EU-Ticker Oktober 2024
In einer Entschließung fordern die Europa-Abgeordneten die EU-Kommission auf, bis Ende März 2025 Lösungsvorschläge im Zusammenhang mit den Verordnungen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika zu machen. Außerdem: Neue Regeln der Produkthaftung und die Besetzung der neuen Kommission.
Medizinprodukte (1): Parlament dringt auf schnelle Änderungen
Das Europaparlament sorgt sich um eine sichere und gleichwertige Versorgung mit Medizinprodukten in den EU-Staaten. In einer am 23. Oktober mit großer Mehrheit verabschiedeten interfraktionellen Entschließung fordern die Abgeordneten die EU-Kommission auf, bis Ende des ersten Quartals 2025 konkrete Vorschläge zur Lösung der drängendsten Probleme im Zusammenhang mit den EU-Verordnungen für Medizinprodukte Medizinprodukte sind Apparate, Instrumente, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder… (MDR) und In-vitro-Diagnostika (IVD) vorzulegen. Bei der Umsetzung der Verordnungen seien „erhebliche Schwierigkeiten“ aufgetreten, heißt es in dem von fünf Fraktionen eingebrachten Text. Durch die Verzögerungen hätten viele Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika nicht zertifiziert und zugelassen werden können. Das habe sich insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ausgewirkt und zu Engpässen geführt, „wodurch der Zugang der Patienten zu innovativen und lebensrettenden therapeutischen und diagnostischen Technologien eingeschränkt wird.“
Die Kommission müsse deshalb, „die verfügbaren legislativen und nichtlegislativen Instrumente voll ausschöpfen, um Fragen hinsichtlich abweichender Auslegungen und der praktischen Anwendung zu klären, das Regulierungsverfahren zu straffen, die Transparenz zu verbessern und unnötigen Verwaltungsaufwand für die benannten Stellen und die Hersteller, insbesondere für KMU, zu beseitigen, ohne die Patientensicherheit zu beeinträchtigen“. Zudem dürfe die Versorgung mit Medizinprodukten nicht davon abhängen, in welchem EU-Land Patienten lebten.
Die von den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten (S&D), Grünen, Liberalen (Renew) und Konservativen (ECR) getragene Entschließung geht zurück auf eine Initiative des gesundheitspolitischen EVP-Sprechers Peter Liese. Er fordert seit längerem eine generelle Entschlackung der Verordnungen, die schnellere Zertifizierung innovativer Medizinprodukte und Sonderregeln für Nischenprodukte und solche zur Behandlung seltener Erkrankungen (Orphan Devices). Das entspricht im Wesentlichen auch den Forderungen aus der Industrie. Die Branchenverbände BVMed und Pharma Deutschland beklagen Zeitverlust, zu viel Bürokratie und Kosten. Das benachteilige Unternehmen in der EU erheblich im globalen Wettbewerb. Eine Kernforderung der Unternehmen ist die Abschaffung der in den neuen Verordnungen vorgesehenen Rezertifizierung von Bestandsprodukten alle fünf Jahre.
Die Bundesregierung hat die Kritik aus der Wirtschaft inzwischen aufgegriffen und will sich auf der Ebene der EU-Gesundheitsminister für eine Überarbeitung der MDR und IVD einsetzen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) trete „für eine substanzielle Reform der EU-Medizinprodukteverordnungen ein, um ein hohes Niveau des Patientenschutzes mit guten Rahmenbedingungen für Innovationen zu verbinden“, bestätigte ein BMG-Sprecher dem AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Magazin G+G. Es gebe diesbezüglich „vielfältige Kontakte zur Europäischen Kommission, zum Europäischen Parlament und zu anderen Mitgliedstaaten“. Indes wollte der Sprecher nicht bestätigen, dass Deutschland eine entsprechende Initiative bereits bei der nächsten Sitzung des EPSCO-Ministerrates am 2./3. Dezember starten könnte.
