AOK im Dialog
Die Krankenhausreform und ihre Ausgestaltung erhitzen zurzeit die Gemüter. Entsprechend war auch die Veranstaltung „AOK im Dialog“ kein entspannter Plausch zwischen Politikern. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, konnte zu dem Talk am Donnerstagabend in Berlin namhafte politische Gäste begrüßen.
Details auf einen Blick
Zeitraum
- Do, 25.04.2024 | 18:30 – 20:00 Uhr
Veranstalter
AOK-BundesverbandVeranstaltungsort
- AOK-Bundesverband
- Rosenthaler Straße 31, 10178 Berlin
- Online im Livestream, mit Aufzeichnung
Veranstalter
AOK-Bundesverband„Schnell zu Potte kommen“ – Pläne für Klinikreform und ambulante Versorgung kontrovers diskutiert
Die schleswig-holsteinische Gesundheitsministerin und Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) ist eine jährlich stattfindende… , Kerstin von der Decken, zeigte sich gleich zu Beginn enttäuscht von ihrem Amtskollegen im Bund. Es habe zu einer „gewissen Verärgerung unter den Ländern geführt“, dass Lauterbach bei einer Online-Schalte überraschend mitgeteilt habe, dass das Klinikreformgesetz am Ende nun doch nicht zustimmungspflichtig sein solle. Die Länder seien gewissermaßen „ausgebootet“ worden, obwohl diese vor Ort die Reform umsetzen müssten. Es sei ihnen daran gelegen, dass die Reform inhaltlich richtig und gut werde und verfassungsrechtlich standhalte. Scheitere das Vorhaben irgendwann vor Gericht, sei das der „Super-Gau“, sagte von der Decken.
GMK-Chefin von der Decken kritisiert Lauterbach
Zudem kritisierte die CDU-Politikerin, dass über die genauen Leistungsgruppen erst später im Zuge einer Rechtsverordnung diskutiert werden solle. Sie würden aber von Beginn an gebraucht, um damit auch die Krankenhausplanung Die Planung von Krankenhäusern steht in der Verantwortung der Bundesländer, die damit die… vor Ort neu aufzustellen. In den Eckpunkten von 2023 seien die Leistungsgruppen eigentlich geeint gewesen und die Verhandlungen hätten sich in einem fortgeschrittenen Stadium befunden. Insgesamt seien die Gruppen mit ihren Qualitätskriterien als Baustein der Reform „eine geniale Idee“.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Edgar Franke, rechtfertige die neue Planung ohne Zustimmung der Länder im Bundesrat mit der knappen Zeit. „Wir müssen jetzt schnell zu Potte kommen, denn die Lage ist wirklich bei vielen Krankenhäusern dramatisch“, sagte der SPD-Politiker.
Im Gesetzentwurf von Lauterbach ist vorgesehen, dass die geplante neue Vorhaltevergütung mit der Zuweisung von Leistungsgruppen und der Einhaltung bestimmter Qualitätskriterien verknüpft wird. Konkret sollen die bundesweiten Gruppen später in einer Rechtsverordnung benannt werden, die ab 2027 gelten soll. Vorher dient das nordrhein-westfälische Modell mit seinen 64 Leistungsgruppen als Grundlage. Den Ländern ist das zu spät. Sie fürchten außerdem, in die Ausarbeitung dieses Kernstücks der Reform nicht ausreichend eingebunden zu werden.
Dahmen stellt frühere Rechtsverordnung in Aussicht
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Janosch Dahmen, gab sich in dem Punkt kompromissbereit. Wenn die Länder frühzeitiger als im Entwurf vorgesehen gemeinsam Mindestmengen und Leistungsgruppen „über das Set von Nordrhein-Westfalen hinaus“ verabreden wollten, „dann können wir das gerne tun“. Es sei eine Änderung im Gesetzgebungsprozess denkbar, um dies weiter nach vorne zu ziehen. „Da kann man auf jeden Fall zueinanderkommen“, versprach Dahmen.
AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Chefin Reimann forderte alle Seiten auf, bei der so wichtigen Reform „zu einer konstruktiven Art und Weise zurückzufinden“. Notwendig seien ein gemeinsames Zielverständnis und ein gemeinsamer Plan. „Ich habe nicht den Eindruck, dass Rechtsverordnungen eine Beschleunigung darstellen“, monierte sie. Sie habe zudem die Befürchtung, dass die Finanzreform von der Strukturreform abgekoppelt werde. Im Moment werde viel schnelles Geld gefordert. Strukturreformen müssten jedoch „auf dem Fuße folgen“ und dürften nicht auf den „Sankt Nimmerleinstag“ verschoben werden.
„Transformationsfonds ist völlige Fehlkonstruktion“
Als „Unding“ und „völlige Fehlkonstruktion“ bezeichnete Reimann den geplanten Transformationsfonds im Umfang von 50 Milliarden Euro, der je zur Hälfte von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und den Ländern getragen werden soll. Diese Konstruktion widerspreche allen Regeln zur Finanzierung der Infrastruktur. Auf kurz oder lang würden die Beitragssätze dadurch wieder steigen müssen. Die GKV werde immer wieder als „Ausweichtopf“ genutzt, wenn keine Steuermittel zur Verfügung stünden, kritisierte Reimann.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Tino Sorge, beklagte, dass Lauterbach die angekündigten Vorschläge zur Zukunft der GKV-Finanzen weiter schuldig bleibe. Gerade mit Blick auf die Debatten zur Klinikreform, über ein Vorschaltgesetz und zum Transformationsfonds wäre hier ein Konzept wichtig. Nach Ansicht des CDU-Politikers hat die vorgesehene Finanzierung des Transformationsfonds mit 25 Milliarden Euro aus GKV-Mitteln „überhaupt nichts mit Solidarität“ zu tun. Ministeriums-Vertreter Franke beschwichtigte, die Finanzierung zu je 50 Prozent durch GKV und Länder sei letztlich erst für 2026 vorgesehen. „2026 ist noch lange hin. Dann muss man gucken, wie da die Rahmenbedingungen sind.“
Gespannter Blick aufs Parlament bei ambulanter Versorgung
Das letzte Wort scheint unterdessen auch beim Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) noch nicht gesprochen zu sein. Über die Gesundheitskioske und andere Vorschläge, die im aktuellen Entwurf wieder entfallen seien, werde im Parlament noch mal beraten, kündigte Dahmen an. Als Bundestagsabgeordneter sei er davon überzeugt, dass Gesetze im Parlament nicht nur beschlossen, sondern am besten auch gemacht werden sollten. Dass der Gesetzentwurf abgespeckt worden sei, habe damit zu tun, dass etwa über die ausgelagerten Gesundheitskioske, Primärversorgungszentren und die Bezuschussung von Medizinstudienplätzen jetzt die Fachleute der Fraktionen diskutieren sollten. Staatssekretär Franke erinnerte in diesem Zusammenhang an das „Strucksche Gesetz“, wonach kein Gesetz aus dem Bundestag so herauskommt, wie es hineingegangen ist. Auch er sprach sich für mehr niedrigschwellige Angebote zur Gesundheitsversorgung aus. Sie könnten eine Ergänzung zu bestehenden Versorgungsstrukturen sein.
Reimann bekräftigte ihre Kritik an der Eindampfung des Gesetzentwurfs. Geblieben sei nur noch eine teure Honorarreform für die Hausärzte. Die geplante Entbudgetierung und die vorgesehene Jahrespauschale würden die Versorgung nicht verbessern, aber neue Kosten verursachen. Die künftige Versorgung müsse „sektorenübergreifend gedacht“ werden. Die einstige Grundidee des Gesetzes, regionale Gestaltungsmöglichkeiten für neue Versorgungsstrukturen zu schaffen, sei richtig gewesen. „Wir hoffen sehr auf das parlamentarische Verfahren“, unterstrich Reimann. CDU-Gesundheitspolitiker Sorge bezeichnete das GVSG als „absolute Mogelpackung“. Wie seine Partei wandte er sich erneut gegen Gesundheitskioske, da sie zu unnötigen Parallelstrukturen führten.
Am Ende der Podiumsdiskussionen zeichneten sich zwar keine politischen Kompromisse ab, immerhin konnten sich die Teilnehmer aber gemeinsam freuen. Edgar Franke verkündete, dass er am nächsten Tag heirate und daher nun in seinen Junggesellenabschied verschwinden werde.
Die Diskussionsrunde
Moderation: Sarah Oswald