Nachhaltige Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung sicherstellen 

Die gesetzliche Krankenversicherung steht mehr denn je vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Demografischer Wandel, medizinischer Fortschritt und ineffiziente Strukturen treiben die Ausgaben der Krankenkassen weiter in die Höhe, ohne die Versorgung signifikant zu verbessern. Hinzu kommen teure Reformgesetze und mehrfache Eingriffe in die Rücklagen der Krankenkassen. Währenddessen bleiben die Einnahmen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage immer weiter hinter den Ausgaben zurück. Die Politik hat daher erneut an der Beitragsspirale gedreht und für 2025 den historisch höchsten Anstieg des GKV-durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent beschlossen. Die tatsächlich von den Kassen erhobenen Beitragsätze liegen zum Teil deutlich darüber.

Besorgniserregende Entwicklung: Das GKV Defizit, das über die Zusatzbeiträge der GKV-Mitglieder und der Arbeitgeber ausgeglichen werden muss, ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen und wird in den beiden Jahren 2024 und 2025 fast so stark wachsen wie in den zehn Jahren zuvor.

Jährliche Beitragssatzanhebungen dürfen aber kein selbstverständliches Instrument der Gesundheitspolitik zur Finanzierung der medizinischen und pflegerischen Versorgung sein. Sie schwächen den sozialen Zusammenhalt und sind eine Belastung für den Wirtschaftsstandort. Eine verlässliche, stabile und nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung muss zu einer der vordringlichsten Aufgaben der nächsten Bundesregierung werden, um die langfristige Handlungsfähigkeit der beiden Sozialsysteme sicherzustellen. 

Ordnungspolitisch sauber finanzieren

Der Staat muss der Verantwortung für seine Aufgaben nachkommen. Dazu gehört eine auskömmliche Finanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfangende, die aktuell um über zehn Milliarden Euro zu gering ausfällt. Außerdem muss der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen regelmäßig dynamisiert werden, damit zusätzliche gesamtgesellschaftliche Aufgaben nicht ausschließlich den Beitragszahlenden aufgebürdet werden. Lediglich auf der Einnahmenseite für Verbesserungen der Finanzlage zu sorgen, ist nicht ausreichend. Der Anteil der Steuerfinanzierung in der GKV muss mit Blick auf die bereits hohe Sozialabgabenlast auf das notwendige Maß begrenzt bleiben, um eine Gesundheitspolitik nach Kassenlage zu vermeiden. Darüber hinaus muss die Haushaltsautonomie der selbstverwalteten Krankenkassen vollständig wiederhergestellt werden. 

Keine Zweckentfremdung von Beitragsmitteln

Beitragsmittel dürfen nicht mehr als finanzieller „Verschiebebahnhof“ für staatliche Aufgaben genutzt werden. Dies wird insbesondere beim jetzt beschlossenen Krankenhaus-Transformationsfonds deutlich, der zur Hälfte aus dem Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert wird und die GKV-Beitragszahlenden über zehn Jahre lang mit 2,5 Milliarden Euro jährlich belastet. Die Umstrukturierung der Kliniklandschaft ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und aus Steuermitteln zu finanzieren. Das gilt auch für die Investitionskostenfinanzierung der Kliniken durch die Länder, die nach wie vor unzureichend ist und in Teilen aus den Mitteln der Krankenkassen für die Betriebskosten entnommen wird. 

Stärkste Preistreiber: Krankenhaus, Arzneimittel und ambulante Versorgung machen zwei Drittel der Krankenkassen-Ausgaben aus.

Ausgaben bremsen und Effizienzpotenziale heben

Wesentliche Treiber für die immer weiter steigenden GKV-Ausgaben sind die drei großen Felder Krankenhaus, Arzneimittel und ambulante Versorgung. Hier braucht es dringend strukturelle Maßnahmen, um die Ausgabendynamik abzubremsen und gleichzeitig die Versorgung zu verbessern. Die jüngst beschlossene Krankenhausreform geht hier mit der Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft in wichtigen Bereichen in die richtige Richtung. Die damit verbundenen strukturellen Änderungen zur Steigerung der Qualität und zum effizienten Einsatz des knappen Personals müssen jetzt konsequent umgesetzt und die daraus resultierenden Einsparungen an Beitragszahlende zurückgegeben werden. Überdurchschnittlich stark gestiegen sind vor allem die Arzneimittelausgaben. Eine wichtige Maßnahme zur Ausgabendämpfung ist daher die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent – wie in nahezu allen europäischen Ländern. Das würde die GKV erheblich entlasten. Außerdem braucht es eine stringente Preisbremse bei neuen, oftmals sehr teuren Arzneimitteln. Weitere Effizienzpotenziale zur Dämpfung der Ausgaben bei gleichzeitiger Verbesserung der Versorgungsqualität bieten bei der ambulanten Versorgung die Digitalisierung und eine koordinierte Versorgung. Insgesamt brauchen wir dringend eine Ausgabenpolitik, die sich konsequent an der Einnahmensituation orientiert, damit die Beitragszahlenden nicht immer weiter belastet werden. 

Immenser Kostenanstieg: Am dynamischsten entwickeln sich die Ausgaben für Arzneimittel.

Finanzausgleich zielgenau ausgestalten

Die Zielgenauigkeit der Zuweisungen für die Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds muss weiter erhöht werden, um insbesondere eine Benachteiligung vulnerabler und sozial schwacher Versichertengruppen zu verhindern. Dazu bedarf es einer fundierten Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (RSA) und die entsprechende Beauftragung des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesamt für soziale Sicherung (BAS). 

„Die nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Kranken-und Pflegeversicherung erfordert strukturelle Reformen statt immer wiederkehrender Beitragserhöhungen.“

Johannes Bauernfeind

Vorstandsvorsitzender

Pflege verlässlich finanzieren

Auch die Soziale Pflegeversicherung (SPV) steht angesichts der Folgen des demografischen Wandels und einer bereits jetzt bestehenden milliardenschweren Finanzierungslücke vor enormen finanziellen Herausforderungen. Ständige kleinteilige, kurzfristig gedachte Reformen sind dabei nicht zielführend, sondern es bedarf einer umfassenden Struktur-und Finanzreform. Die Finanzierung der SPV muss langfristig stabilisiert und das Leistungsniveau im Rahmen des umlagefinanzierten Teilleistungssystems durch einen Finanzierungsmix gesichert werden. Finanzielle Belastungen müssen auf viele Schultern verteilt werden und das beitragsfinanzierte Umlagesystem der SPV muss trotz der demografischen Herausforderungen weiterhin der wichtigste Bestandteil der Pflegefinanzierung bleiben. Nur dann kann die SPV ihre gesellschaftliche Funktion weiter erfüllen und ein Interessenausgleich zwischen den Generationen sowie zwischen den Beitragszahlenden und Leistungsbeziehenden gelingen. Das Leistungsniveau sollte durch eine regelgebundene Dynamisierung auf der Grundlage der Entwicklung der Bruttolohnzuwächse stabilisiert werden – damit ließe sich auch der weitere Anstieg der pflegebedingten Eigenanteile dämpfen, was Pflegebedürftige und ihre Angehörigen entlastet. Außerdem müssen als Sofortmaßnahme auch bei der SPV versicherungsfremde Leistungen durch Steuermittel finanziert werden. Dazu gehören insbesondere Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen, die Beiträge von Bürgergeldbeziehenden sowie die immer noch ausstehende Finanzierung der pandemiebedingten Maßnahmen in Höhe von fast sechs Milliarden Euro. 

Positionspapier zur Bundestagswahl

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Kernforderungen

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