Derweil plant die EU-Kommission ein Beteiligungsverfahren zur Überarbeitung der beiden Verordnungen. Die Konsultation der Interessengruppen werde bis Jahresende eingeleitet, kündigte die noch amtierende Kommissionsvizepräsidentin Věra Jourová am 9. Oktober im Europaparlament an. Die Kommission erfasse derzeit die erforderlichen Daten, um beurteilen zu können, wie sich die geltenden Vorschriften auf die Verfügbarkeit von Medizinprodukten in der EU und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auswirken. Dabei stünden besonders Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… für seltene Krankheiten und innovative Produkte im Blickpunkt.
Der EVP-Sprecher Liese kritisierte in der Parlamentsaussprache zu den Erläuterungen Jourovás, dass die Aussagen zu MDR-Änderungen in der Aufgabenbeschreibung für den designierten EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhely „zu lasch“ seien. Auch der FDP-Europaabgeordnete Andreas Glück (Renew) forderte „eine dringende Anpassung“ der Verordnung Einige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfen einer schriftlichen Anweisung durch… sowie längere Zertifizierungsfristen für kritische Versorgungsbereiche wie die Kinderherzchirurgie. Dagegen sprachen sich der litauische Parlamentarier und ehemalige EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis (S&D) sowie die Grünen-Gesundheitspolitikerin Tilly Metz (Luxemburg) gegen weitere Fristverlängerungen aus. Die bis 2027 verlängerten Übergangsfristen seien ausreichend, betonte Andriukaitis. „Sicherheit und Transparenz dürfen nicht im Namen von Wettbewerbsfähigkeit und Deregulierung gefährdet werden“, unterstrich Metz. Es sei Sache der Kommission „und nicht nur der Industrie“, die Situation auf dem Medizinprodukte-Markt zu analysieren.
Medizinprodukte (2): DSV schlägt konkrete Verbesserungen vor
Die Europavertretung der deutschen Soziaversicherungen (DSV) hat im Zusammenhang mit der Medizinprodukte-Entschließung des Europaparlamentes eigene Vorschläge für Verbesserungen in den betreffenden EU-Verordnungen vorgelegt. Zugleich warnte die DSV vor einer Rücknahme wesentlicher Ziele. Sicherheits- und Qualitätsanforderungen dürfen bei einer Revision nicht abgeschwächt werden. Die Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und die Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVD) seien „ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Patientensicherheit und der Behandlungsqualität mit Medizinprodukten. Diese Prämisse müsse bei der geplanten Evaluation und einer möglichen Anpassung „unbedingt bestehen bleiben“, betonte DSV-Geschäftsführerin Ilka Wölfle. Deshalb sei es „nicht notwendig, den gesamten Regulierungsrahmen von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika erneut zu verhandeln“.
Die DSV, die in Brüssel auch die deutschen gesetzlichen Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… vertritt, vermisst konkrete und nachvollziehbare Fakten zur Versorgungssituation. So gebe es bislang keinen Bericht der EU-Kommission über Produkte, „die aufgrund der MDR tatsächlich vom Markt genommen wurden oder bei denen der Hersteller eine Marktrücknahme beabsichtigt“, so Wölfle. Sie forderte „mehr Klarheit und Transparenz in Bezug auf die Arten von Produkten, deren Nichtverfügbarkeit die Patientenversorgung ernsthaft gefährden könnte, sowie in Bezug auf die genauen Gründe für Rücknahmen“. Wesentliche Grundlage für Markttransparenz sei die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED). Deren „vollständige Funktionsfähigkeit muss schnellstmöglich gewährleistet werden“, heißt es in dem am 23. Oktober veröffentlichen Positionspapier.
