Das KHVVG – Eine unabgeschlossene Chronik
Noch ist unklar, ob die Krankenhausreform alle parlamentarischen Hürden nimmt. Unsere unabgeschlossene Chronik zeigt, wie ein ursprünglich gemeinsam angedachtes Projekt im Hin und Her der unterschiedlichen Interessen von Bund und Ländern zerrieben wird.
Über die Notwendigkeit einer umfassenden Struktur- und Finanzreform der deutschen Krankenhauslandschaft wird schon seit Jahren diskutiert. Dass es eine Reform geben muss, darüber sind sich eigentlich alle einig. Auch darüber, dass es am Ende weniger Krankenhäuser geben wird. Gerade nach der Corona-Pandemie und vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten vieler Klinikstandorte. Diese grundsätzliche Einigkeit wird aber im Laufe der Debatte auf eine harte Probe gestellt. Die folgende unabgeschlossene Chronik – noch ist unklar, ob die Krankenhausreform alle parlamentarischen Hürden nimmt – zeichnet nach, wie ein ursprünglich gemeinsam angedachtes Projekt im Hin und Her der unterschiedlichen Interessen von Bund und Ländern zerrieben wird. Einstiegspunkt ist der 6. Dezember 2022:
Dezember 2022
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Regierungskommission empfiehlt eine umfassende Struktur- und Finanzreform der stationären Versorgung. Krankenhäuser sollen künftig drei Versorgungsstufen zugeordnet werden: wohnortnahe Grundversorgung, regionale Regel- und Schwerpunktversorgung, maximale Versorgung durch große Häuser wie Unikliniken. Die derzeit noch dominierende Vergütung Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden nach unterschiedlichen Systemen vergütet. Die… über Fallpauschalen soll deutlich reduziert und stattdessen Vorhaltekosten stärker berücksichtigt werden. Die Kommission empfiehlt grundsätzlich die Kliniken zu 40 Prozent über eine Vorhaltepauschale und zu 60 Prozent über Fallpauschalen zu vergüten. In der Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Intensivmedizin soll das Verhältnis umgekehrt sein.
Der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Bundesverband begrüßt die Vorschläge. „Die Kommission hat gute Impulse für eine große Krankenhausreform erarbeitet, die diesen Namen tatsächlich verdient“, so Verbandschefin Dr. Carola Reimann.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt, eine kostenneutrale Reform schreibe die Unterfinanzierung der Kliniken fort. Auch fehlten Vorschläge zur besseren Finanzierung der Investitionskosten durch die Bundesländer.
Die Länder warnen vor einer „Klinikreform durch die Berliner Brille“. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) pocht deutlich auf die Planungshoheit der Länder bei der stationären Versorgung.
Lauterbach kündigt an, die Verbände im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… zunächst nicht an der Entwicklung der Krankenhausreform zu beteiligen, um die Debatte allzu großem politischen Einfluss zu entziehen.
Januar 2023
Karl Lauterbach erläutert die Reformpläne seinen Länderkolleginnen und -kollegen. Ergebnis: Bund und Länder wollen bis zur Sommerpause 2023 einen gemeinsamen Gesetzentwurf erarbeiten.
Nordrhein-Westfalens (NRW) Gesundheits-Ressortchef Karl-Josef Laumann (CDU) widerspricht Ängsten, es handele sich um ein „Krankenhausschließungsprogramm“. Bund und Länder eine das Ziel, den Bürgern eine qualitativ gute Versorgung zu bieten.
Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… und Kliniken begrüßen, dass Bund und Länder gemeinsam ein Konzept erarbeiten wollen. Es sei „höchste Zeit für eine grundlegende Reform“, erklärt Dr. Carola Reimann.
Die Kliniken drängen auf enge Zusammenarbeit mit Bund und Ländern. Es sei ein „schwerer politischer Fehler“, eine solche Strukturreform „hinter verschlossenen Türen“ zu machen. Vorstandschef Gerald Gaß bemängelt, dass die DKG und andere Verbände der Selbstverwaltung bisher lediglich zu einem einzigen Termin im Bundesgesundheitsministerium eingeladen worden seien. Die Ersatzkassen Ersatzkassen waren ursprünglich privatrechtlich organisierte Versicherungsvereine auf… warnen vor einem „Aushöhlen der Selbstverwaltung“ und fordern mehr Mitsprache bei der geplanten Krankenhausreform.
Die DKG kündigt eine Auswirkungsanalyse an.
Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Reinhard Busse, der auch Mitglied der Kommission ist, verteidigt die Reformpläne. Bei der Einstufung in Einrichtungen der Grund-, Regel- und Schwerpunkt- sowie Maximalversorgung gehe es nicht darum, „dass weniger Häuser übrigbleiben, sondern dass klarer wird, welches Haus was macht“.
