RefE Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG)

 

Darum geht’s: 

Seit Anfang Juli liegt der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) vor.

Wesentliches Ziel ist es, die digitale Transformation des Gesundheitswesens und der Pflege zu beschleunigen und weiterzuentwickeln. 

Die wichtigsten Maßnahmen im Überblick:

  • Die elektronische Patientenakte soll ab Anfang 2025 als Opt-out-Modell für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden
    • Versicherte sollen einen Anspruch auf Überführung älterer Patientendokumente in die ePA durch die Krankenkasse erhalten
  • Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlich eingeführt werden und per elektronischer Gesundheitskarte und ePA-App nutzbar sein
  • Um ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln besser zu vermeiden, soll die ePA für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten, digitalen Medikationsübersicht befüllt werden
  • Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollen ausgebaut werden (Ausweitung auf Medizinprodukte höherer Risikoklassen; Preisgestaltung soll sich stärker an Erfolgskriterien orientieren )
  • Aufhebung der aktuell geltenden Begrenzungsregelung für Videosprechstunden
  • Der aus Beitragsmitteln der GKV finanzierten Innovationsfonds soll dauerhaft etabliert werden. Die ursprünglich für Ende 2024 vorgesehene Rückführung nicht benötigter Finanzmittel soll gestrichen werden
  • Einführung digitalisierter Formen von Disease Management Programmen (DMP)

So steht die AOK Baden-Württemberg dazu:

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) besitzt das Potenzial, der elektronischen Patientenakte zum Durchbruch in der Praxis zu verhelfen sowie die digitale Transformation des Gesundheitswesens und der Pflege zu beschleunigen und weiterzuentwickeln. Es sind jedoch noch Nachbesserungen nötig. Das gilt besonders für die Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte (ePA). Sie soll mit dem Gesetz zur zentralen Versichertenplattform ausgebaut werden, insofern wäre es sinnvoll und konsequent, hier auch die Notfalldaten mit einzubeziehen. Die schon heute existierende Möglichkeit zur Speicherung der Notfalldaten auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wird de facto kaum genutzt und sorgt für unnötige bürokratische Aufwände bei den Kassen.

Das Ansinnen, durch eine Übertragung analoger Dokumente in die elektronische Patientenakte die ePA schnellstmöglich mit Patientendaten zu füllen, ist zu begrüßen. Unverständlich ist jedoch der Plan, dass die gesetzlichen Krankenkassen ältere Papierdokumente von Versicherten scannen und in die ePA übertragen sollen. Der entstehende Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Versicherten. Die Befüllung der ePA sollte nicht Aufgabe der Krankenkassen sein, sondern gehört grundsätzlich in die Hand der Patientinnen und Patienten so-wie der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. 

Die Ausweitung des Leistungsanspruchs von DiGA auf Medizinprodukte höherer Risikoklassen wird abgelehnt, da die Anwendung solch risikobehafteter DiGA, die in Eigenregie von Patientinnen und Patienten verwendet werden, die Patientensicherheit gefährden kann. Angesichts der knappen finanziellen Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung darf das Geld der Beitragszahlenden zudem nur für Anwendungen eingesetzt werden, deren Nutzen klar wissenschaftlich belegt ist. Die geplante, an Erfolgskriterien ausgerichtete Preisgestaltung bei DiGA lehnen wir ab, insbesondere die damit verbundene bürokratische, kleinteilige und aufwändige Erfolgsmessung bei zugleich fraglichen Erfolgsindikatoren. Zudem ist die Nutzung einer DiGA nicht gleichzusetzen mit einem echten Nutzen. Stattdessen plädieren wir für eine grundsätzliche Reform der Preisbildung in Form von Preisverhandlungen direkt bei Markteintritt. 

Die Aufhebung der Begrenzungsregelung für Videosprechstunden von 30 Prozent der Leistungen je Quartal ist grundsätzlich positiv, da das Angebot dadurch vermehrt von digital affinen Versicherten in Anspruch genommen werden kann. Aus versorgungspolitischer Sicht ist die Regelung allerdings kritisch zu bewerten, denn die Videoangebote gehen zu Lasten von Sprechstunden vor Ort, weswegen technikaverse, ältere oder schwer kranke Menschen benachteiligt werden können. Es sollte in der Hand der Selbstverwaltung liegen, ein medizinisch sinnvolles Verhältnis von analoger und digitaler Sprechstunde auszuloten. 

Die unbefristete Verstetigung des Innovationsfonds ist abzulehnen. Wie auch in der Vergangenheit bestehen weiterhin erhebliche Zweifel an der Effektivität und Effizienz des Innovationsfonds. 

Mit Blick auf die begrüßenswerte digitale Weiterentwicklung der der Disease Management Programme (DMP) muss darauf geachtet werden, dass keine ineffizienten Parallelstrukturen zu bestehenden DMP-Programmen entstehen Auch stellt sich die beabsichtige Trennung in klassische und digitalisierte DMP für die gleichen Indikationen aus Sicht der Versicherten unweigerlich als weitere Fragmentierung des Versorgungsangebotes dar.