Darin wird auch ein gesondertes Konformitätsverfahren für Medizinprodukte im Bereich der Behandlung seltener Erkrankungen (Orphan Devices) befürwortet. Die DSV schlägt neben einer eindeutigen Definition der betreffenden Produkte vor, deren Technik weiterhin durch die mit der entsprechenden Erfahrung ausgestatteten „Benannten Stellen“ bewerten zu lassen. „Die klinische Bewertung und die Zweckbestimmung sollte hingegen eine zentrale Prüfstelle auf europäischer Ebene überprüfen und dabei die Expertenpanels der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) beteiligen“. Eine „Bündelung der medizinischen Fachexpertise sowie der zugehörigen Bewertungs- und Entscheidungskompetenz an zentraler Stelle“ gewährleiste eine einheitliche und aufwandsarme Bewertung. „Die Benannten Stellen werden entlastet, da sie für die hochspezialisierte und verhältnismäßig selten anstehende Prüfung der klinischen Bewertung von Orphan Devices kein Expertenpersonal vorhalten müssen.“
Die DSV warnt auch vor einer Marktfragmentierung durch nationale Sonderregelungen. Bereits jetzt könnten Mitgliedstaaten über Ausnahmeregelungen bestimmte Produkte im Interesse der öffentlichen Gesundheit oder der Patientensicherheit ohne vollständiges EU-Konformitätsverfahren auf den Markt bringen. Die Kommission müsse auch über diese nationalen Sonderzulassungen und die entsprechenden Begründungen transparent informieren.
Neue EU-Produkthaftung macht es Geschädigten leichter
Die EU erleichtert es Verbrauchern, gegen Schäden durch fehlerhafte Produkte vorzugehen. Geschädigte sollen bald besseren Zugang zu Beweismitteln erhalten. Zudem können Gerichte künftig entscheiden, ob Kläger in schwierigen Fällen lediglich nachweisen müssen, dass das Produkt wahrscheinlich fehlerhaft war beziehungsweise einen Schaden wahrscheinlich verursacht hat.
Diese Bestimmungen sind Bestandteil der neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie, die der EU-Ministerrat für Justiz und Inneres am 11. Oktober abschließend absegnet hat. Das Europaparlament billigte den mit dem Rat ausgehandelten Text bereits im März. Die EU-Staaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung muss dazu neben dem deutschen Produkthaftungsrecht auch das Arzneimittelgesetz Das Arzneimittelgesetz (AMG) zielt auf die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, deren Qualität,… ändern.
Mit der Novelle passt die EU rund 35 Jahre nach Beginn des Internetzeitalters die überwiegend noch aus dem Jahr 1985 stammenden EU-Vorgaben zur Produkthaftung an die Digitalisierung, globale Lieferketten, Systeme Künstlicher Intelligenz (KI) und Kreislaufwirtschaft an. Die Neufassung beinhaltet fünf Schwerpunkte:
- Digitale Wirtschaft: Die Produkt-Definition wird auf digitale Konstruktionsunterlagen und Software ausgeweitet. Auch Online-Plattformen können künftig für fehlerhafte Produkte haftbar gemacht werden.
- Kreislaufwirtschaft: Wird ein Produkt außerhalb der Kontrolle des ursprünglichen Herstellers repariert, nach- oder aufgerüstet, haften die für diese Veränderungen verantwortlichen Unternehmen oder Personen.
- Offenlegung von Beweismitteln: Geschädigte, die vor einem nationalen Gericht Schadenersatz geltend machen, können Zugang zu relevanten, in der Verfügungsgewalt des Herstellers befindlichen Beweismitteln beantragen, um ihre Ansprüche nachzuweisen. Umgekehrt gibt es auch eine Offenlegungspflicht der Kläger, falls Beklagte dies beantragen.
- Beweislast: Wenn es für geschädigte Verbraucher übermäßig schwierig ist, die Fehlerhaftigkeit des Produkts oder den ursächlichen Zusammenhang zwischen dessen Fehlerhaftigkeit und dem Schaden nachzuweisen, kann ein Gericht entscheiden, dass der Kläger lediglich nachweisen muss, dass das Produkt wahrscheinlich fehlerhaft war oder dass seine Fehlerhaftigkeit den Schaden wahrscheinlich verursacht hat.
- Produkte aus Nicht-EU-Ländern: Bei Schäden durch ein außerhalb der EU hergestelltes Produkt, haftet das einführende Unternehmen oder der Bevollmächtigte des Herstellers in der EU.