Die ersten Bundesländer preschen mit eigenen Reformkonzepten vor. Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) kündigt an, ein eigenes Krankenhausgesetz „zeitnah“ umzusetzen Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) will alle 37 Krankenhausstandorte im Nordosten erhalten. NRW- Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte bereits Anfang Januar angekündigt, zunächst den eigenen Weg weiterverfolgen und bis Mai Vorschläge ausarbeiten.
Februar 2023
Die Bundesländer wollen mehr Spielraum bei der Planung vor Ort. Sie gehen nicht davon aus, dass der Vorschlag der Regierungskommission eins zu eins umgesetzt werden kann. Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) bedauert, dass die Experten ihre Ideen nicht zuvor mit den Ländern auf „Praktikabilität“ geprüft hätten. Auch Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) erwartet Änderungen. Niedersachsens Gesundheitsminister Philippi zeigt sich zuversichtlich, dass am Ende „gute Kompromisse“ stünden.
Die erste Auswirkungsanalyse im Auftrag der DKG liegt vor. Danach blieben in Berlin von rund 50 Kliniken noch sieben Standorte übrig. In Baden-Württemberg seien 140 Kliniken gefährdet. In Bremen gäbe es keinen Maximalversorger mehr, nur noch im 60 Kilometer entfernten Bremerhaven., so die DKG-Analyse.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach pocht auf bundeseinheitliche Vorgaben. Es könne nicht sein, dass eine kardiologische Abteilung in Hessen anders definiert sei als in Baden-Württemberg. Öffnungsklauseln seien jedoch möglich. Bayern fordert möglichst breite Öffnungsklauseln. Die Länder seien alle unterschiedlich. Baden-Württemberg nannte Öffnungsklauseln „zentral“. Der GKV-Spitzenverband Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurden die Organisationsstrukturen in der gesetzlichen… warnt vor „Ausstiegsklauseln, die in einzelnen Regionen zu einer schlechteren Versorgungsqualität führen“ Die Bundesärztekammer betont, mit Öffnungsklauseln könnten die bundesweiten Vorgaben auf die Gegebenheiten vor Ort angepasst und sinnvolle regionale Strukturen erhalten bleiben.
März 2023
Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein kündigen an, die Krankenhausreform verfassungsrechtlich prüfen zu lassen. Ohne die Zustimmung der Länder im Bundesrat gebe es keine Reform. Entscheidend sei, dass die Länder die Kompetenz in der Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… -Planung behielten. Bundesminister Lauterbach signalisiert Entgegenkommen: „Das wird im Miteinander gelöst.“
Die DKG fordert ein Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser. Nur so könne verhindert werden, dass Kliniken vor der geplanten großen Krankenhausreform in Insolvenz gingen und Versorgungslücken entstünden.
Lauterbach kündigt auf dem dritten von zunächst sechs geplanten Bund-Länder-Treffen für Ende April oder Anfang Mai einen Basisvorschlag für die Krankenhausreform an. Die Reform in NRW soll als Orientierung dienen. Sie definiert lediglich 64 statt der bisher geplanten 128 Leistungsgruppen.
Die AOK-Gemeinschaft betont die Wichtigkeit solcher einheitlich definierter Leistungsgruppen: „Unterschiedliche Planungssystematiken in den einzelnen Bundesländern würden gleichgerichtete Anreize für die Vorhaltung guter Versorgungsstrukturen erschweren und den notwendigen Modernisierungsschub verhindern“.
Die ostdeutschen Länder sehen sich in einer Sonderlage. Nach der Wende hätten sie bereits in den 90er Jahren „schmerzvoll“ Klinikreformen durchgeführt.
April 2023
Ein vom AOK-Bundesverband beauftragtes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss: Die Einführung eines an Leistungsbereichen und Leistungsgruppen orientierten Systems zur Krankenhausplanung Die Planung von Krankenhäusern steht in der Verantwortung der Bundesländer, die damit die… sowie die Festlegung von Kriterien, die der Bedarfsermittlung im stationären Bereich dienen, ist mit den Grundrechten der privaten und gemeinnützigen Krankenhausträger vereinbar. Krankenhausplanung sei zwar grundsätzlich Sache der Bundesländer, das Grundgesetz weise den Ländern dabei aber keine ausschließliche Kompetenz zu. „harmonisierende Vorgaben“ für die Planung seien zulässig, solange eine „ausreichende Konkretisierungskompetenz der Länder gewahrt wird“.
Die Bundesärztekammer (BÄK) dringt auf dem 127. Deutschen Ärztetag zum wiederholten Male darauf, die Selbstverwaltung einzubeziehen. Wenn sich die Reformpläne konkretisierten, sei der Sachverstand „derjenigen, die in der Realität Verantwortung tragen“, zwingend notwendig.
