Präkrastination: Vom Druck, alles sofort zu erledigen

„Was Du heute kannst verschieben, kann auch noch bis morgen liegen“ – wer hat nicht schon mal die ungeliebte Steuererklärung oder das Lernen für eine Prüfung von Tag zu Tag geschoben? Die Aufschieberitis (Prokrastination) ist ein weit verbreitetes Phänomen, das zum Glück meist folgenlos bleibt. Problematisch ist, wenn es zum Dauerzustand wird und sich negative berufliche und private Konsequenzen daraus ergeben. Doch auch das Gegenteil, die Präkrastination, ist kein Idealzustand. Wer präkrastiniert, meint, Aufgaben immer sofort erledigen zu müssen. Das bedeutet oft Stress.

Foto: Eine junge Frau sitzt im Bademantel vor dem Laptop, mit Handy am Ohr und einer Kaffeetasse in der Hand.
Präkrastination: Vom Druck, alles sofort zu erledigen

Folgen der Übermotivation

„Präkrastination klingt zunächst einmal sehr motiviert. Die Betreffenden möchten Aufgaben direkt abarbeiten, um sie aus dem Kopf zu haben – oder auch, um sich Anerkennung zu verschaffen. Man kann sich damit aber auch schnell in ein Burnout manövrieren“, so Dr. Sylvia Böhme, Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK.

Das permanente Erledigen von Aufgaben ohne Pausen oder auch das nur schnelle und oberflächliche Abarbeiten bringe nicht die erhoffte Entlastung.  Denn kaum ist eine Aufgabe erledigt, kommt auch schon die nächste. Dr. Böhme: „Durch die moderne Technik sind wir überall und ständig erreichbar, und die Erwartungshaltung steigt.“ Das sehe man zum Beispiel an dem oft gebrauchten Begriff  „asap“, der für „as soon as possible“ steht - auf Deutsch „sobald als möglich“. Eine Übermotivation baut sich auf, die durchaus negative Folgen haben kann: „Wir sind nur noch am Ergebnis interessiert und nicht mehr am Prozess. Im Bestreben, Aufgaben schnell zu erledigen, kann es zum Beispiel leicht zu Ungenauigkeiten und Fehlern kommen oder auch zu falschen Entscheidungen“, meint Dr. Böhme.

Experiment: Aufgabe erledigen hat Vorrang

Den Begriff „Präkrastination“ hat der amerikanische Psychologe David A. Rosenbaum 2014 durch ein Experiment mit 250 Studierenden bekannt gemacht: So sollten die jungen Leute einen von zwei Eimern Wasser, die in unterschiedlicher Entfernung in einem Gang standen, zum anderen Ende des Ganges bringen. Statt den hinteren Eimer zu nehmen und damit einen geringeren körperlichen Aufwand zu haben, griffen sie zum ersten. Der Psychologe schloss daraus, dass der psychische Druck der unerledigten Aufgabe größer war als die erwartete körperliche Belastung.

O-Töne Dr. Sylvia Böhme, Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK

Besser: die goldene Mitte finden

Präkrastination ist vor allem im Joballtag häufig – und manchmal auch der Grund, private Termine und Verpflichtungen zu verschieben. Durch die vielen Aufgaben im Job, die als wichtig und dringend empfunden werden, werden dann Freizeit, Partner oder Kinder oft vernachlässigt. Ideal ist daher ein gutes Mittelmaß zwischen Pro- und Präkrastination. „Die Last unerledigter Aufgaben löst bei Präkrastinierern so starken Stress aus, dass sie die Aufgaben schnell erledigen möchten, um den Stress zu reduzieren. Diese Last lässt sich mit einem überlegten Arbeitsmanagement und gezielten Pausen jedoch ebenso leicht verringern“, sagt Böhme. Sie gibt folgende Tipps für den Job:

  • Aufgaben priorisieren: vor der Arbeit zunächst einen Überblick verschaffen, die Aufgaben nach Wichtigkeit ordnen und abarbeiten
  • E-Mails nicht immer direkt nach Eingang, sondern nur zu bestimmten Zeitpunkten lesen und nach Dringlichkeit bearbeiten
  • Handys beziehungsweise Smartphones nicht mit in Meetings nehmen oder ausschalten, um Stress durch Multitasking zu vermeiden
  • Arbeitsprozesse und Ergebnisse wirklich wahrnehmen: Fazit ziehen, zufrieden sein mit der eigenen Arbeit

Ein Klassiker des Zeitmanagements ist die sogenannte Eisenhower-Matrix: Mit ihr lassen sich Aufgaben in vier Felder ordnen: 

  • Wichtig und dringlich – selber machen
  • Unwichtig und dringlich – delegieren
  • Wichtig und nicht dringlich – planen
  • Unwichtig und nicht dringlich – loslassen

Böhme: „Das setzt allerdings voraus, dass man sich selbst erst einmal bewusst macht, war wirklich wichtig und dringlich ist. Und diesen Schritt überspringen Präkrastinierer eher, arbeiten Aufgaben zwanghaft schnell ab und legen so den Grundstein zur Entwicklung eines Burnouts.“