproduktion in der EU. Ungarn war es in den sechs Monaten seiner Präsidentschaft nicht gelungen, eine noch ausstehende gemeinsame Position der Mitgliedsländer zur anstehenden Reform der EU-Arzneimittelpolitik hinzubekommen. Das Europaparlament hatte sich dazu schon vor der Europawahl im Juni 2024 positioniert.
Der EU-Ratsvorsitz wechselt alle sechs Monate. Polen hat ihn zum zweiten Mal inne. Um mehr Kontinuität zu gewährleisten, gibt es seit 2009 eine Dreier-Präsidentschaft. Mit Polen, Dänemark und Zypern beginnt ein neuer Trio-Zyklus, für den die beteiligten drei Länder jeweils ein gemeinsames 18-Monate-Programm vorlegen.
EU bedauert WHO-Austritt der USA
Die EU-Kommission hat den vom neuen US-Präsidenten Donald Trump angeordneten Austritt des Landes aus der Weltgesundheitsorganisation Die WHO ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die als Koordinationsbehörde der… WHO bedauert. Auch die WHO selbst warnte vor den damit verbundenen negativen Folgen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnete den Schritt als „schweren Schlag für den internationalen Kampf gegen globale Gesundheitskrisen“. Ohne die USA werde es für die WHO „deutlich schwieriger, Ländern zu helfen, die vom Ausbruch von Infektionskrankheiten oder Umweltkatastrophen betroffen sind“. Das werde vor allem hunderttausende Kinder treffen.
Das WHO-Budget für 2024/2025 umfasst rund 6,57 Milliarden Euro. Die USA finanzierten zuletzt 14 Prozent des Haushalts. Größter Beitragszahler sind jedoch die EU und die EU-Mitgliedstaaten. Zusammengerechnet haben sie nach Angaben der EU-Kommission 2020 und 2021 „mehr als 20 Prozent“ des WHO-Haushalts getragen. Der EU würde es schwerfallen, auch noch die Lücke eines Austritts der USA finanziell zu füllen. Das größte EU-Budget für Gesundheitspolitik Die Gesundheitspolitik ist ein facettenreiches Gebiet, das weit über die in der Öffentlichkeit mit… – EU4Health – wurde für die laufende Legislaturperiode um eine Milliarde Euro gekürzt.