Der Krankenhaus-Report 2023 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO Das WIdO (Wissenschaftliches Institut der AOK) liefert als Forschungs- und Beratungsinstitut der… ) hält fest: Ohne tiefgreifende Krankenhausreform droht sich die schwierige Personalsituation in den deutschen Kliniken in den nächsten Jahren weiter zu verschärfen.
Vor der nächsten Bund-Länder warnt der AOK-Bundesverband vor einem Aufweichen der Ziele. Das Ziel müsse eine höhere Behandlungsqualität bleiben und dürfe nicht durch „wachsweiche Öffnungsklauseln“ auf Kosten der Patientensicherheit konterkariert wird.“ Dazu gehöre auch die Behandlung in spezialisierten Zentren.
Ein von Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein beauftragtes Rechtsgutachten stärkt die Position der Länder. Die Pläne des Bundes für eine Krankenhausreform greifen demnach zu stark in deren Planungshoheit ein.
Mai 2023
Der Graben zwischen Bund und Länder wird tiefer. In einer Beschlussempfehlung für die Gesundheitsministerkonferenz Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) ist eine jährlich stattfindende… (GMK) haben alle 16 Bundesländer mehr Mitsprache, Mittel und Zeit gefordert. Gleichzeitig lehnen sie zentrale Bausteine der Reform ab, etwa die Einteilung der Kliniken nach Versorgungsstufen sowie bundeseinheitliche Leistungsgruppen. Lauterbach hält dagegen: Die Mechanik der Reform stehe außer Frage.
Der Deutsche Hebammenverband (DHV) sieht in der Krankenhausreform die Chance für eine Neuaufstellung und schlägt vor, Hebammen als eigene Leistungsgruppe einzuführen.
Krankenkassen, Klinikorganisationen und Deutsche Krebsgesellschaft appellieren in einem Brief an Bund und Länder, die Reform möglichst schnell umzusetzen. Ein Scheitern werde erhebliche negative Folgen für die Versorgung haben. Die Steigerung der Versorgungsqualität und -sicherheit dürfe bei den laufenden Beratungen nicht verwässert werden, warnen die Unterzeichner, darunter kommunale Großkrankenhäuser, Universitätskliniken, der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der AOK-Bundesverband. Die zehn mitzeichnenden Verbände plädieren auch dafür, an bundesweit einheitlich definierten Leistungsgruppen festzuhalten, klare Versorgungsaufgaben zuzuweisen und die Krankenhausplanung stärker am Bedarf auszurichten.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) legt ein Eckpunkte-Papier mit finanziellen Zugeständnissen vor. Der 2016 eingerichtete Krankenhausstrukturfonds soll verlängert werden, um „strukturverbessernde Maßnahmen, die sich aus der Umsetzung dieser Krankenhausreform ergeben“, zu finanzieren. Bei der Einteilung der Kliniken sollen die Länder die Möglichkeit erhalten, „anstelle einer Zuordnung zu den bundeseinheitlichen Leveln eine Zuordnung zu äquivalenten Versorgungsstufen vorzunehmen“.
Der AOK-Bundesverband spricht sich für die enge Verknüpfung der Krankenhausplanung mit der Finanzierung auf Basis bundeseinheitlicher Leistungsgruppen aus. Es sei wichtig, die Versorgungsaufträge für die Kliniken und die daran gekoppelten Vorhaltepauschalen am Bedarf der Bevölkerung zu orientieren.
Karl Lauterbach sieht die Beratungen mit den Ländern immer noch „auf einem sehr guten Wege“. Es bestehe Konsens, dass ein solches Gesetz ohne Alternative sei. Bayern hingegen fordert inzwischen eine grundlegende Änderung des Konzepts. Die Level seien nicht notwendig und verfassungsrechtlich höchst problematisch.
Juni 2023
Der Bundesgesundheitsminister verkündet nach einer erneuten Verhandlungsrunde mit den Ländern den „Durchbruch“. Basis bleibt das NRW-Modell mit 64 Leistungsgruppen. Die zwischen Bund und Ländern umstrittene Einteilung der Kliniken in Versorgungsstufen oder Level ist vom Tisch.
Der AOK-Bundesverband begrüßt die Übereinkunft. Die Einführung bundesweit einheitlicher Leistungsgruppen und die Kopplung der Vorhaltepauschalen an diese Gruppen seien entscheidende Schritte zur Schaffung einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung.
