EU-Ticker März 2025
Die EU-Kommission hat Vorschläge für eine sicherere Arzneimittelversorgung unterbreitet. Die Krankenkassen begrüßen die Initiative. Weitere Themen: der europäische Gesundheitsdatenraum EHDS und mehr Masern-Fälle in Europa.

Vorschläge für eine sicherere Arzneimittelversorgung
Genau 100 Tage nach Amtsantritt hat die EU-Kommission die innerhalb dieser Frist zugesagten Vorschläge für mehr Sicherheit bei der Arzneimittelversorgung vorgelegt. Am 11. März stellte EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi den Verordnungsentwurf („Critical Medicines Act“) im Europaparlament vor. Die Kommission setzt auf eine Mischung aus Wirtschaftsförderung, besserer Marktüberwachung und mehr Zusammenarbeit der EU-Länder bei der Beschaffung von besonders wichtigen Medikamenten. Der „Critical Medicines Act“ (CMA) soll der Pharmaindustrie die Produktion und Investitionen in Europa schmackhaft machen. Neue Kooperationsabkommen mit Drittländern – darunter vor allem Brasilien – sollen dazu beitragen, die bestehende große Abhängigkeit von Wirkstoffherstellern in Indien und China zu verringern und die Lieferketten zu erweitern. Laut Várhelyi soll der CMA in die ohnehin anstehende Reform der EU-Arzneimittelgesetzgebung eingebunden werden.
Geld aus EU-Töpfen, eine bessere Koordination nationaler Förderprogramme sowie organisatorische Erleichterungen sollen die Arzneimittelhersteller dazu bewegen, wieder stärker in EU-Ländern zu investieren. Mit Blick auf das Arzneimittelrecht ist im CMA-Vorschlag die Rede von einer „beschleunigten administrativen, regulatorischen und wissenschaftlichen Unterstützung“. So sollen unter anderem neue Produktionsstätten schneller als bisher genehmigt werden. Für dringend benötigte neue Medikamente soll nach dem Beispiel der Corona-Impfstoffe ein gestrafftes Zulassungsverfahren greifen.
Staatliche Beihilfen sollen vor allem „zur Unterstützung strategischer Projekte für kritische Arzneimittel“ fließen. Die Bezeichnung „kritisch“ dient laut EU-Arzneimittelagentur (Ema) zur Kennzeichnung von Medikamenten mit begrenzten oder fehlenden Alternativen, bei denen ein Versorgungsengpass zu ernsthaften Schäden für die Patienten führen würde. Die Ema ist beauftragt, kritische Medikamente zu listen.
Zudem setzt die Kommission auf eine bessere Marktüberwachung durch die Ema und die nationalen Arzneimittelbehörden. Unternehmen sollen verpflichtend über die Nachfrage und die Verfügbarkeit von Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… informieren und auch selbst rechtzeitig auf zu erwartende Engpässe reagieren. Der Vorschlag sieht überdies vor, dass EU-Länder gemeinsam Medikamente beschaffen, um mit mehr Marktmacht auftreten zu können. So will die Kommission verhindern, dass Pharmaunternehmen vorrangig für sie lukrative Märkte beliefern. Der CMA-Entwurf enthält keine Forderungen zu gemeinsamer Bevorratung auf EU-Ebene, die über die bereits geltenden Vorgaben zu gegenseitiger Hilfe bei Arzneimittelengpässen hinausgehen. Die Kommission will die EU-Staaten verpflichten, bei der Beschaffung von Medikamenten künftig nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern auch Lieferfähigkeit, Lagerhaltung, Versorgungssicherheit und Produktion in der EU zu berücksichtigen.
In das Konzept ist auch der Anfang März veröffentlichte Bericht der „Allianz für kritische Arzneimittel“ eingeflossen. Das Bündnis aus nationalen Arzneimittelbehörden, Industrie und Organisationen aus dem Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… hatte seit April 2024 mit den beteiligten EU-Institutionen über geeignete Maßnahmen für mehr Liefersicherheit beraten. Die deutschen Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… waren über die Europavertretung der Deutschen Sozialversicherungen (DSV) an den Gesprächen beteiligt. Der CMA-Vorschlag der Kommission wird nun im Europaparlament und im Rat der EU-Gesundheitsminister (Epsco) beraten.
Krankenkassen begrüßen CMA-Initiative der Kommission
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) hat den Aufschlag der EU-Kommission für einen „Critical Medicines Act“ grundsätzlich positiv bewertet. „Angesichts der globalen Unsicherheiten unternimmt die Europäische Kommission damit einen richtigen Schritt, um die Verfügbarkeit kritischer Arzneimittel in Europa zu stärken“, hieß es in einer ersten Stellungnahme des Verbandes. Deutschland sei „gut beraten, hieran mitzuwirken und nationale Maßnahmen hierauf abzustimmen“. Allerdings kritisierte der Verband, dass der Vorschlag an vielen Stellen unkonkret bleibe. Das betreffe vor allem Fragen der Finanzierung.
