Kinder und Online-Gaming: Wann aus Spiel Sucht wird

Für die einen sind Computerspiele ein Grundübel unserer modernen Gesellschaft, für die anderen Spannung, Spaß, Freizeitbeschäftigung und nützliches Gehirntraining – all das kann Online-Gaming sein. Doch das Spiel im Internet birgt auch Suchtpotenzial. Dass Kinder und Jugendliche lange im Netz unterwegs sind, dort spielen und kommunizieren, heißt allerdings nicht automatisch, dass sie schon onlinesüchtig sind. Wann der schmale Grat zur Sucht überschritten ist, erklärt Birgit Lesch, Diplom-Psychologin bei der AOK.

Foto: Ein Junge sitzt mit einem Controller und Kopfhörern im Schneidersitz vor einem Laptop.

Durchschnittliche Nutzungsdauer Jugendlicher

Bei Jugendlichen stehen Games und die sozialen Netzwerke hoch im Kurs: So nutzen nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Zwölf- bis 17-Jährige Computerspiele und Internet durchschnittlich 22,8 Stunden pro Woche, 18- bis 25-Jährige mit durchschnittlich 23,6 Stunden noch etwas mehr. „Wenn Jugendliche mal eine intensive Spielphase oder Mediennutzung haben, muss das nicht gleich auf eine krank machende Entwicklung hindeuten“, sagt Diplom-Psychologin Lesch. Die Dauer sei nicht das einzige Kriterium für ein bedenkliches Medienverhalten. „Es kommt vor allem darauf an, rechtzeitig bestimmte Suchtkriterien zu erkennen. Wenn die Jugendlichen nächtelang vor dem Computer sitzen, ihre Körperpflege, Ernährung und Gesundheit vernachlässigen, kaum noch andere Interessen haben und aggressiv reagieren, wenn ihnen Computer oder Smartphone entzogen werden, spätestens dann besteht therapeutischer Handlungsbedarf“, so Psychologin Lesch weiter. Außerdem ziehen sich die Betroffenen immer mehr von Familie und Freunden zurück.

Kriterien für eine Online-Spielsucht

2018 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kriterien für eine Computerspielsucht offiziell festgeschrieben. Online-spielsüchtig ist demnach, wer die Kontrolle über sein Spielverhalten verliert. Um eine Online-Spielsucht zu diagnostizieren, müssen die Symptome mindestens zwölf Monate vorliegen. Der Anteil Jugendlicher mit exzessiver Mediennutzung ist zwar relativ klein, jedoch mit steigender Tendenz: 8,4 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren haben ein gestörtes Internet- oder Computerspielverhalten, bei den 18- bis 25-Jährigen sind es 5,5 Prozent.

Eltern, denen das exzessive Spiel- oder Online-Nutzungsverhalten ihres Nachwuchses Sorgen macht, sollten zunächst die Gründe dafür herausfinden. „Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind“, rät AOK-Expertin Lesch. Gründe für exzessives Spiel- beziehungsweise Online-Verhalten können schulischer Stress, Konflikte in der Familie oder im Freundeskreis sowie andere Probleme in der Schule oder Freizeit sein. „Bewerten Sie das jedoch nicht sofort, sondern seien Sie wirklich interessiert an den Erklärungen Ihres Kindes“, so Lesch weiter.

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Eltern als gutes Vorbild

Wichtig ist, dass Eltern ihr eigenes Verhalten überprüfen: Wer selbst ständig am Smartphone oder vor dem Computer hängt, ist kein gutes Vorbild für den Nachwuchs. Psychologin Lesch: „Zur Medienkompetenz gehört es auch zu erkennen, wann es Zeit für eine Spiel- oder Filmpause ist und dass eine zu lange Medienzeit schädlich sein kann. Besser als strikte Verbote sind hier klare Regeln. Diese können in einer Vereinbarung zur Mediennutzung stehen, die Eltern und Kind gemeinsam unterschreiben.“

Richtwerte für die Mediennutzung

Je nach Alter der Kinder empfehlen Fachleute unterschiedliche Richtwerte für die Dauer der Mediennutzung: Unter fünf Jahren sollte der Nachwuchs maximal eine halbe Stunde lang, von sechs bis neun Jahren bis zu einer Stunde Computer spielen. Bei älteren Kindern ab zehn Jahren wird ein Zeitkontingent von zehn Minuten Medienzeit pro Lebensjahr am Tag oder einer Stunde pro Lebensjahr in der Woche vorgeschlagen. So lernen Kinder, sich ihre Ressourcen einzuteilen und ein gesundes Maß zu finden. Eltern sollten außerdem Alternativen für Hobbys und Freizeitaktivitäten abseits von Computer und Smartphone anbieten. Kinder müssten aber auch lernen, Langeweile auszuhalten.

„Wenn Schule, Freunde, der Sport oder andere Hobbys über mehrere Monate wegen des Internets vernachlässigt werden und die Jugendlichen trotz negativer Konsequenzen nicht aufhören können, sollten Eltern professionelle Hilfe suchen, zum Beispiel bei einer Sucht- oder Erziehungsberatungsstelle“, empfiehlt Psychologin Lesch. „Denn auf lange Sicht kann eine unbehandelte Online-Spielsucht die Entwicklungschancen erheblich beeinträchtigen.“