Die DKG legt ein grundsätzliches Bekenntnis zur Klinikreform ab, räumt aber auch die Notwendigkeit von Schließungen ein. 20 Prozent weniger Klinikstandorte als heute innerhalb von zehn Jahren sei eine „realistische Größenordnung, um eine gute Balance zwischen wohnortnaher Versorgung und Spezialisierung zu erreichen.“
Juli 2023
Der ursprüngliche Zeitplan der Klinikreform gerät ins Wanken. Auf einem Treffen am Bodensee können sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern zunächst nicht auf Eckpunkte einigen. Zwei Tage später dann doch „weißer Rauch“. Eine Arbeitsgruppe, der neben dem Bund die Länder Hamburg, Baden-Württemberg, NRW und Mecklenburg-Vorpommern angehören, soll über den Sommer nun den Gesetzentwurf erarbeiten.
Kassen und Verbände drängen auf rasche Klärung offener Finanzfragen. „Die Kliniken brauchen eine verlässliche finanzielle Perspektive, denn einen kalten Strukturwandel will keiner“, erklärt AOK-Bundesverbandschefin Dr. Carola Reimann. Die DKG appelliert an die Politik, den Transformationsprozess aktiv zu gestalten, um ein „planloses Kliniksterben“ zu verhindern.
Bayern droht mit Verfassungsklage gegen die Krankenhausreform. Der Freistaat hatte als einziges Bundesland gegen die Eckpunkte gestimmt.
Niedersachsen bringt erstmals einen Transformationsfonds ins Spiel, um die Liquidität der Kliniken in der Übergangsphase der Reform sicherzustellen.
August 2023
Karl Lauterbach präsentiert seine Gesetzespläne für ein Online-Transparenzverzeichnis zur Klinikqualität. Der Klinikatlas sei ein wichtiger Baustein der Krankenhausreform. Bürger sollen ab dem 1. April 2024 einen besseren Überblick über das Angebot und die Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… von Krankenhäusern erhalten.
Die Krankenkassen begrüßen das „Krankenhaustransparenzgesetz“ (KHTG). Mehr Transparenz über die Qualität der Klinikversorgung sei „grundsätzlich notwendig und ein sinnvoller Baustein der Krankenhausreform“, erklärt u.a. der AOK-Bundesverband und hält eine enge Verzahnung mit der Klinikreform für sinnvoll. Die AOK-Gemeinschaft biete mit dem „Gesundheitsnavigator“ bereits seit langer Zeit ein Portal, das über Zertifikate, Mindestmengen und Qualitätsergebnisse auf Basis von Routinedaten auch Sekundärdaten genannt, sind Daten, die routinemäßig von der gesetzlichen Krankenversicherung… informiere.
Die DKG hingegen spricht von einem „Trojanisches Pferd“. Lauterbach zentralisiere die Klinikplanung, indem er am Konzept der Versorgungslevel festhalte. Die Länder würden entmachtet.
September 2023
Das Kabinett gibt grünes Licht für das KHTG.
Wie bereits die DKG wirft auch Bayern Lauterbach vor, die umstrittenen Klinik-Level über den Umweg des Registers einzuführen.
Ende des Monats geht der Entwurf in die parlamentarische Beratung. Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss schwindet der Rückhalt am konkreten Gesetzentwurf. Die Vertreter des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) beklagen „fundamentale Defizite“ sowie „schwerwiegende Mängel“ und melden verfassungsrechtliche Zweifel an. Die DKG erneuert den Vorwurf des „Etikettenschwindels“. Die Krankenkassen fordern Nachbesserungen bei den Qualitätsinformationen.
Das BMG legt einen ersten Arbeitsentwurf zur Klinikreform ohne Abstimmung mit den Ländern vor. Das 37-seitige Papier skizziert einen ersten Reformzeitplan, klammert aber zentrale Fragen zu Kosten und Finanzierung aus. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (DIE GRÜNEN) lässt durchblicken, dass der 1. Januar 2024 als Starttermin nicht mehr zu halten sei.
Oktober 2023
Jetzt fordert auch die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ein Vorschaltgesetz mit einem Nothilfeprogramm für existenzbedrohte Krankenhäuser in Höhe von fünf Milliarden Euro. Die ortsnahe, hochwertige Versorgung sei „akut gefährdet“. Die Regierungsfraktionen wollen über das Krankenhaustransparenzgesetz nachsteuern, verspricht Lauterbach in einem Brief an seine Landeskollegen.
Auch beim Klinikatlas kommt der Bundesminister den Ländern entgegen. Der Start wird von April auf Mai 2024 verschoben. Das Leistungsangebot der Kliniken soll erst ab Oktober 2024 nach Leistungsgruppen dargestellt werden. Das Gesetz passiert Ende des Monats den Bundestag.
Kassenverbände und Unikliniken begrüßen das nachgebesserte Vergleichsportal, Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes, spricht von einem „echten Fortschritt“.
Ärzte und die DKG bleiben bei ihrer Kritik.
November 2023
Das BMG kündigt für Mitte des Monats einen neuen Arbeitsentwurf für die Klinikreform an. Er soll beim nächsten Bund-Länder-Treffen Thema sein. Danach könne auch „auch relativ schnell“ das Gesetzgebungsverfahren starten.
