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EU-Ticker Juli 2024

29.07.2024 AOK-Bundesverband 5 Min. Lesedauer

Nach der Europawahl hat sich das Europäische Parament erneut gegen einen eigenen Gesundheitsausschuss entschieden, und die ungarische EU-Ratspräsidentschaft kündigte an, die EU-Arzneimittelreform weiter voranzutreiben.

Eine blaue Karte der EU mit den gelben Sternen der Europaflagge
Eine Karte der EU mit den gelben Sternen der Europaflagge

Entscheidung gegen separaten Gesundheitsausschuss

Das neue Europaparlament bekommt keinen eigenen Ausschuss für Gesundheit. Das wurde vor der konstituierenden Sitzung des Parlamentes am 16. Juli bei den internen Beratungen über den Zuschnitt der Fachausschüsse festgelegt. Damit bleibt es auch in der neuen Legislaturperiode beim übergreifenden Zuschnitt des Ausschusses für Umwelt, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI). Das Gremium ist damit wieder der größte Parlamentsausschuss. Gesundheitspolitische Themen werden auch künftig im Unterausschuss für öffentliche Gesundheit (SANT) behandelt.

Der SPD-Parlamentarier und gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion der Sozialdemokraten (S&D), Tiemo Wölken, begrüßte das Beibehalten des ENVI-Aufgabenbereiches. „Im Parlament arbeiten wir mit dem sogenannten One-Health-Approach – also dem Verständnis, dass die Gesundheit von Mensch und Tier eng mit der Umwelt verknüpft ist“, hatte Wölken bereits vor der Europawahl im G+G-Interview betont. Wenn der ENVI-Ausschuss beispielsweise über neue Luftqualitätsrichtlinien entscheide, habe das direkten Einfluss auf die Gesundheit der Menschen. „Gleiches gilt, wenn wir über Chemikalien sprechen und deren direkte Verbindung mit Arzneimittelinhalten oder auch Medizinprodukten“, so der Europapolitiker.

Für eine Trennung der Zuständigkeiten hatte sich vor allem die Fraktion der europäischen Volksparteien/Christdemokraten (EVP) stark gemacht. Der umwelt- und gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU), hatte dies vor allem mit der Arbeitsbelastung der betroffenen Parlamentarier durch die Themenfülle begründet. Im ENVI-Ausschuss seien zuletzt gut ein Viertel aller EU-Vorhaben behandelt worden, bei denen das Parlament ein Mitspracherecht habe. Deshalb müsse die EU-Kommission in der neuen Legislaturperiode „die Anzahl ihrer Vorschläge unbedingt reduzieren“, sagte Liese nach der Entscheidung gegen einen separaten Gesundheitsausschuss. Zudem werde ein ENVI-Vorsitzender gebraucht, „der der Gesundheit genügend Priorität einräumt und nicht nur Umweltfragen betrachtet“.

Als „absolute Prioritäten“ der EVP-Gesundheitspolitik Die Gesundheitspolitik ist ein facettenreiches Gebiet, das weit über die in der Öffentlichkeit mit… nannte der CDU-Politiker „die Überarbeitung der Medizinprodukteverordnung und die Bekämpfung des Medikamentenmangels“. Ziel sei zudem ein „Aktionsplan für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und für psychische Gesundheit“ nach dem Vorbild des EU-Programms zur Krebsbekämpfung. Um die Arzneimittelversorgung zu sichern, müsse vor allem das Beschaffungswesen so verändert werden, „dass nicht nur der Preis, sondern auch die Sicherheit der Lieferkette berücksichtigt wird“.

Ungarn will EU-Arzneimittelreform voranbringen

Ungarn hat zum 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das Land löste in dieser Funktion Belgien ab. Obschon die ersten Aktivitäten von Ungarns Ministerpräsident Victor Orban in Brüssel für Unruhe sorgten, geht es bei der EU-Ratspräsidentschaft in erster Linie um organisatorische Aufgaben, darunter die Vorbereitung und Leitung der einzelnen Ministerräte und des Rates der Staats- und Regierungschefs. Zudem koordiniert die Präsidentschaft in der jeweils sechs Monate dauernden Amtszeit inhaltliche Diskussionen zwischen den 27 EU-Staaten, ist Ansprechpartner für alle EU-Organe und verhandelt im Namen des Rates mit der EU-Kommission und dem Europaparlament.