Auch die Neufassung beschränkt die Produkthaftungsansprüche auf zehn Jahre. Diese Frist verlängert sich aber auf 25 Jahre, wenn es um eine Gesundheitsschädigung geht, die sich erst nach und nach entwickelt. Ebenfalls positiv für Verbraucher und Patienten: Künftig entfällt die Haftungsbegrenzung, wonach EU-Länder die Gesamthaftung der Hersteller für Schäden infolge von Tod und Körperverletzung auf 70 Millionen Euro begrenzen konnten. Auch der bislang geltende Selbstbehalt Mit Selbstbehalt bzw. Selbstbeteiligung wird bei einer Versicherung der Betrag bezeichnet, den ein… für Geschädigte in Höhe von 500 Euro entfällt.
Der AOK-Bundesverband begrüßte die neue Produkthaftungsrichtlinie. Sie stärke die Patientenrechte Patientenrechte erwachsen aus allen Regelungen, die dem Patientenschutz, der Patientenautonomie,… im digitalen Zeitalter und sei „ein echter Fortschritt für den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Europa“, sagte die Vorstandsvorsitzende Dr. Carola Reimann nach dem Ratsbeschluss. Das betreffe unter anderem aus Nicht-EU-Staaten oder über Online-Plattformen bezogene Medizinprodukte.
Positiv bewertete die AOK auch die Änderungen bei der Beweispflicht: „Kläger müssen zwar auch weiterhin den Produktfehler, den Schaden und den Ursachenzusammenhang zwischen beiden beweisen. Die neue Richtlinie etabliert nun aber längst überfällige Beweiserleichterungen für die Verbraucher. Wer Schadensersatz-Ansprüche geltend machen möchte, sollte damit zukünftig deutlich bessere Aussichten auf Erfolg haben.“ Zudem gehe die neue Offenlegungspflicht über die in Deutschland bislang geltenden Möglichkeiten hinaus.
Ein Wermutstropfen aus Sicht der AOK: Europaparlament und Rat konnten sich nicht dazu durchringen, neben Privatpersonen auch juristische Personen wie die Krankenkassen als Schadenersatz-Anspruchsberechtigte anzuerkennen. „Bei einer entsprechenden Erweiterung hätten die gesetzlichen Krankenkassen selbst als Geschädigte klagen können. Nun bleibt es bei der bisherigen Möglichkeit der gesetzlichen Übertragung von Schadensersatzansprüchen geschädigter Privatpersonen auf die Versicherungsträger“, bedauerte AOK-Vorstandschefin Reimann.
Neue Kommission: Anhörungen beginnen am 4. November
In der ersten Novemberhälfte müssen sich die designierten EU-Kommissarinnen und -Kommissare den sogenannten Bestätigungsanhörungen durch das Europaparlament stellen. Nach dem Zeitplan des Parlaments finden diese vom 4. bis 12. November statt. Bei den öffentlichen Anhörungen stellen die von den Mitgliedstaaten benannten Kandidatinnen und Kandidaten ihre Programme vor und beantworten die Fragen der Abgeordneten.
Die Anhörung des für das neu zugeschnittene Ressort Gesundheit und Tierwohl vorgesehenen Ungarn Olivér Várhelyi ist für den 6. November (18.30 bis 21.30 Uhr) angesetzt. Várhelyi war in den vergangenen vier Jahren als Kommissar für die EU-Erweiterung zuständig. Seine Berufung zum Gesundheitskommissar durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten Europaparlamentarier als Zurückstufung der EU-Gesundheitspolitik kritisiert. Für die Várhelyi-Befragung tagen der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) und der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (AGRI) gemeinsam. Beteiligt sind zudem die Mitglieder des ENVI-Unterausschusses Gesundheit (SANTE) sowie des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE).
