Krankenhaus-Report: Reform der Klinikstrukturen kann wichtigen Beitrag zur Lösung von Personalproblemen leisten
Reimann: Versorgungsqualität bei Reform nicht aus dem Auge verlieren / Pro Jahr etwa 4.700 vermeidbare Krebs-Sterbefälle bei Behandlung in zertifizierten Zentren
Die im Zuge der anstehenden Krankenhausreform geplante Verlagerung von Krankenhausbehandlungen in den ambulanten Bereich und die qualitätsorientierte Konzentration von Klinikleistungen auf weniger Standorte können auch wichtige Beiträge zur Lösung der Personalprobleme in den deutschen Krankenhäusern leisten. Das zeigt der aktuelle Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… -Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… (WIdO Das WIdO (Wissenschaftliches Institut der AOK) liefert als Forschungs- und Beratungsinstitut der… ) zum Thema „Personal“. Der AOK-Bundesverband fordert anlässlich der Veröffentlichung des Reports, dass Bund und Länder das zentrale Ziel einer besseren Versorgungsqualität für die Patientinnen und Patienten in den Reform-Beratungen nicht aus dem Auge verlieren.
Bei den sogenannten „Kurzliegern“, die weniger als vier Tage stationär behandelt werden, gebe es ein großes Potenzial für vermeidbare Krankenhaustage und damit auch für eine Entlastung des Personals in den Kliniken, betonte Prof. Jürgen Wasem, Lehrstuhlinhaber für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports. „Allein die 30 häufigsten operativen Eingriffe mit einem geringen medizinischen Schweregrad machen etwa vier Prozent aller Pflegetage im Krankenhaus aus“, so Wasem. Wenn man das gesamte Potenzial „ambulantisierbarer“ Operationen und Behandlungen betrachte, könnten noch wesentlich mehr Krankenhaustage vermieden werden. Auch die geplante Reform der Notfallversorgung eröffne Chancen für eine personelle Entlastung. So werden in Deutschland etwa 50 Prozent der Notfälle stationär aufgenommen, während es in den Niederlanden nur 32 und in Frankreich 22 Prozent sind. „Insgesamt bietet die aktuell diskutierte Krankenhausreform eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für die dringend notwendige Entlastung des Personals in den Kliniken und für eine bessere Allokation der verfügbaren Arbeitskräfte“, sagte Wasem.
Deutsches Personal versorgt im internationalen Vergleich mehr Fälle
Die Zahl der beschäftigten Ärztinnen und Ärzte sowie der Pflegekräfte sei in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich gestiegen, aber im internationalen Vergleich versorge das Personal in deutschen Kliniken im Durchschnitt mehr Fälle als die Beschäftigten in anderen Ländern. Der internationale Mittelwert lag 2019 bei rund zwölf Ärztinnen und Ärzten sowie 27 Pflegekräften pro 1.000 Krankenhaus-Fälle, während Deutschland mit etwa acht Ärztinnen und Ärzten und knapp 19 Pflegekräften pro 1.000 Fällen deutlich unter diesem Wert lag. „Wir haben zu wenig Personal für die hohe Zahl von Krankenhausfällen in Deutschland“, fasste Wasem das Problem zusammen. Durch den Einbruch der Krankenhaus-Fallzahlen in der Corona-Pandemie seien in den Jahren 2020 und 2021 zwar wieder mehr Ärzte und Pflegekräfte pro Fall zu verzeichnen. „Allerdings gab es gerade in der Omikron-Welle auch viele Covid-Infektionen der Beschäftigten, die diesen Effekt vermutlich wieder zunichte gemacht haben“, so Wasem.
