Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz

 

Darum geht‘s

Am 14.02.2023 wurde der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVVG öffentlich. Mit dem Gesetz sollen Lieferengpässe in der Versorgung mit patentfreien Arzneimitteln bekämpft und die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessert werden.

Folgende Regelungen sind u. a. geplant:

  • Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen bei Arzneimitteln eingerichtet werden. Demnach soll das BfArM u.a. künftig eine Liste der aktuellen Lieferengpässe bei Arzneimitteln mit versorgungsrelevanten und versorgungskritischen Wirkstoffen veröffentlichen. Außerdem werden Auskunftspflichten gegenüber dem BfArM auf Arzneimittelhersteller, krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken ausgeweitet.
  • Bei den Arzneimittelrabattverträgen soll es eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung geben. Außerdem sollen mit dem Ziel der Diversifizierung von Lieferketten zunächst bei Onkologika und Antibiotika die Hälfte der Rabattverträge auch mit Herstellern vereinbart werden, die die Wirkstoffe für diese Arzneimittel ganz oder zu einem überwiegenden Anteil in der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft herstellen.
  • Bei Kinderarzneimitteln sollen die Festbeträge (maximaler Betrag, den die Krankenkasse erstattet) aufgehoben werden. Die pharmazeutischen Hersteller können die Abgabepreise in der Folge dann um bis zu 50 Prozent erhöhen.
  • Analog sollen auch für versorgungskritische Arzneimittel Festbeträge aufgehoben werden können. Auch hier können die pharmazeutischen Hersteller die Abgabepreise in der Folge dann um bis zu 50 Prozent erhöhen.
  • In Apotheken sollen vereinfachte Austauschregelungen von Rabattarzneimitteln gelten, für die das BfArM eine kritische Versorgungslage festgestellt hat. In diesem Zug sollen die Apotheken beim Austausch eines Arzneimittels einen Lieferengpasszuschlag in Höhe von 50 Cent plus Mehrwertsteuer erhalten.
  • Beim Austausch von Arzneimitteln in der Apotheke soll es Erleichterungen bei der Zuzahlung für die Versicherten geben. So muss beispielsweise bei Abgabe von mehreren Einzelpackungen die Zuzahlung nur einmal geleistet werden.
  • Für krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken sollen auch für Antibiotika erhöhte Bevorratungsverpflichtungen gelten (acht Wochen statt wie bisher vier Wochen)
  • Bei Reserveantibiotika mit neuen Wirkstoffen sollen die Erstattungsbetragsverhandlungen entfallen: der bei Markteinführung durch das pharmazeutische Unternehmen gewählte Abgabepreis kann damit über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus beibehalten werden.

 

So steht die AOK Baden-Württemberg dazu

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (ALBVVG) enthält einige gute Ansätze und ist insofern grundsätzlich zu begrüßen. In der konkreten Ausgestaltung stößt er jedoch an Grenzen und greift insgesamt zu kurz.

Erfreulich sind insbesondere die geplanten Regelungen für eine stärkere Bevorratung. Bei den Rabattverträgen ist die AOK-Gemeinschaft hier bereits seit Jahren vorangegangen und hat entsprechende Bevorratungspflichten umgesetzt. Auch das geplante Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen bei Arzneimitteln ist grundsätzlich zu begrüßen. Ein solches System fordert die AOK seit Jahren. Allerdings stellen sich bei der konkreten Ausgestaltung noch Fragen. So sollen Lagermengen in der Wertschöpfungskette zum Beispiel nur reaktiv im Einzelfall angefragt werden, eine generelle Pflicht zur Meldung fehlt. Ebenso gut gemeint, aber letztlich zu kurz gegriffen ist die geplante Vorgabe zur Diversifizierung von Lieferketten bei den Arzneimittelrabattverträgen. Die Erfahrungen der AOK-Gemeinschaft haben hier gezeigt, dass es eine entsprechende Verankerung im EU-Vergaberecht braucht.

Insgesamt ist es aus Sicht der AOK Baden-Württemberg aber nicht sachgerecht, zur Lösung der komplexen Problematik der Lieferengpässe einfach nur weitere Gelder in den Markt zu geben und die GKV-Mitglieder und ihre Arbeitgeber mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich zu belasten. Damit das zusätzliche Geld nicht einfach verpufft, müssen die pharmazeutischen Unternehmen zum Beispiel durch die Verknüpfung höherer Preise mit geringeren Lieferausfällen stärker in die Pflicht genommen werden.