Die Taschengeld-Frage: So lernen Kinder zu wirtschaften
Fester Bestandteil eines gesunden Familienlebens sind klare Regeln. Mit dem Taschengeld lernen Kinder und Jugendliche einen verantwortungsbewussten Umgang mit Finanzmitteln. Worauf es dabei zu achten gilt.
Zu einem gesunden Familienalltag gehören gemeinsam ausgehandelte Vereinbarungen. Auch für das Taschengeld muss es klare Regeln geben: Wann, wie oft, wie viel, wofür? Diese Fragen müssen Eltern mit ihren Kindern besprechen. Und was ist, wenn die Mädchen und Jungen nicht mit dem Geld auskommen oder bei den Eltern kein Geld da ist? Warum Regeln wichtig sind für ein gesundes Familienleben, erklärt Julia Sieland, Gesundheitswissenschaftlerin aus der Abteilung Prävention im AOK-Bundesverband.
Egal ob für Süßigkeiten, Pommes, Spielzeug oder den Eintritt ins Kino - Kinder und Jugendliche brauchen Taschengeld. Dafür gibt es viele Gründe: Die Kinder lernen, ihr Geld einzuteilen. So beginnen sie, selbstständig zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Und die Mädchen und Jungen machen die Erfahrung, dass nicht alle Wünsche finanzierbar sind.
Doch alle Fragen zum Taschengeld müssen die Eltern vorher gemeinsam mit ihrem Nachwuchs besprechen und regeln: Wie viel Geld bekommt das Kind? Wann genau und wie oft wird es ausgezahlt? Und wofür darf es ausgegeben werden? "Solche klaren Regeln, die von beiden Seiten eingehalten werden, liefern den Kindern Sicherheit und Orientierung", betont Sieland. "Sie sorgen für gegenseitigen Respekt und fördern ein gutes Familienklima."
Taschengeld als verlässliche Grundlage
Wichtig ist, dass das Taschengeld regelmäßig zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt und in fester Höhe ausgezahlt wird, und zwar unaufgefordert, ohne dass das Kind bitten muss. Tochter oder Sohn brauchen eine verlässliche Grundlage, mit der sie rechnen und planen können. Das bedeutet auch, dass das Taschengeld unabhängig vom Verhalten des Kindes gegeben wird und kein Erziehungsmittel sein sollte.
AOK-Familienstudie 2022: Abwärtstrend bei Ritualen und Regeln
Seien es der Medienkonsum, die Schlafenszeit oder eben das Taschengeld - zu einem gesunden Familienleben gehören klare Vorgaben, an die sich dann alle halten müssen. "Die Eltern sollten den Kindern hier ein positives Vorbild sein", so AOK-Expertin Sieland. Die AOK-Familienstudie 2022 - die inzwischen fünfte Familienstudie der AOK - verzeichnet allerdings einen Abwärtstrend, was Rituale und Regeln angeht. Legten 2010 noch 93 Prozent der Eltern Wert auf klare Vereinbarungen, sind es 2022 nur noch 86 Prozent. Und pflegten 2018 noch 88 Prozent der Familien tägliche Rituale, sind es 2022 nur noch 80 Prozent. "Doch gerade in schwierigen Zeiten sind Schutzfaktoren wie Regeln und Rituale besonders wichtig, um Ressourcen der Familie zu stärken und den Belastungen etwas entgegenzusetzen", sagt Sieland. Denn die Studie zeigte auch: Die psychische und körperliche Gesundheit von Eltern und Kindern hat im Vergleich zum Jahr 2018 gelitten. Anlässlich der Ergebnisse aus der AOK-Familienstudie hat der AOK-Bundesverband zehn Empfehlungen für einen gesunden Alltag in den Familien formuliert.
Regelmäßigkeit wichtiger als Höhe des Taschengeldes
Weil kleine Kinder noch Schwierigkeiten haben, längere Zeiträume zu überblicken, macht es Sinn, das Geld bis zum 10. Lebensjahr wöchentlich und dann erst monatlich auszuzahlen. Ein guter Zeitpunkt, dem Kind zum ersten Mal Taschengeld zu geben, ist der Schuleintritt. Ab da lernen Kinder das Rechnen und können erfassen, dass für bestimmte Summen bestimmte Waren erhältlich sind.
Zur Höhe des Taschengeldes veröffentlicht das Deutsche Jugendinstitut (DJI) Tabellen - gestaffelt nach Alter -, die aber nur als Empfehlungen, nicht als Vorgaben zu verstehen sind. Demnach beträgt die Höhe des Taschengeldes für Kinder ab dem 6. Lebensjahr zwischen 0,50 bis ein Euro wöchentlich. Die Summe steigert sich auf rund 80 Euro monatlich für Jugendliche ab 18 Jahren. Letztlich hängt die Höhe auch davon ab, was sich die Eltern leisten können.