Die bereits im Vorfeld veröffentlichten grundsätzlichen Fragen an Várhelyi betreffen die gesamte Bandbreite der aktuellen EU-Gesundheitspolitik Die Gesundheitspolitik ist ein facettenreiches Gebiet, das weit über die in der Öffentlichkeit mit… . So wollen die Parlamentarier wissen, wie der designierte Kommissar sich eine sichere, bezahlbare und in allen EU-Ländern gleichwertige Versorgung mit Arzneimitteln vorstellt, wie er die Gesundheitsunion voranbringen und was er gegen den Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… tun will. Weitere Fragen betreffen seine Haltung zu einer grenzüberschreitenden Pflegerichtlinie oder zum von Kommissionspräsidentin von der Leyen in der Aufgabenbeschreibung für Várhelyi (Mission Letter) angekündigten „Critical Medicines Act“. Außerdem soll er zur vom Rat verordneten Kürzung des Gesundheitsbudgets (EU4Health) um rund eine Milliarde Euro Position beziehen. Thema ist auch die Gesundheitsprävention. In diesem Zusammenhang wollen die Parlamentarier wissen, wie der Ungar zur Überprüfung der Tabakgesetzgebung mit Blick auf neuartige Produkte wie E-Zigaretten steht, wie er die Vorschläge zu Gesundheitswarnungen auf alkoholischen Getränken beurteilt und welche EU-Maßnahmen er sich zur Bekämpfung von nicht übertragbaren Krankheiten vorstellt.
Das Europaparlament stimmt nach Abschluss der Anhörungen nicht über die einzelnen Kandidaten, sondern als Ganzes über das Kommissionskollegium ab. In der Regel ziehen die Mitgliedstaaten aber eine Nominierung zurück, wenn eine Kandidatin oder ein Kandidat im Fachausschuss durchfällt. Nach dem jetzigen Zeitplan könnte die zweite Von-der-Leyen-Kommission zum 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen.
Neue Grenzwerte für Luftschadstoffe endgültig gebilligt
Die überarbeitete EU-Luftqualitätsrichtlinie kann in Kraft treten. Der Rat der EU-Umweltminister billigte am 14. Oktober die bereits im Februar zwischen Europaparlament und Rat ausgehandelte Novelle. Sie basiert auf einem Vorschlag der EU-Kommission aus dem Oktober 2022 und ist Bestandteil des „Green Deal“. Danach soll die Luft in den EU-Staaten bis 2050 frei von Schadstoffen sein. Um dies zu erreichen, werden die bisherigen Grenzwerte schrittweise an die 2021 veröffentlichten und deutlich strengeren Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO angepasst. Zudem wurden die Regeln für Standorte und Beschaffenheit der Schadstoff-Messstationen neu gefasst.
Die niedrigeren Grenzwerte betreffen insbesondere Feinstaub, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid, Benzo(a)pyren, Arsen, Blei und Nickel. Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben jetzt zwei Jahre Zeit, die neuen Vorgaben in nationales Recht zu übernehmen. Die Richtlinie beinhaltet allerdings eine Hintertür. So können einzelne Länder „aus bestimmten Gründen und unter strengen Bedingungen“ eine Verlängerung der Frist beantragen:
- Bis spätestens 1. Januar 2035 (mit der Möglichkeit einer Verlängerung um zwei weitere Jahre), „wenn Prognosen zeigen, dass die Grenzwerte nicht innerhalb der Frist erreicht werden können“.
- Bis spätestens 1. Januar 2040 „für Gebiete, in denen sich die fristgerechte Einhaltung der Richtlinie aufgrund besonderer klimatischer und topografischer Bedingungen als unmöglich erweisen würde oder in denen die erforderlichen Reduktionen nur mit erheblichen Auswirkungen auf bestehende Haushaltsheizanlagen erreicht werden können“.
Die EU-Kommission will die nationalen Luftqualitätsstandards bis 2030 überprüfen und danach alle fünf Jahre „entsprechend den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen“. Luftverschmutzung ist nach Angaben der Kommission „das größte umweltbedingte Gesundheitsrisiko in Europa“. Rund 300.000 vorzeitige Todesfälle jährlich seien in der Union auf Luftverschmutzung zurückzuführen.