Der vor der Sommerpause für den Herbst in Aussicht gestellte gemeinsame Gesetzentwurf lässt weiter auf sich warten. Stattdessen wächst bei den Ländern die Sorge vor einem Scheitern der Reform. Die Länder stört, dass die bisherigen Arbeitsentwürfe vom gemeinsamen Eckpunktepapier abweichen. Auch halten sie an ihrer Forderung nach einem Vorschaltgesetz fest. Eine Bundesratsinitiative aus NRW, Bayern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sieht einen Defizitausgleich von fünf Milliarden Euro noch im laufenden Jahr vor.
Karl Lauterbach selbst geht inzwischen davon aus, dass die Krankenhausreform frühestens Mitte 2024 beschlossen wird, verspricht aber in einem nächsten Arbeitsentwurf die Kritikpunkte der Länder aufzugreifen.
Die AOK-Gemeinschaft drängt auf eine zügige Einigung bei den inzwischen zehn Monate dauernden Bund-Ländern Verhandlungen.
Beim KHTG rührt sich Widerstand bei den Ländern. Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats empfiehlt, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Länderkammer stimmt der Empfehlung am Ende zu. „Die Krankenhausplanung muss bei den Ländern bleiben“, betont NRW-Minister Laumann. Die Zielrichtung des Gesetzes sei „vernünftig und richtig“. Zunächst müssten aber die Länder die neuen Leistungsgruppen zuordnen. Bundesminister Lauterbach attackiert die Länder im Nachgang scharf. Einige Minister gerierten sich wie „Sprecher“ der DKG. Rufe der Länder nach mehr Bundeshilfen für die Kliniken wies er als chancenlos zurück.
Dezember 2023
Nach dem einstweiligen Stopp des KHTG durch den Bundesrat ringen Bund, aber auch die Länder untereinander um eine Einigung. Niedersachsen wirbt mit Verweis auf die inzwischen in einer Protokollnotiz verankerten Finanzhilfen für die Kliniken um Annahme des KHTG. Bayerns inzwischen neue Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) pocht weiter auf die Planungshoheit der Länder. Der Klinikatlas greife der großen Klinikreform weit vor, die Lauterbach nicht energisch vorantreibe. Der wiederum macht auf dem „FAZ“-Kongress Gesundheit Druck auf die Länder. Zwischen den einzelnen Häusern gebe es große Qualitätsunterschiede, die aber für Patienten nicht klar ersichtlich seien. Mitte des Monats zeichnet sich ab, dass es bis zum Jahresende keine Sitzung des Vermittlungsausschusses mehr geben wird.
Angesichts der schwierigen Finanzlage vieler Kliniken mahnt jetzt auch Brandenburg ein Vorschaltgesetz an.
Die Länder werden zunehmend ungeduldig und fordern sechs Tage vor Weihnachten, noch vor den Feiertagen, einen neuen Gesetzentwurf zur großen Reform, den Lauterbach eigentlich schon für den Advent zugesagt hatte. Die Arbeit am Klinikreformgesetz könne unabhängig vom KHTG weitergeführt werden.
Das Krankenhaus-Barometers des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) berichtet zum Jahresende über die finanziellen Erwartungen der Krankenhäuser. Demnach erwarten 80 Prozent der Kliniken für 2023 ein negatives Jahresergebnis. 2024 drohe ein „Rekord-Insolvenzjahr“ zu werden, warnt die DKG.
Januar 2024
Zu Jahresbeginn trifft sich der Bundesgesundheitsminister mit den kommunalen Spitzenverbänden und erneuert seine Kritik an den Ländern, das KHTG im Vermittlungsausschuss zu blockieren und die Reform zu verzögern. Die Kommunen zweifeln daran, dass die Pläne noch rechtzeitig greifen. „Wenn die Krankenhäuser in einem Zwischenschritt nicht schnell frisches Geld bekommen, werden etliche die Reform nicht mehr erleben“, warnt der Städtetag.
NRW-Gesundheitsminister Laumann nennt die Kopplung von Finanzhilfen an das Gesetz „Erpressung“. Wenn die Krankenhäuser zurzeit zu wenig Geld für ihre Leistungen bekämen, sei das ausschließlich das Problem des Bundes.
Lauterbach kündigt für Ende April einen Kabinettsbeschluss zu einem Krankenhausfinanzierungsgesetz an, das die „bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung“ sicherstellen soll. Von einer großen Klinikreform, die eigentlich schon längst hätte verabschiedet sein sollen, ist nicht mehr die Rede.
Die Arbeitsgemeinschaft Kommunaler Krankenhäuser (AKG) und der AOK-Bundesverband fordern in einem gemeinsamen Brief an Lauterbach, eine „erlösunabhängige und bedarfs- sowie aufwandsgerechte“ Ausgestaltung der Krankenhausfinanzierung Seit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 teilen sich die Bundesländer und die gesetzlichen… . Die Vorhaltefinanzierung sei „das wesentliche Werkzeug“, ökonomische Fehlanreize zu reduzieren und den Bürokratieabbau voranzutreiben. Die vorgeschlagenen Regelungen erhöhten stattdessen die Komplexität der Klinikfinanzierung und führten zu neuen Konflikten, zusätzlichen Unsicherheiten und mehr Bürokratie.
Eine Auswirkungsanalyse des Hamburger Data Analytics-Unternehmen Vebeto im Auftrag der DKG hält fest: Die Vorhaltefinanzierung bisheriger Planung verfehle alle vom Minister gesteckten Ziele, weder zur Entökonomisierung noch zur Entbürokratisierung oder zur Existenzsicherung kleiner Häuser. Die Analyse sei statisch und gehe davon aus, dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland trotz Reform bis 2045 vollständig unverändert bleibe, hält die Regierungskommission zur Klinikreform dagegen.
Ein Team der Technischen Universität Berlin, um den Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Reinhard Busse, zeigt auf Basis von AOK-Abrechnungsdaten, dass die Veröffentlichung von Qualitätsdaten der Krankenhäuser „die Wahrscheinlichkeit einer qualitativ möglichst guten Behandlung signifikant steigern“ könnte. Die Forscher widerlegen die These, die aktuelle Qualität der Häuser könne wegen der zeitverzögerten Datengrundlage nicht sicher bestimmt werden.
Am Monatsende bekräftigt Karl Lauterbach seinen Plan, trotz andauernden Zwists mit den Ländern das „große Krankenhausgesetz“ am 24. April vom Kabinett beschließen zu lassen und erklärt quasi im Nebensatz, das Gesetz werde nicht zustimmungspflichtig sein. Die Leistungsgruppen nach Vorbild Nordrhein-Westfalens stünden im Gesetz. Deren Weiterentwicklung erfolge Anfang 2025 per Rechtsverordnung. Die wären dann jedoch zustimmungspflichtig. Die GMK zeigt sich ob dieses Verfahrens „irritiert“. Lauterbach rücke von bisherigen Zusagen ab.
Februar 2024
Karl Lauterbach sieht die Klinikreform in der alles entscheidenden Phase, spricht sogar von „Schicksalsmonaten für die Versorgung der Babyboomer“ und verschärft erneut den Ton gegenüber den Ländern. Die Länder wollten, dass „alles bleibt wie es ist“. „Wir haben immer die Strukturreformen vermieden und das System noch einmal mit Geld zugeschüttet, darum haben wir jetzt das teuerste Gesundheitssystem in Europa.“
Lauterbach müsse sich „noch erheblich auf die Länder zubewegen“, meint Bayerns Gesundheitsministerin Gerlach im Gegenzug.
Ende des Monats empfiehlt der Vermittlungsausschuss die Bestätigung des KHTG, inklusive mit den in der Protokollnotiz bereits avisierten finanziellen Zusagen, wie etwa eine Umstellung der Landesbasisfallwerte. Zusätzlich verspricht Lauterbach einen Transformationsfonds, der bis 2035 Klinik-Investitionen von 50 Milliarden Euro vorsieht. Er soll in der Übergangsphase der Reform die Häuser finanziell absichern.
März 2024
Das BMG legt nach mehreren rudimentären Arbeitsentwürfen einen Referentenentwurf für ein „Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz“ (KHVVG) vor und stößt auf reichlich Widerstand, vor allem wegen der vorgesehenen 25 Milliarden Euro im Transformationsfonds auf Kosten der gesetzlich Versicherten. Andere Maßnahmen sind weitgehend aus früheren Papieren bekannt. Die Fallpauschalen sollen teilweise durch eine Vorhaltevergütung für Betten, Personal und Equipment abgelöst werden. Sie soll 60 Prozent der Einnahmen ausmachen und wird verknüpft mit der Zuweisung von Leistungsgruppen sowie der Einhaltung bestimmter Qualitätskriterien. Die bundesweit einheitlichen Gruppen sollen später per Rechtsverordnung benannt werden, die ab 2027 gilt. Vorher dient das NRW-Modell mit seinen 64 Leistungsgruppen als Grundlage. Wenig ausgelastete Kliniken sollen gegebenenfalls zu sektorenrübergreifenden Versorgungszentren weiterentwickelt werden. Stationen der Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie müssen innerhalb von 30 Minuten mit dem Pkw erreichbar sein, die übrigen Bereiche innerhalb von 40 Fahrminuten. Ist dies nicht gewährleistet, sollen einem Krankenhaus trotz fehlender Qualitätsvoraussetzungen Leistungsgruppen zugewiesen werden können. Der Transformationsfonds soll ab 2026 bis 2035 insgesamt 50 Milliarden Euro bereitstellen. Die eine Hälfte sollen die Länder übernehmen, die andere Hälfte soll aus Mitteln der GKV gespeist werden.