Gefühl für Geld entwickeln
Auch wenn die Familienkasse nicht viel hergibt, sollte den Kindern regelmäßig ein wenig Geld zur Verfügung gestellt werden, damit sie ein Gefühl für Geld entwickeln können. Sieland rät den Eltern, offen mit dem Kind über die finanzielle Situation und auch entsprechende Probleme zu sprechen. Auch das gehört dazu, um die Geldwelt zu verstehen. Im umgekehrten Fall - die Familienkasse ist immer prall gefüllt - sollte sich das Taschengeld trotzdem an den Empfehlungen orientieren und nicht weit über dem liegen, was andere Gleichaltrige bekommen.
Kind darf frei über die Summe verfügen
Egal, wie viel das Kind an Taschengeld bekommt: Es darf frei über die Summe verfügen. Das heißt auch: Es darf sich verkalkulieren und hat vielleicht schon zu früh alles Geld ausgegeben. Doch wenn man dem Kind immer mal wieder mehr Geld zusteckt als vereinbart, entwickelt es keinen realistischen Bezug dazu. Gerade getrennt lebende Elternteile sollten sich auf eine feste Taschengeld-Höhe einigen. Denn es besteht tendenziell die Gefahr, fehlende Zeit und Beziehung zum Kind mit Geldgaben zu überdecken. Und wenn das Geld einfach nicht reicht? Dann rät Julia Sieland, dass Eltern und Kinder gemeinsam nachrechnen, wie lange das Kind noch sparen muss, bis es sich den Wunsch erfüllen kann, und was es außerdem tun kann. Manche Dinge können beispielsweise gebraucht gekauft werden und sind so preiswerter und nachhaltiger, etwa Spielzeug oder Bücher. Auch Dinge, die man selbst nicht mehr braucht, können verkauft werden, um zu Geld zu kommen. Da bietet sich beispielsweise ein Flohmarkt an, auf dem Eltern und Kinder gemeinsam etwas verkaufen. Auch so lernen Kinder den Umgang mit Geld.
Budgetgeld: mehr Geld für Teenager
Kommen die Kinder ins Jugendalter, sind sie in der Lage, auch größere Geldsummen zu managen. Mithilfe eines sogenannten Budgetgelds bekommen sie die Möglichkeit, auch über notwendige Ausgaben - wie für das Smartphone, Kleidung, Schulsachen oder auch Körperpflege und Kosmetik - zu verfügen. Im Unterschied zum Taschengeld sind die Ausgaben, die über das Budgetgeld bestritten werden, also genau definiert. Zum Üben bietet es sich an, zunächst mit einem Bereich zu beginnen, etwa Kleidung und Schuhe. Und wenn es eine bestimmte Marke sein soll, die sehr teuer ist? Die Jugendlichen haben dann mehrere Möglichkeiten: Sie können eventuell auf Erspartes zurückgreifen, suchen sich einen Nebenjob, kaufen sich die Ware auch hier erst einmal gebraucht oder warten noch eine Weile, bis sie das Geld zusammen haben. Taschengeld und Budgetgeld sollten übrigens getrennt ausgezahlt werden. So könnte das gehen: Das Taschengeld in bar auszahlen, das Budgetgeld auf ein Jugend-Girokonto oder eine Prepaid-Kreditkarte überweisen, bei denen Schulden beziehungsweise eine Überziehung ausgeschlossen sind. Auch zur Höhe des Budgetgelds hat das DJI Empfehlungen. Es gilt, alle Regelungen immer wieder mit den Kindern neu zu verhandeln und anzupassen. Eltern sollten auch begründen, warum zum Beispiel die kleine Schwester weniger bekommt als der große Bruder. Sie sollten transparent machen, woher das Geld kommt, das der Familie zur Verfügung steht. Allgemein geht es um grundsätzliche Fragen, die in der Familie diskutiert werden müssen: Wie funktioniert eine Konsumgesellschaft und welche Werte sind uns im Leben wichtig?
Zehn Empfehlungen für einen gesunden Familienalltag
Die Empfehlungen geben den Eltern Orientierung, um sich und ihre Kinder im Alltag zu entlasten sowie Gesundheit und Wohlbefinden zu stärken:
- Gemeinsame Mahlzeiten organisieren und einhalten
- Familienrituale finden, die beruhigen und allen Spaß machen
- Regeln zwischen Eltern und Kindern vereinbaren
- Einander ungeteilte Aufmerksamkeit schenken
- Verantwortung und Selbstständigkeit der Kinder fördern
- Soziale Kontakte aufbauen und pflegen
- Positive Lebenseinstellung vorleben
- Vorbild sein und miteinander reden
- Zusammen Sport treiben
- Interesse an der Schule zeigen