Nach Daten der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) waren 2021 in Deutschland Feinstaub-Partikel ursächlich für sechs Prozent der Lungenkrebserkrankungen, fünf Prozent der COPD-Fälle, neun Prozent der Krankheitslast durch Schlaganfälle sowie jeweils acht Prozent der koronaren Herzerkrankungen und Diabetes-Typ-2-Fälle. Der mit Luftverschmutzung verbundene wirtschaftliche Schaden in der EU wird laut KLUG für die Jahre 2014 bis 2021 auf rund 770 Milliarden Euro jährlich geschätzt.
Impfbündnis Gavi erhält weitere 260 Millionen Euro
Die EU-Kommission hat der weltweiten Impfallianz Gavi für die Jahre 2026 und 2027 neue Mittel im Umfang von 260 Millionen Euro zugesagt. Zusätzlich seien 213 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Afrika, Afghanistan, Venezuela und für die Palästinenser geplant, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an. Das Geld für Gavi solle helfen, „bis zum Jahr 2030 rund 500 Millionen Kinder weltweit zu schützen und Impfsysteme zu stärken“. 2020 hatte die EU dem zu Anfang des Jahrtausends gegründeten Impfbündnis Gavi bereits 300 Millionen Euro für den Zeitraum 2021–2025 zugesagt. Die EU unterstützt Gavi seit 2003. Bei Gavi handelt es sich laut Kommission „um eine gemeinnützige globale öffentlich-private Partnerschaft, die mit Partnerländern zusammenarbeitet, um Impfsysteme aufzubauen und den gleichberechtigten Zugang zu grundlegenden Gesundheitsprodukten und medizinischer Grundversorgung in armen Ländern zu verbessern“. Zwischen 2000 und 2022 habe die Allianz in 78 Ländern dazu beigetragen, insgesamt mehr als eine Milliarde Kinder gegen lebensgefährliche Krankheiten zu impfen. „Heute ist die Wahrscheinlichkeit für in einem von Gavi unterstützten Land geborene Kinder, vor ihrem fünften Geburtstag an einer durch Impfung vermeidbaren Krankheit wird in der Medizin als Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden verstanden. Allerdings stößt die… zu sterben, 70 Prozent niedriger als im Jahr 2000“, erläuterte die Kommission.
In Europa leben immer mehr Menschen alleine
In der EU lebten 2023 im Schnitt 16 Prozent der Menschen alleine. 2013 lag der Wert bei 14,2 Prozent. Das geht aus neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) auf Basis von Eurostat-Daten hervor. Die Werte für einzelne Staaten unterscheiden sich jedoch erheblich. Die Skala reicht von 25,8 Prozent Alleinlebenden in Finnland bis 3,8 Prozent in der Slowakei. In Deutschland wohnte im vergangenen Jahr jeder fünfte Mensch (20,3 Prozent) alleine. Damit lag die Bundesrepublik hinter Finnland, Litauen (24,6 Prozent), Schweden (24,1 Prozent), Dänemark (23,5 Prozent) und Estland (21,5 Prozent) auf Platz sechs. Neben der Slowakei ist der Wert auch in Irland (8,3 Prozent), in Polen (8,7 Prozent) und in Portugal (9,8 Prozent) deutlich niedriger.
Laut Destatis leben Frauen im EU-Schnitt (54,7 Prozent) häufiger allein als Männer, Ältere ab 65 Jahren (31,6 Prozent) häufiger als Jüngere. Hierzulande lag 2023 Anteil der Frauen bei den Alleinlebenden mit 52,2 Prozent unterhalb des EU-Wertes, bei den Einwohnern über 65 Jahren mit 34,6 Prozent über dem EU-Durchschnitt.
Einpersonenhaushalte sind nach der Erhebung der häufigste Haushaltstyp in der EU. In Deutschland machten sie im Jahr 2022 rund 41 Prozent aller Haushalte aus – deutlich mehr als der EU-Mittelwert von 35 Prozent.