Pflege ans Netz

Ab Juli 2025 müssen Pflegedienste und -einrichtungen an die Telematikinfrastruktur angebunden sein. Ein Modellprogramm zeigt auf, dass noch viel zu tun ist.

Im Digitale-Versorgung-Gesetz und im Patientendaten-Schutz-Gesetz hat der Gesetzgeber geregelt, wie auch die Pflegeeinrichtungen mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen sicher Dokumente austauschen können und sollen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) wurde beauftragt, ein Modellprogramm zur Vorbereitung der Pflegeeinrichtungen durchzuführen. Es läuft seit 2020 und schaut unter anderem auf die technische Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI), insbesondere durch den Einsatz des sicheren E-Mail-Dienstes KIM. Im Oktober wurden die Ergebnisse des Modellprogramms der Öffentlichkeit vorgestellt.

In Baden-Württemberg haben 14 Einrichtungen teilgenommen. Darunter auch die Samariterstiftung Nürtingen. Projektleiterin Nadine Treff berichtet, dass ihre Einrichtung langfristig mit KIM Chancen auf eine effizientere Kommunikation verbinde. Im Moment würden jedoch noch unterschiedliche Kommunikationswege für Hausärztinnen und -ärzte, Apotheken und weitere Kooperationspartner gebraucht. Das mache die KIM-Nutzung unattraktiv. Das nötige Investment für die Umrüstung sei relativ hoch. Die TI-Pauschale decke nicht alle Kosten für die Einführung ab, auch seien die regulatorischen Anforderungen für viele Pflegeeinrichtungen zu komplex.

„Mehrwert entsteht, wenn sich alle beteiligen.“

Thomas Heine

Landeskompetenzzentrum Pflege & Digitalisierung

Das Landeskompetenzzentrum „Pflege & Digitalisierung Baden-Württemberg“ (PflegeDigital@BW) übernimmt die Aufgabe, die Pflegeeinrichtung im Südwesten zu unterstützen. Geschäftsfeldleiter Thomas Heine bestätigt, dass das Verfahren mehrere Monate dauert. Es braucht mindestens eine Person mit elektronischem Heilberufsausweis (eHBA). Dieser muss über das elektronische Gesundheitsberuferegister (eGBR) beantragt werden. Erst mit dem eHBA kann die elektronische Institutionskarte SMC-B angefordert werden. Sie ist ebenso wie ein E-Health-Kartenterminal und ein TI-Zugang für den Anschluss an das Netzwerk notwendig. „Von unseren knapp 3.300 Einrichtungen im Südwesten haben rund 20 Prozent aktuell die SMC-B bestellt“, sagt Heine. Finanzierung, Zeit, Know-how seien die Herausforderungen.

In Informationsveranstaltungen, Werkstätten und Netzwerktreffen, die PflegeDigital@ BW organisiert, können sich die Akteure austauschen. Dazu werden auch Krankenkassen und Apotheker- und Ärzteschaft eingeladen, die die Pflegeeinrichtungen als KIM-Ansprechpartner oft noch nicht auf dem Schirm hätten. „Erst wenn sich alle Seiten an der digitalen Kommunikation beteiligen, entsteht der Mehrwert für den nötigen Aufwand und sowohl die Versorgung als auch deren Koordination werden effizienter“, sagt Heine.

 

Standpunkt: Pflege integrieren – Knotenpunkte stärken

Karin Gaiser, Spezialistin für externe
Beratungsnetzwerke bei der AOK Baden-Württemberg

Die Telematikinfrastruktur (TI) soll ab Juli 2025 auch in der Pflege Einzug halten. Doch fühlen sich viele Pflegedienste und stationäre Einrichtungen überfordert mit Technik, Bürokratie und neuen Prozessen. Auch ist leider sehr wenigen bekannt, dass die TI-Anbindung der Pflegestützpunkte ebenfalls gesetzt ist. Diese Beratungs- und Koordinationsstellen, die in Baden-Württemberg bei den Kommunen angesiedelt sind, spielen neben der AOK als erste Anlaufstelle eine wichtige Rolle in der pflegerischen Versorgung vor Ort. Durch die TI-Anbindung könnten sie zu einem weiteren Knotenpunkt für die digitale Kommunikation werden, etwa beim Austausch von Versorgungsplänen oder wichtigen Informationen zum Pflegegrad zwischen Kranken- und Pflegekassen sowie Arztpraxen und Krankenhäusern.

So geht es auch um die Info über erteilte Schweigepflichtentbindungen, damit der Pflegestützpunkt personenbezogene Daten, die für die Organisation der Versorgung notwendig sind, erfragen und erhalten kann. Das ist heute mit sehr großem Aufwand verbunden. All das würde nicht nur effizient werden, sondern auch dazu führen, die Pflegesituation schneller zu erleichtern und zu verbessern. Doch in den meisten Kommunen hat sich dafür noch kein Bewusstsein entwickelt. Dabei müssen die technischen und finanziellen Ressourcen nicht nur bei den Kranken- und Pflegekassen, der Ärzteschaft, den Apotheken, sondern auch bei den Kommunen ermöglicht werden. Nur durch gemeinsames Handeln und TI-Anbindung aller Akteure in der pflegerischen Versorgung wird es gelingen, über digitale Wege die Versorgung pflegebedürftiger Menschen sowie deren Angehörigen effizient aufzustellen.