Krankenhaus-Report zeigt Lösungswege auf
Zudem werden einige langfristige Trends die Personalsituation in den deutschen Kliniken laut Krankenhaus-Report in den nächsten Jahren eher noch verschärfen. Dazu gehört die demografische Entwicklung, die zu einer steigenden Inanspruchnahme der Krankenhäuser führen wird. Grund zur Sorge seien auch vorläufige Daten des Statistischen Bundesamtes zum Rückgang bei der Zahl der Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… -Azubis und die hohen Ausstiegsraten bei den Berufen im Krankenhaus: „So sind zum Beispiel nach 20 Jahren nur noch 60 Prozent der Krankenschwestern und Krankenpfleger in ihrem angestammten Beruf tätig“, berichtete Wasem. Bei den Hilfskräften habe sogar mehr als die Hälfte nach zwei Jahren den erlernten Beruf gewechselt. Viele Kliniken hätten große Probleme, Beschäftigte zu finden. „Es gibt eine sehr geringe berufsspezifische Arbeitslosenquote – wir haben in diesem Bereich praktisch Vollbeschäftigung.“
Der Krankenhaus-Report 2023 zeigt einige Lösungswege auf, um die Attraktivität der Krankenhäuser als Arbeitgeber zu steigern. Dazu gehören bessere Angebote zur Vereinbarung von Familie und Beruf sowie die Umsetzung von Konzepten für ein innovatives Personalmanagement. Die geplanten Reformen im Krankenhausbereich könnten dazu führen, dass große und personell gut ausgestattete Krankenhäuser entstehen, die auch flexibler auf punktuelle Engpässe reagieren könnten – zum Beispiel durch Einrichtung von Personalpools über die Fachabteilungen hinweg, unterstrich Wasem: „Die begrenzten Personalressourcen könnten wesentlich zielgerichteter und rationaler eingesetzt werden, wenn Bund und Länder die qualitätsorientierte Konzentration von Leistungen konsequent umsetzen.“
Reimann: Öffnungsklauseln dürfen Patientensicherheit nicht konterkarieren
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, wies bei der Vorstellung des Reports darauf hin, dass die Verbesserung der Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten das zentrale Ziel der Krankenhausreform bleibe und in den aktuell laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern nicht auf der Strecke bleiben dürfe: „Angesichts der immer noch weit verbreiteten Gelegenheitsversorgung muss sich hier dringend etwas ändern. Es darf nicht dazu kommen, dass dieses Ziel durch wachsweiche Regelungen oder Öffnungsklauseln auf Kosten der Patientensicherheit konterkariert wird.“
Analyse zeigt: Viele Sterbefälle bei Krebspatienten vermeidbar
Nach wie vor würden beispielsweise zu viele Patientinnen und Patienten außerhalb onkologischer Zentren behandelt, obwohl die Studie „Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren“ (WiZen) einen Überlebensvorteil bei Behandlung in einem von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifizierten Zentrum belegt habe. Reimann stellte eine aktuelle Analyse der WiZen-Autoren vor, nach der in Deutschland jedes Jahr etwa 4.700 Sterbefälle von Krebspatientinnen und -patienten innerhalb der ersten fünf Jahre nach Diagnose-Stellung vermieden werden könnten, wenn ihre Versorgung auf DKG-zertifizierte Zentren konzentriert würde. Auch durch die Konzentration der Schlaganfall-Versorgung auf sogenannte Stroke Units mit adäquater Ausstattung ergebe sich ein ähnlich großes Potenzial für die Vermeidung von Sterbefällen. Die beiden Beispiele seien „ein sehr drastischer Beleg dafür, dass eine qualitätsorientierte Reform der Krankenhausstrukturen erforderlich ist“, so Reimann.
Reimann: Umfangreiche Investitionen der öffentlichen Hand für Umbau notwendig
Die dringend notwendige Modernisierung der Versorgung lasse sich nur schrittweise gestalten und sollte mit der Zuweisung von Leistungsgruppen an die Krankenhäuser beginnen, betonte Reimann. Diese Gruppen seien aus Sicht der AOK das „Herzstück“ der Reform. „Auf Basis der Leistungsgruppen können klare Versorgungsaufträge definiert werden, die auf konkreten Strukturanforderungen aufsetzen und sich an den Bedarfen der Bevölkerung ausrichten“, so Reimann. Es gehe nicht um eine „kalte Bereinigung“, sondern um einen „klug geplanten, intelligent gesteuerten und ganz klar qualitätsorientierten Umbau der Strukturen“. Ein solcher Umbau könne zu einem wirtschaftlicheren Einsatz der Ressourcen führen. „Eine gut aufgestellte Krankenhaus-Landschaft sorgt auch dafür, dass die vorhandenen Personalressourcen sinnvoller als bisher eingesetzt werden und dass sich dadurch die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten nachhaltig verbessern.“ Die Reform könne allerdings nur mit „umfangreichen Investitionen der öffentlichen Hand“ gelingen, die für den Umbau der Krankenhaus-Strukturen erforderlich seien.
(Pressemitteilung des AOK-Bundesverbandes und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) vom 19.04.23)