Aus Sicht des GKV-SV garantiert der Bezug von Arzneimitteln aus Europa alleine noch keine Versorgungssicherheit. Mangelnde Verfügbarkeit habe vielfältige Ursachen. „Es ist zentral, das Markt- und Versorgungsgeschehen zu beobachten und die Ursachen von Engpässen zu analysieren“, betonte der Verband. Ein EU-weites Frühwarnsystem könne die Transparenz verbessern. Da die Kommission hierzu lediglich Absichtserklärungen vorgelegt habe, müsse dies zusammen mit der anstehenden Reform des EU-Arzneimittelrechts geregelt werden. „Zulassungsinhaber müssen generell verpflichtet werden, drohende Lieferengpässe zu melden und Pläne zur Vermeidung solcher Engpässe zu erstellen. Bestehende und künftig erweiterte Verpflichtungen der Zulassungsinhaber zur kontinuierlichen Bereitstellung ihrer Arzneimittel müssen zudem mit spürbaren Sanktionen belegt werden“, so in der Stellungnahme weiter. Sie entspricht im Wesentlichen dem Positionspapier der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherungen.
Die Krankenkassen wünschen sich eine eng gefasste Einstufung von Medikamenten als „kritische Arzneimittel” oder „Arzneimittel von gemeinsamem Interesse”. Effiziente Förderung setze voraus, dass die entsprechenden Definitionen „auf evidenzbasierten und transparenten Kriterien und einer Priorisierung ist in der Gesundheitsversorgung ein Verfahren, um die Vorrangigkeit bestimmter Indikationen,… entlang der unmittelbaren Versorgungsnotwendigkeit beruhen“. Der Verband befürwortet, EU-Geld für die Standortförderung einzusetzen und nationale Programme zur Pharmaförderung auf EU-Ebene zu koordinieren. Beitragsmittel der GKV dürften jedoch nicht für wirtschaftspolitische Aufgaben zweckentfremdet werden. Zudem müsse „die Förderung der Diversifizierung der Produktion von Arzneimitteln, Vorprodukten und Hilfsstoffen sowie Investitionen in europäische Produktionskapazitäten nachweislich zu einer höheren Versorgungssicherheit beitragen“.
Der GKV-SV begrüßt, dass die Kommission bestehende nationale Maßnahmen einbeziehen will. Nationale Kompetenzen bei der Arzneimittel-Beschaffung, bei Vergabekriterien und Bevorratung sowie Preisfestlegung und Erstattungsfragen dürfe die EU nicht antasten. So gebe es Deutschland zum Beispiel schon „gesetzliche Regelungen, die die Krankenkassen verpflichten, bei Rabattverträgen bestimmte Arzneimittel auch aus europäischer Produktion zu beziehen“. Eine EU-Pflicht zum Einbezug weiterer Vergabekriterien werde „den bürokratischen Aufwand der Vergabeverfahren erheblich erhöhen“.
Verordnung für EU-Gesundheitsdatenraum in Kraft getreten
Nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt ist am 26. März die EU-Verordnung zum Aufbau des europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS) in Kraft getreten. Damit beginnt eine vierjährige Übergangsphase, in der die EU-Länder die Voraussetzungen für den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten schaffen sollen. Der EHDS ist einer der Eckpfeiler der Gesundheitsunion. Nach den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie soll der EHDS die Widerstandskraft der EU-Gesundheitssysteme Der Zugang aller Bürger zu einer umfassenden gesundheitlichen Versorgung unabhängig von ihrem… stärken und auch dazu beitragen, die Probleme durch den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel zu bewältigen.
Die Verordnung Einige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfen einer schriftlichen Anweisung durch… betrifft einerseits die Primärdatennutzung durch die Patienten. Allen EU-Bürgern steht laut Verordnung das Recht auf eine elektronische Patientenakte Mit der ePA können Patientinnen und Patienten sowie die an Ihrer Behandlung beteiligten Ärztinnen… zu. Sie soll künftig nicht nur im jeweiligen Heimatland, sondern auch im EU-Ausland funktionieren. Die Verordnung regelt in diesem Bereich insbesondere Widerspruchs- und Zugriffsrechte sowie Datenschutzaspekte. Im Bereich der Sekundärnutzung geht es um die Weiterverwendung anonymisierter oder pseudonymisierter Gesundheitsdaten für Medizin- und Pharmaforschung sowie die politische Gestaltung der Gesundheitsversorgung.
Um die Vision des EU-weiten Gesundheitsdatenaustauschs zu realisieren, steht in den kommenden vier Jahren die Umsetzung von etwa zwanzig Rechtsakten sowie der Aufbau von EHDS-Leitungsgremien an. Sie sollen die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, Gesundheitsdienstleister, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsvertreter koordinieren. Als Meilensteine peilt die EU für März 2029 den grenzüberschreitenden Austausch von Patientenkurzakten und das Inkrafttreten der Regeln für die Sekundärdatennutzung an.