Der AOK-Bundesverband nennt die Finanzierung des Fonds „unfair gegenüber den Beitragszahlenden“ und „kontraproduktiv“. Die verbindliche Definition der Leistungsgruppen werde „auf die lange Bank“ geschoben, „die schnelle Gießkannen-Finanzierung“ etwa bei Tariferhöhungen einfach fortgesetzt.“ Der GKV-Spitzenverband fordert „dringend“ eine Kurskorrektur.
Aus Sicht der DKG „atmet“ das KHVVG „den Geist der Zentralisierung“, ohne die Patientenversorgung in der Fläche sicherzustellen.
Die Hausärzte sehen wohnortnahe Praxen in Gefahr. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) moniert „milliardenschwere Geschenke“ auf Kosten der Versicherten.
Lob kommt vom Verband der Universitätsklinika, die auf mehr Mittel hoffen.
Das KHTG passiert fünf Monate nach Verabschiedung im Bundestag und Anrufung des Vermittlungsausschusses mit Mehrheit den Bundesrat. Der dort verankerte Klinikatlas geht am Ende nicht Anfang, sondern erst Mitte Mai online. Wegen erheblicher Mängel fällt der Start holprig aus. Das BMG sieht sich bereits einen Monat später zu einem „Neustart“ gezwungen. Die DKG spricht von einer „Bankrotterklärung“. Die AOK-Gemeinschaft zeigt sich „überrascht“ von der hohen Fehlerquote und mahnt „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ an.
April 2024
Die DKG sieht die Reform vor dem Aus, weil sie seitens des BMG schlecht gemanagt werde.
Der Deutsche Landkreistag nennt die Pläne einen „Affront gegen die Belange des ländlichen Raums“. Anders als vom Bundesgesundheitsminister dargestellt, hätten die Kommunen bei einem Spitzengespräch „große Bedenken“ gegen die Reform geäußert.
Der GKV-Spitzenverband warnt vor einer „Kostenlawine“. Die Betriebskrankenkassen Der Arbeitgeber kann für einen oder mehrere Betriebe eine Betriebskrankenkasse (BKK) errichten, wenn… befürchten bereits neue Milliardenlasten und einen steilen Anstieg der Zusatzbeiträge. Deren Dachverband droht mit Klage, sollten Bund und Länder weiter Kosten auf die Kassen abschieben.
„Zu einer Finanzstabilisierung der GKV wird der vorliegende Referentenentwurf nicht beitragen“, heißt es in einer AOK-Stellungnahme zum KHVVG.
Bund und Länder halten trotz unterschiedlicher Auffassungen an der geplanten Krankenhausreform fest. „Wir sind zum Erfolg verdammt“, sagt der Bundesgesundheitsminister nach einer weiteren Bund-Länder-Runde. „Wir wollen, dass dieses Gesetz zum Gelingen kommt“, betont auch Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD). Der Bund müsse jedoch „größere Beweglichkeit“ zeigen. Sie forderte erneut eine Auswirkungsanalyse und mehr regionale Planungsfreiheit.
Die Verabschiedung des KHVVG im Bundeskabinett verschiebt sich vom 24. April auf den 8. Mai. Plan bleibt: die erste Lesung im Deutschen Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause.
Das BMG hat zu einer zweistündigen Veranstaltung über 100 Verbände eingeladen. Damit bliebe kaum Zeit für eine sinnvolle Erörterung bzw. Beratung des Gesetzentwurfes. Daher erwägt die DKG einen Boykott der Verbändeanhörung.
Mai 2024
Die Kabinettsentscheidung zum KHVVG wird nochmals um eine Woche auf den 15. Mai verschoben.
Die DKG fordert, die gewonnene Zeit für eine umfassende Auswirkungsanalyse zu nutzen. Anderenfalls werde der Umbau der Krankenhausstrukturen zum „Blindflug“. Die Reform sei unstrittig, der vorliegende Entwurf aber „an vielen Stellen nicht durchdacht“.
Der Deutsche Landkreistag nennt die Klinikreform eine „Black Box“.
Der 128. Deutsche Ärztetag stellt sich wegen des Transformationsfonds an die Seite der Länder, Kassen und Arbeitgeber. Die hälftige Finanzierung über die GKV sei eine „Zweckentfremdung“ der Beiträge.
