Psyche und Rückenschmerzen: Wenn die Last nicht mehr zu tragen ist
Rückenschmerzen durch zu viel Stress oder psychische Belastung? Zusätzlich zu Bewegungsmangel oder zu Fehlbelastungen können auch seelische Herausforderungen im privaten oder beruflichen Umfeld maßgeblich dafür verantwortlich sein, dass Rückenbeschwerden entstehen und anhalten. „Im Gegenzug können aber auch Rückenschmerzen zu psychischen Belastungen führen“, sagt Dr. Camilla von Münchhausen, Ärztin im AOK-Bundesverband.
Psyche beeinflusst das Schmerzempfinden
Rückenschmerzen, die nicht auf eine eindeutige Ursache, wie zum Beispiel eine Verletzung oder einen Bandscheibenvorfall, zurückzuführen sind, werden als unspezifisch bezeichnet. Der Grund sind meist Bewegungsmangel, langes Sitzen, Fehlbelastung, Übergewicht, Verspannungen der Muskulatur, einseitige oder schwere körperliche Arbeit. Aber auch Stress, psychische Belastungen, Ängste oder Depressionen können anhaltende Schmerzen verursachen. Manche Menschen reagieren auf Stress mit einer angespannten Muskulatur, die ständige Anspannung begünstigt dann die Rückenschmerzen. „Problematisch dabei ist, dass die Betroffenen sich häufig schonen und Bewegung vermeiden, weil sie Angst vor den Schmerzen haben. Durch Schonhaltung und Bewegungsmangel verstärken sich jedoch die Verspannungen und können dazu beitragen, dass die Rückenschmerzen chronisch werden“, sagt Medizinerin von Münchhausen. Als chronisch werden Rückenschmerzen bezeichnet, die länger als drei Monate anhalten. Die Psyche beeinflusst zudem, ob Schmerzen als stärker oder schwächer empfunden werden und wie mit den Schmerzen umgegangen wird. Menschen mit Ängsten oder Depressionen verfügen dabei häufig über eine schlechtere Schmerzbewältigung.
Ursache der Schmerzen finden
Bleiben Rückenschmerzen trotz Gegenmaßnahmen wie Bewegungs- und Kräftigungsübungen bestehen oder treten sie immer wieder auf, sollten Betroffene darüber mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt sprechen. Herauszufinden, ob die Kreuzschmerzen körperlich oder psychisch bedingt sind, ist nicht leicht. Ein möglicher Hinweis auf eine psychische Ursache kann sein, dass die Schmerzen vor allem in Stressphasen auftreten – zum Beispiel bei Konflikten im Beruf oder in der Partnerschaft; manchmal können sie auch durch ein einmaliges Stressereignis ausgelöst werden. Es kann bei chronischen Schmerzen hilfreich sein, sie in einem Schmerztagebuch zu dokumentieren. Das erleichtert die Suche nach den Auslösern, insbesondere, wenn es sich um psychisch bedingte Schmerzen handelt.
Manchen Menschen ist nicht bewusst, dass sie unter Stress stehen. Eine psychische Ursache für Rückenschmerzen ziehen sie häufig erst dann in Betracht, wenn zum Beispiel eine physiotherapeutische Behandlung keine Besserung bringt oder die Rückenschmerzen länger andauern.
O-Ton von Dr. Camilla von Münchhausen
Bewegung und Entspannung zum Stressabbau
„Mehr Bewegung im Alltag, Entspannungs- und Stressbewältigungsstrategien wie die progressive Muskelentspannung sowie Achtsamkeitsübungen helfen dabei, Ängste und Anspannungen abzubauen und psychisch bedingte Rückenschmerzen abzumildern oder sogar aufzulösen“, so Ärztin von Münchhausen weiter. Wenn Stress als Ursache für Rückenschmerzen angenommen wird, geht es vor allem darum, den Umgang damit zu verbessern. Doch das ist bei herausfordernden Arbeits- oder Lebensverhältnissen nicht immer möglich, zum Beispiel weil Beruf und Familie eine Doppelbelastung darstellen oder weil es pflegebedürftige Angehörige gibt.
Dabei dienen aber auch schon kleine Maßnahmen der Rückengesundheit und dem Stressabbau: So sind Spaziergänge, etwa nach der Arbeit oder in der Mittagspause, eine gute Möglichkeit, Verspannungen im Rücken zu lösen, die Durchblutung zu verbessern und der Hektik des Alltags entgegenzuwirken.
AOK-Umfrage: 81 Prozent klagen über Rückenschmerzen
Rückenschmerzen gehören übrigens zu den häufigsten körperlichen Beschwerden in Deutschland: Das bestätigt auch eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes, wonach 81 Prozent der Befragten in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal Rückenschmerzen gehabt haben. Allein 2022 waren in Deutschland rund 27,4 Millionen Menschen mit Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung, so eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Das entspricht 32,64 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands.