Traurige Mütter: Stimmungstief nach der Geburt
Die Erwartungen sind hoch: Die Geburt soll ein freudiges Ereignis sein, wenn nicht sogar der schönste Moment des Lebens. Doch nicht alle Frauen kommen mit diesem gewaltigen Umbruch in ihrem Leben sofort zurecht, einige fallen in ein tiefes Loch. Die Wochenbett-depression ist sehr gut zu behandeln, doch dafür muss sie überhaupt erkannt werden.

Stimmungstief nach der Geburt
„Ich weinte unglaublich viel, und das weit über die ‚Heultage’ hinaus. Ich fühlte mich überfordert. Je länger das anhielt, desto mehr wollte ich dieser Situation entfliehen. Wo war das Gefühl, glücklich zu sein? Wo war die allseits genannte Mutterliebe? Wo war die Erfüllung? Alles davon blieb aus“, schreibt eine Mutter im Internetportal der Selbsthilfeorganisation „Schatten & Licht“. So ergeht es vielen frischgebackenen Müttern: Statt überbordender Liebe für das Neugeborene und Erleichterung nach überstandener Geburt stellt sich eine Traurigkeit ein.
Viele Frauen erleben wenige Tage nach der Entbindung den sogenannten Babyblues (auch Heultage genannt), der mit der Umstellung des Hormonhaushalts zusammenhängt. „Der Babyblues beginnt in der Regel wenige Tage nach der Geburt und vergeht nach einigen Stunden oder Tagen wieder von selbst“, sagt Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband.
Anzeichen einer Wochenbettdepression
Doch wenn das Stimmungstief länger anhält oder erst später einsetzt, kann es sich um eine Wochenbettdepression handeln. Bis zu 15 von 100 Frauen fallen in den ersten drei Monaten nach der Geburt in eine solche Depression. Die Symptome zeigen sich deutlich stärker als beim Babyblues und gleichen denen einer depressiven Erkrankung, die auch in anderen Lebensphasen auftreten kann: Traurigkeit, häufiges Weinen, inneres Leeregefühl, Energiemangel, allgemeines Desinteresse, Ängste, unaufhörliche Selbstzweifel – bis hin zu Suizidgedanken. „Bei den depressiven jungen Müttern kommen starke Schuldgefühle hinzu, denn sie fühlen sich unfähig, ihrem Kind genügend Liebe zu geben, und können sich die zwiespältigen Gefühle dem Baby gegenüber nicht verzeihen“, so Maroß weiter. In der Gesellschaft wird oft ein unrealistisches Bild einer perfekten und guten Mutter vermittelt. Dieses Ideal nicht vollumfänglich erfüllen zu können, kann viel Leid verursachen. Viele Mütter behalten ihre seelische Not dann eher für sich und leben weiter, als ob alles in Ordnung wäre.
Doch unbehandelt kann die Depression chronisch werden. Sie ist zudem sehr belastend, auch für die Beziehung zum Kind. Denn der Mutter fällt es dann schwer, auf die Bedürfnisse des Kindes zu reagieren. Bindungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten können die Folge sein.
O-Töne von Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband
Geburt: Umstellung nicht nur für den Körper
Damit sich die betroffenen Frauen Hilfe holen, ist Aufklärung dringend geboten. „Noch immer wird das Tief nach der Geburt in den Familien und in der Gesellschaft unzureichend thematisiert, dabei ist eine Geburt ein bedeutender Einschnitt in das bisherige Leben“, sagt Ärztin Maroß. Schließlich bedeutet die Geburt eine enorme Umstellung, nicht nur für den Körper. Es gilt, die Verantwortung für einen Menschen zu übernehmen und sich zunächst von der eigenen Selbstbestimmung zu verabschieden, oft begleitet von Übermüdung. Auch ein Abschied von der Schwangerschaft, möglicherweise vom Traumbaby, steht an. Freundschaften (vor allem zu Menschen ohne Kind) fallen möglicherweise weg, die Partnerschaft verändert sich. Das Risiko für eine Wochenbettdepression steigt zudem, wenn die Schwangerschaft unerwünscht oder die Geburt schwierig war und wenn es belastende Erlebnisse während der Schwangerschaft gab. Auch wenn Probleme in der Partnerschaft auftauchen, wenn die Frau traumatische Ereignisse in der Kindheit erlebt hat oder vorher schon einmal unter psychischen Problemen gelitten hat.
Auch organische Ursache ist möglich
Hinter einer depressiven Verstimmung nach der Geburt kann auch eine organische Ursache stecken. Bei einigen Müttern entzündet sich nach der Geburt die Schilddrüse, bedingt durch die hormonellen Umstellungen. Eine solche Wochenbett-Schilddrüsenentzündung (Postpartum-Thyreoiditis) kann mit ähnlichen Symptomen einhergehen wie eine Depression. Ein Bluttest gibt Aufschluss. Mit Schilddrüsenpräparaten normalisieren sich die Werte wieder. Doch auch für die Wochenbettdepression sind die Prognosen gut.
Wo Betroffene Unterstützung bekommen
Erste Ansprechpersonen für betroffene Frauen sind die Gynäkologin, der Hausarzt sowie die Hebamme. Die jungen Mütter können sich auch an eine Schwangerenberatungsstelle wenden, wo Frauen auch nach der Geburt des Kindes beraten werden. Oder sie wenden sich an eine psychosoziale Beratungsstelle beziehungsweise an einen sozialpsychiatrischen Dienst.
Oft hilft eine Psychotherapie weiter, um besser mit der aktuellen Lebenssituation zurechtzukommen. Bei ausgeprägten Formen kann die Psychotherapie mit Antidepressiva, also Medikamenten gegen Depression, kombiniert werden. „Medikamente werden in der Stillzeit zurückhaltend, nach ausführlicher Nutzen-Risiko-Abwägung im individuellen Fall eingesetzt. Die Schwere der Symptome, die Vorgeschichte und die individuelle Prognose spielen bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle. Daher ist eine fachärztliche Behandlung unbedingt anzuraten“, sagt Ärztin Maroß.
Bei leichten Symptomen kann es ausreichen, wenn Partner, Angehörige, Freundinnen beim Einkaufen, Putzen, Kochen helfen und vor allem emotional unterstützen, Halt und Zuversicht geben – möglichst ohne Vorwürfe und ohne erhobenen Zeigefinger. Auch gelegentlicher Abstand zum Baby tut gut, indem die Betreuung stundenweise dem Partner beziehungsweise der Partnerin oder einem Babysitter überlassen wird. Wichtig sind zudem körperliche Bewegung und möglichst viel Schlaf. Professionelle Betreuung können eine Haushaltshilfe, eine Mütter- oder Familienpflegerin leisten.