Baden-Württemberg: Verordnungen von Reserveantibiotika erreichen Höchststand
Hohe Verordnungshäufigkeit gefährdet Wirksamkeit der Antibiotika
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Stuttgart. Der Antibiotikaeinsatz in Baden-Württemberg hat im Jahr 2023 ein außerordentlich hohes Niveau erreicht. Mit 4,1 Millionen Verordnungen liegen die Zahlen deutlich über denen der Vorjahre und sogar über dem Stand von 2019, also der Zeit vor der Pandemie. Besonders alarmierend ist der Anstieg bei den Reserveantibiotika, die eigentlich nur als letzte Therapieoption bei schweren Infektionen eingesetzt werden sollten. In Baden-Württemberg machen sie 46,6 Prozent aller Antibiotikaverordnungen aus – ein Wert, der deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 43,4 Prozent liegt.
Pro 1.000 gesetzlich Krankenversicherte wurden im Jahr 2023 in Baden-Württemberg 428 Antibiotikaverordnungen registriert. Damit liegt das Land zwar unter dem Spitzenreiter Saarland (539 Verordnungen), aber deutlich über dem vergleichsweise zurückhaltenden Hamburg (328 Verordnungen). Diese regionalen Unterschiede zeigen, wie stark die Verschreibungspraxis variiert – ein Anlass, die Versorgungssituation kritisch zu hinterfragen.
Bundesweiter Trend geht nach oben
Auch bundesweit ist ein Anstieg der Antibiotikaverordnungen zu beobachten. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 36,1 Millionen Packungen verschrieben, 18,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit liegt der Verbrauch erstmals wieder über dem Niveau von 2019. Der Anteil der Reserveantibiotika blieb zwar stabil, doch die absolute Zahl ihrer Verordnungen stieg auf 15,7 Millionen – ein Plus von 21 Prozent gegenüber 2022.
Experten warnen vor Resistenzen
„Der Anstieg der Reserveantibiotika-Verordnungen ist besonders bedenklich“, betont Frank Wienands von der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Baden-Württemberg. „Wenn fast jedes zweite, verordnete Antibiotikum ein Reserveantibiotikum ist, kann von Reserve keine Rede mehr sein – ihr Einsatz in diesem Maß erhöht die Gefahr von Resistenzen, was die Behandlung lebensbedrohlicher Infektionen erheblich erschweren kann“, warnt der Arzneimittelexperte. In Baden-Württemberg wurden 2023 insgesamt 1,9 Millionen Reserveantibiotika verordnet – ein neuer Höchststand.
Handlungsbedarf in Forschung und Praxis
Die Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit, den Antibiotikaeinsatz stärker zu kontrollieren und die Forschung an neuen Wirkstoffen zu fördern. Im Jahr 2023 wurde kein neues Antibiotikum zugelassen, was die bereits angespannte Situation weiter verschärft. „Wir brauchen Reserveantibiotika nur dort, wo nichts anderes hilft“, so Frank Wienands.
Zahlengrundlage ist eine am 19.02.2025 veröffentlichte Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die auf Arzneimmittelverordnungsdaten aller GKV-Versicherten basiert.