In dem von Ungarn vorgelegten Programm für die Ratspräsidentschaft spielt die Gesundheitspolitik keine Hauptrolle. In der Prioritätenliste tauchen keine neuen Projekte auf. Stattdessen will das Land „nach der Corona-Epidemie den Bereichen der Gesundheitspolitik besondere Aufmerksamkeit widmen, die in der Vergangenheit vernachlässigt wurden oder bei denen notwendige Reformen verzögert wurden“. Im Gesetzgebungsbereich komme dem EU-Arzneimittelpaket besondere Bedeutung zu, heißt es im Programm. Ungarn beabsichtige, „den Verhandlungsprozess zu diesem ehrgeizigen Paket von Vorschlägen fortzusetzen, um möglichst große Fortschritte zu erzielen“. Ziel sei „die Etablierung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen und patientenzentrierten Arzneimittelregulierung“. Dazu soll auch die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Versorgung mit bezahlbaren Medikamenten verbessert werden. Bis zum Ende der Präsidentschaft sollen zudem Ratsempfehlungen zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erarbeitet werden. Weitere Themen auf der der Prioritätenliste: praktische Verbesserungen im Bereich der Organspende, eine bessere Versorgung von Menschen mit seltenen und psychischen Erkrankungen und Verbesserungen von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz.

Ungarn ist nach Belgien der abschließende Partner der vom Spanien begonnenen Trio-Präsidentschaft. Der 2007 eingeführte Dreiervorsitz soll angesichts der nur sechs Monate dauernden Ratspräsidentschaft eines Landes für mehr inhaltliche Kontinuität sorgen. Die drei Partnerländer legen neben ihren eigenen Schwerpunkten ein gemeinsames Trio-Programm vor. Die nächste Dreierpräsidentschaft übernehmen Polen, Dänemark und Zypern.

EU-Bericht nennt besonders versorgungskritische Arzneimittel

EU-Bericht nennt besonders versorgungskritische Arzneimittel

Für die anstehenden Beratungen der Allianz für kritische Arzneimittel hat die EU-Behörde zur Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Hera) eine erste Gruppe von Wirkstoffen zusammengestellt, bei denen aus Sicht der Einrichtung die Versorgungssicherheit besonders gefährdet ist. Der am 10. Juli veröffentlichte Hera-Bericht benennt elf Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… , darunter Alteplase zur Behandlung von Schlaganfällen und Lungenembolie, mehrere Antibiotika, das Epilepsiemittel Clonazepam, einen Hepatitis-B-Impfstoff oder das Zytostatikum Vincristin. Die Gruppe wurde aus einer bereits im Dezember von der EU-Kommission zusammengestellten Liste mit 216 Medikamenten herausgefiltert.

„Um die Versorgung mit kritischen Arzneimitteln in der EU zu sichern, braucht es diversifizierte Versorgungsquellen, mehr Produktionskapazitäten und einen soliden Rahmen für das Risikomanagement“, heißt es in dem Hera-Bericht für die Ende April offiziell einberufene Arzneimittel-Allianz. Dabei handelt es sich um ein von der EU-Kommission einberufenes breites Bündnis von nationalen Behörden, Pharmaindustrie und Verbänden aus Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… und Zivilgesellschaft. Die Allianz soll in den nächsten fünf Jahren gemeinsam mit den zuständigen EU-Einrichtungen Strategien für eine sichere Versorgung mit besonders wichtigen Medikamenten erarbeiten.

EU verstärkt die Beobachtung des Drogenmarktes

Die EU hat ihre Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon zur EU-Agentur (EUDA) aufgewertet. Die bereits Anfang 2022 von der EU-Kommission vorgeschlagene Umbenennung wurde zum 2. Juli vollzogen. Damit reagiere die Union auf die wachsenden Herausforderungen durch illegale Drogen, sagte die bisherige EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Die seit 1995 bestehende Einrichtung solle die Mitgliedstaaten künftig schneller über aktuelle Entwicklung auf dem Drogen- und Suchtmittelmarkt informieren und die Entwicklung von Präventionskampagnen auf Europaebene unterstützen. Mit der Namensänderung gehe eine deutliche Erweiterung der Kompetenzen einher, teilte der Beauftragte der Bundesregierung für Drogen- und Suchtfragen, Burkhard Blienert, mit. Die neue EU-Agentur werde weitaus schlagkräftiger sein als ihre Vorgängerin. „Sie wird Daten und Erkenntnisse zu illegalen Drogen, Mischkonsum, den Folgen des Drogengebrauchs und zur Drogenpolitik länderübergreifend sammeln, Analysen erstellen und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen entwickeln“, so Blienert. Unter anderem solle die EUDA in Zukunft auch den Mischkonsum von Drogen untersuchen und mit Unterstützung durch ein europaweites Labornetzwerk schneller neue Drogentrends erkennen. Nach Angaben des wissenschaftlichen Direktors der EUDA, Peter Griffiths, soll die Behörde über Kooperationsabkommen mit nicht-EU-Staaten und internationalen Organisationen auch weltweit eine größere Rolle spielen.