ECDC registriert wieder mehr Masernfälle in Europa
Nach aktuellen Daten des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) gab es 2024 in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum (Norwegen, Island, Schweiz) deutlich mehr Masernfälle als im Jahr zuvor. Zwischen Februar 2024 und Ende Januar 2025 wurden bei insgesamt 32.265 Menschen Masern diagnostiziert. 2023 waren es lediglich 3.973 Fälle. „Dies deutet darauf hin, dass das Virus in der Region zirkuliert und die Fallzahlen im Frühjahr 2025 wahrscheinlich zunehmen werden“, teilte die EU-Agentur am 11. März mit. Acht von zehn an Masern erkrankten Personen waren laut ECDC nicht geimpft.
Die meisten Masernfälle wurden im vergangenen Jahr aus Rumänien gemeldet (27.568). Dahinter folgten Italien mit 1.097 Fällen, Deutschland (637), Belgien (551) und Österreich (542). In Rumänien starben 18 Menschen nach einer Infektion, in Irland gab es einen Todesfall. „Die anhaltende Übertragung deutet auf Lücken in der Impfabdeckung gegen die vermeidbare Krankheit wird in der Medizin als Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden verstanden. Allerdings stößt die… hin – sowohl bei Kindern, Jugendlichen als auch bei Erwachsenen“, erläuterte das ECDC.
Pandemie-Delle in der Lebenserwartung ausgeglichen
Bei der Lebenserwartung in der EU gibt es nach Corona-bedingten Rückgängen in den Jahren 2020 und 2021 wieder einen Aufwärtstrend. Babys, die 2023 in der EU geboren wurden, haben nach neuen Eurostat-Daten im Schnitt 81,4 Lebensjahre vor sich. Frauen leben in der EU im Schnitt 5,3 Jahre länger als Männer. Die Lebenserwartung für Männer bei Geburt 2023 lag EU-weit bei 78,7 Jahren; bei den Frauen waren es 84,0 Jahre.
In Deutschland betrug die Lebenserwartung 2023 im Mittel 81,1 Jahre. Bei den Frauen waren es 83,5 Jahre, bei den Männern 78,7 Jahre. Hierzulande verzeichnet die EU-Statistik für den Raum Tübingen den höchsten Wert: 82,8 Jahre. Weiterhin liegt die Lebenserwartung in Westdeutschland über den Werten der ostdeutschen Bundesländer.
Nach wie vor gibt es auch in Europa ein starkes West-Ost-Gefälle bei der Lebenserwartung. An der Spitze liegt laut Eurostat die spanische Hauptstadtregion Madrid hat mit 86,1 Jahren, gefolgt vom italienischen Trentino (85,1 Jahre), Åland in Finnland (85,1 Jahre), der spanischen Provinz Navarra und der italienischen Provinz Bozen (jeweils 85,0 Jahre). Am unteren Ende der Statistik liegen Bulgarien, Rumänien, Lettland und Ungarn. In Lettland haben Frauen statistisch gesehen 10,1 Jahre mehr Lebenszeit als Männer, in Litauen beträgt der Unterschied neun Jahre, in Estland 8,8 Jahre. Die geringsten geschlechtsspezifischen Unterschiede gab es in den Niederlanden (3,0 Jahre) sowie in Schweden und Luxemburg (3,3 Jahre).
Nullschadstoff-Ziele: Einiges erreicht, aber noch Luft nach oben
Bis 2023 will die EU durch Luftschadstoffe verursachte vorzeitige Todesfälle um 55 Prozent verringern. Die Zahl der durch Verkehrslärm chronisch belasteten Menschen soll um ein Drittel sinken. Angestrebt werden zudem eine höhere Boden- und Wasserqualität und weniger Müll. Um diese Ziele zu erreichen, sind nach einem Anfang März vorgelegten Zwischenbericht der Europäischen Umweltagentur (Eua) „wesentlich stärkere Maßnahmen erforderlich“. Die EU-Politik habe zwar zur Verringerung der Luftverschmutzung, des Pestizideinsatzes und der Kunststoffabfälle auf See beigetragen. „Die Verschmutzung ist jedoch nach wie vor zu hoch, insbesondere durch schädlichen Lärm, die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt, die Nährstoffbelastung und das Abfallaufkommen“, so die Agentur.
Die größten Fortschritte gab es nach Angaben der EU-Kommission auf dem Weg zu sauberer Luft. Aus dem inzwischen vierten Bericht zur Luftqualität in der EU gehe hervor, dass durch strengere Vorgaben die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Luftverschmutzung gesunken, aber nach wie vor zu hoch sei. Laut Null-Schadstoff-Dashboard der EU gehört in Deutschland Gießen zu den saubersten Regionen Europas. Berlin gehört danach „zu den drei Hauptstadtregionen mit der geringsten Belastung durch Verkehrslärm“.