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Malzahn: „Gründlichkeit vor Schnelligkeit – diesen Ansatz wünschen wir uns auch für den Bundes-Klinik-Atlas“

13.06.2024 AOK-Bundesverband 4 Min. Lesedauer

Der Start des Bundes-Klinik-Atlas verlief wegen der hohen Fehlerquote alles andere als reibungslos. Mehr Gründlichkeit wünscht sich der AOK-Krankenhausexperte Dr. Jürgen Malzahn.

Foto: Ärztinnen und Ärzte bei einer Operation

Seit Mitte Mai ist mit dem Bundes-Klinik-Atlas das erste staatliche Vergleichsportal für Krankenhäuser gestartet. Patienten könnten nun „mit wenigen Klicks Kliniken vergleichen und für die benötigte Behandlung in ihrer Nähe die beste Klinik finden“, unterstrich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Tag des Onlinegangs den aus seiner Sicht großen Nutzen. Ein Ziel des lernenden Systems sei, Patienten mündige Entscheidungen zu ermöglichen und so eine Patientenzentrierung im Klinikwesen zu erreichen“, ergänzte Claus-Dieter Heidecke, Leiter des Instituts für Qualitätssicherung a) Qualitätssicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung: Vertragsärzte, Krankenhäuser und… und Transparenz im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… (IQTIG), das die Daten verarbeitet. Allerdings verlief der Start des Bundes-Klinik-Atlas mehr als holprig. Hauptkritikpunkt: Die hohe Fehlerquote. „Die Fehler müssen zügig behoben werden, um Patientinnen und Patienten sowie die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei der Klinikwahl nicht in die Irre zu führen“, fordert jetzt der Leiter des Abeitung stationäre Versorgung und Rehabilitation Die Weltgesundheitsorganisation versteht unter Rehabilitation alle Maßnahmen, die darauf abzielen,… im AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Bundesverband, Dr. Jürgen Malzahn.

Aschblonder Mann in grau-beige-kariertem Sakko, weißes Hemd weinrot-weiß-schwarz-orange gestreifte Krawatte
Dr. Jürgen Malzahn

Herr Dr. Malzahn, wie berechtigt ist die doch zum Teil sehr deutliche  Kritik an dem neuen Angebot aus Ihrer Sicht?

Malzahn: Das Ausmaß der Fehler im Bundes-Klinik-Atlas hat uns schon überrascht. Sie sind offenbar der kurzen Frist geschuldet, mit der das Portal an den Start gebracht worden ist. Die Fehler müssen zügig behoben werden, um Patientinnen und Patienten sowie die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei der Klinikwahl nicht in die Irre zu führen. Sonst erweist das Portal dem Thema Qualitäts-Transparenz einen Bärendienst. Einige Fehler im Bundes-Klinik-Atlas wie die falschen Angaben zu Notfallstufen basieren vor allem auf fehlerhaften Angaben in den Qualitätsberichten der Kliniken, also letztlich auf fehlerhaften Angaben der Kliniken selbst. Sie sollten schnellstmöglich validiert und korrigiert werden. Die Fallzahlen zu erbrachten Leistungen auf Standort- und Fachabteilungsebene werden vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… InEK zugeliefert. Auch hier gibt es fehlerhafte Angaben. Aus unserer Sicht sollte hier dringend eine Qualitätssicherung durch Abgleich mit anderen Datenquellen wie den strukturierten Qualitätsberichten der Kliniken erfolgen. Das gilt insbesondere für die Angaben auf Fachabteilungsebene. Das Problem ist lösbar.

Viele Medien haben zum Start des Bundes-Angebotes darauf hingewiesen, dass die AOK in ihrem Online-Angebot zur Kliniksuche auch Informationen zur Behandlungsqualität anbietet, die im Klinikatlas bisher fehlen. Was hat es damit auf sich?