Ungeachtet der Proteste billigt das Bundeskabinett den zustimmungsfrei formulierten KHVVG-Entwurf, wobei die verfassungsrechtliche Prüfung durch das Bundesjustiz- und das Bundesinnenministerium noch nicht abgeschlossen ist – ein Novum in der Gesetzgebung! Forderungen der Länder, darunter eine vorgeschaltete Auswirkungsanalyse, enthält die Kabinettsfassung hingegen nicht. Nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal spricht der Bundesgesundheitsminister von einer „Revolution im Krankenhaussektor“. Nicht alle der derzeit 1.700 Krankenhäuser könnten die Reform „überleben“, weil es „weder medizinischen Bedarf noch das Personal noch die finanziellen Mittel“ gebe. Die Daseinsvorsorge auf dem Land werde durch Ausnahmeregeln bei den Qualitätsvorgaben für kleine Krankenhäuser gesichert. Trotz Gegenwinds rechnet Lauterbach „nicht mit einer Hängepartie im Bundesrat“. Angesichts der prekären Lage vieler Kliniken könnten die Länder kein Interesse daran haben, die im KHVVG vorgesehenen rund sechs Milliarden Euro an Liquiditätshilfen zu blockieren.
Zwei Wochen später sprechen Bund und Länder erneut über noch offene Fragen. Grundlage der Beratung ist die gemeinsame Stellungnahme der Länder von Ende April mit elf Änderungsforderungen, die alle nicht in den Gesetzentwurf eingeflossen sind. Vor dem Treffen bekräftigen die Länder ihre Forderungen nach Änderungen im parlamentarischen Verfahren.
Der AOK-Bundesverband appelliert an die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern die „Kompetenz-Streitigkeiten“ beizulegen, um die Reform „endlich unter Dach und Fach zu bringen“. Angesichts immer knapperer Mittel und Fachkräftemangels „können wir es uns schlicht nicht mehr leisten, weiter ineffiziente Krankenhausabteilungen mit schlechten Qualitätsergebnissen zu finanzieren“.
Nach der erneut erfolglosen Gesprächsrunde halten sich die Länder die Anrufung des Vermittlungsausschusses oder gar eine Klage offen. Die Gesetzespläne drohten auch bedarfsnotwendige kleine Klinken und damit die Grund- und Notfallversorgung in der Fläche zu gefährden, warnt die GMK-Vorsitzende aus Schleswig-Holstein Prof. Kerstin von der Decken (CDU). Ein Hauptstreitpunkt ist das neue Vergütungssystem, weil der Gesetzentwurf die geplanten Vorhaltpauschalen mittelbar doch an Fallzahlen koppelt. Dies widerspreche der Grundidee und gefährde das Überleben notwendiger Kliniken mit geringen Fallzahlen.
Juni 2024
Laut Frühjahrsumfrage des DKI sagen drei Viertel der Krankenhäuser, dass die geplante Vorhaltevergütung ihre wirtschaftliche Lage nicht verbessere. Das Modell sei „schon jetzt gescheitert“, kommentiert die DKG.
Die KBV legt bei der EU-Kommission in Brüssel Beschwerde gegen die Reform ein. Das KHVVG verstoße gegen das EU-Beihilferecht, weil es erneut eine finanzielle Förderung ausschließlich der Krankenhäuser vorsehe.
Die Tagung der GMK in Lübeck-Travemünde bildet die Bühne weiterer Proteste. Der Reformentwurf sei nicht praxistauglich, der Minister müsse „endlich Kompromissbereitschaft zeigen“, findet beispielsweise der Katholische Krankenhausverband. Die Gewerkschaft Verdi forderte eine Reform, „die eine wohnortnahe, hochwertige Versorgung in den Mittelpunkt stellt und ernst macht mit der versprochenen Entökonomisierung“.
Die Länder beharren auf ihrer Forderung nach einer Auswirkungsanalyse.
Während Bund und Länder weiter um die Neuordnung der Krankenhauslandschaft streiten, geht NRW bei seiner Klinikreform einen weiteren Schritt voran. Die Landesregierung informierte die 310 NRW-Krankenhäuser sowie Krankenkassen und Kommunen über das anstehende Anhörungsverfahren zu den noch ausstehenden 60 Leistungsgruppen. Die NRW-Reform gilt als Vorbild für den Bund. Im Mai hatte das Land bereits darüber informiert, ob und welche Leistungen ein Krankenhaus ab 2025 in den Bereichen Allgemeine Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Intensivmedizin und Geriatrie erbringen darf. Beim nun anstehenden Verfahren für die komplexeren Leistungsgruppen, etwa komplizierten Krebsbehandlungen, erwartet Landesgesundheitsminister Laumann deutlich kontroversere Diskussionen. Ziel bleibe es, bis Jahresende die Versorgungsaufträge verbindlich zu erteilen. Die Beteiligten können bis zum 11. August Stellung nehmen.
Für Donnerstag, den 27. Juni, ist die erste Lesung des KHVVG terminiert.