Malzahn: In der Tat, mit den Krankenhaus-Qualitätsinformationen im AOK-Gesundheitsnavigator gehen wir über das hinaus, was der Bundes-Klinik-Atlas aktuell bietet. Neben Informationen zu Fallzahlen, Zertifikaten und zur Erfüllung von Mindestmengen, die sich auch im Portal des Bundes finden, bieten wir im AOK-Gesundheitsnavigator exklusive Informationen zur Behandlungsqualität und zu Komplikationsraten für insgesamt 13 Operationen und Eingriffe von der Blinddarmentfernung bis zur Hüftgelenks-Implantation an. Dabei zeigen sich immense Qualitätsunterschiede zwischen den Kliniken, zum Beispiel bei der Häufigkeit von Komplikationen nach elektiven Eingriffen oder Notfallbehandlungen. Diese validen und methodisch hochwertigen Informationen basieren auf dem Verfahren zur Qualitätssicherung mit Routinedaten auch Sekundärdaten genannt, sind Daten, die routinemäßig von der gesetzlichen Krankenversicherung… QSR und werden ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Kliniken erhoben. Das Verfahren ist vom Wissenschaftlichen Institut der AOK über 20 Jahre hinweg entwickelt worden und wird in Expertenpanels immer wieder überprüft, damit wir in unserem Navigator wirklich valide Ergebnisse anzeigen können. Gründlichkeit vor Schnelligkeit – diesen Ansatz wünschen wir uns auch für den Bundes-Klinik-Atlas.

Wird der AOK-Gesundheitsnavigator nicht spätestens dann überflüssig, wenn die Kinderkrankheiten im Klinik-Atlas des Bundes behoben sind? 

Malzahn: Aus unserer Sicht sollte der Bundes-Klinik-Atlas die etablierten Portale der gesetzlichen Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… nicht ersetzen, sondern ergänzen. Denn aus unserer Sicht sollten vielfältige und adressatengerechte Kanäle genutzt werden, damit die Qualitäts-Informationen eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen. Wir fürchten den Wettbewerb um gute Qualitätsdarstellung nicht – im Gegenteil. Dieser Wettbewerb kann Innovationen voranbringen. Gut aufbereitete und valide Qualitätsinformationen stärken die informierte Patientenentscheidung für das geeignete Krankenhaus. Wenn die im Klinik-Atlas veröffentlichten Daten korrigiert und durch die geplanten zusätzlichen Analysen ergänzt worden sind, sollten sie daher auch den Krankenkassen in geeigneter Form zur Aufbereitung in ihren eigenen Informations-Portalen zur Verfügung gestellt werden. So können maximal viele Suchende erreicht werden.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat ja die sofortige Abschaltung des Bundes-Klinik-Atlas gefordert. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg?

Malzahn: Nein, das sehe ich anders. Das Anliegen von Minister Lauterbach, mit dem Bundes-Klinik-Atlas mehr Transparenz über die Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… der Versorgung in den Krankenhäusern zu schaffen, unterstützen wir als AOK ausdrücklich. Patientinnen und Patienten, die vor planbaren Behandlungen stehen, brauchen angesichts der aktuell bestehenden großen Qualitätsunterschiede mehr Orientierung bei der qualitätsorientierten Auswahl einer Klinik mit adäquater Ausstattung und der nötigen Routine – aber die Informationen müssen natürlich korrekt sein. Daher müssen die Verantwortlichen hier möglichst schnell nachbessern. Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz hat die Bereitstellung und nutzergerechte Aufbereitung von validen Informationen zum Vergleich der Behandlungsqualität eine ganz andere Verbindlichkeit bekommen als bisher. Das ist auf jeden Fall positiv. Und die aktuellen Diskussionen um den Bundes-Klinik-Atlas haben zudem den Effekt, dass jetzt alle Akteure beim Thema Qualität im Krankenhaus ganz genau hinschauen und sich mit dem Thema beschäftigen.

Allerdings können Informationsportale die Qualitätsprobleme, die wir im stationären Bereich haben, nicht lösen. Gerade für die adäquate Behandlung von Notfällen braucht es gut geplante Krankenhausstrukturen und entsprechende Qualitätsvorgaben, die von den Kliniken einzuhalten sind. Diese müssen im Zuge der Krankhausreform konsequent umgesetzt werden. Denn Patientinnen und Patienten sollten sich darauf verlassen können, dass sie überall eine Behandlung durch routinierte Teams mit optimaler technischer Ausstattung und nach den aktuellen medizinischen Standards erhalten.