Krankenhaus-Reform 2023
Darum geht’s
Die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach eingesetzte Regierungskommission Krankenhaus hat im Dezember 2022 ihre Empfehlungen vorgestellt. Im Januar hat daraufhin der Arbeitsprozess von Bund und Ländern begonnen. Ziel ist es, bis zur parlamentarischen Sommerpause gemeinsame Eckpunkte zu erarbeiten, die dann bis Herbst in einen Referentenentwurf münden sollen. Die Zeitschiene ist ambitioniert, das Gesetz zur Krankenhausreform soll in der zweiten Jahreshälfte 2023 beschlossen werden und schon zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Ziel der Krankenhausreform ist es, die ökonomischen Anreize für Behandlungen abzumildern, in dem das Finanzierungssystem der Fallpauschalen angepasst und durch Vorhaltepauschalen erweitert wird. Für die Honorierung der Kliniken sollen drei neue Kriterien eingeführt werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Durch eine ausgeglichenere Finanzierung soll die bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten stärker in den Fokus rücken. Die Regelungen sollen schrittweise eingeführt werden, dazu soll es eine Übergangsphase von 5 Jahren geben.
Die Kernpunkte der Vorschläge der Regierungskommission umfassen:
Einführung von drei Krankenhaus-Versorgungsstufen
- Grundversorgung: Level 1-i (integrierte ambulant-stationäre Versorgung) und Level 1-n (mit Notaufnahme)
- Regel- und Schwerpunktversorgung (Level 2)
- Maximalversorgung (Level 3)
Leistungsgruppen
- 128 Gruppen sollen definiert werden. Mit ihnen soll verhindert werden, dass Krankenhäuser Leistungen erbringen, für die sie personell oder strukturell nicht geeignet sind.
- Kliniken können nur noch Behandlungen abrechnen, wenn sie die nötige Leistungsgruppe zugeteilt bekommen haben. Für jede Leistungsgruppe wird festgelegt, in welchem Krankenhaus-Level sie erbracht werden darf.
- Beispiel: Leistungsgruppen beschreiben künftig genauer die Zuweisung. Statt der Fachabteilung „Innere Medizin" gibt es viele Gruppen darunter, etwa „Kardiologie“.
- Für jede Leistungsgruppe wird ein Vorhalteanteil festgelegt.
Vorhaltepauschalen
- Sie sollen in der Regel 40 Prozent des Budgets abdecken, in einigen Fällen sogar 60 Prozent. Einberechnet wären dabei die Pflegepauschalen, die bereits in der letzten Legislaturperiode eingeführt wurden.
- Die Regierungskommission empfiehlt für die Leistungsgruppen der Intensivmedizin, der Notfallmedizin, Geburtshilfe und Neonatologie einen 60-prozentigen Vorhalteanteil.
So steht die AOK Baden-Württemberg dazu
Aus Sicht der AOK Baden-Württemberg sind die vorgestellten Empfehlungen grundsätzlich zu begrüßen. Die Empfehlungen der Regierungskommission zur Krankenhausreform gehen in die richtige Richtung und lassen auf eine qualitätsorientierte Neuordnung der Krankenhausstrukturen hoffen. Positiv zu bewerten ist insbesondere der Impuls, dass nicht mehr jede Klinik alle Versorgungsbereiche abdecken muss. Die Perspektive einer modernen Krankenhausversorgung liegt aus Sicht der AOK Baden-Württemberg in der Bündelung der Leitungserbringung zur Erhöhung der Qualität, in bundeseinheitlichen Festlegungen für Versorgungsstufen mit definierten Leistungsgruppen sowie in Kriterien für eine personelle und strukturelle Mindestausstattung. Für moderne Krankenhausstrukturen sind gezielte Standortplanungen und die Bereinigung von mehrfach vorgehaltenen Strukturen unabdingbar. Ein weiterer wichtiger Punkt: Eine Erreichbarkeit der Versorgungsangebote in ländlichen Regionen muss flächendeckend sichergestellt werden. Hier helfen kluge Zugangskonzepte und eine wohnortnahe sektorenübergreifende Basisversorgung.
Die geplanten Reformansätze bieten die Chance, mit nachhaltigen Veränderungen die Weichen für eine zukunftsfeste stationäre Versorgung zu stellen. Aus Sicht der AOK Baden-Württemberg ist es von großer Bedeutung, dass dieser Prozess von einem einheitlichen Zielbild geleitet wird. Die definierten planerischen Leitplanken sollten am Ende des Prozesses bundesweit verbindlich gelten. Ein viel diskutierter Punkt sind bisher die Anpassungsmöglichkeiten der Bundesländer mittels Öffnungsklauseln und Ausnahmeregelungen. Hier werden diverse Analysen und Gutachten, die das Kommissionsmodell der „Versorgungslevel“ in den Regionen simulieren, veröffentlicht. Solche „Kahlschlagszenarien“ dienen u.a. als Argumente für kleinteilige Opt-out-Regelungen für die Länder und sorgen unnötigerweise für Unruhe in der Diskussion. Mit solchen teilweise alarmistischen Prognosen wird lediglich die Debatte übermäßig angeheizt, die Möglichkeit einer umfassenden Reform rückt dadurch in den Hintergrund.
Für die AOK Baden-Württemberg gilt es, die Krankenhausversorgung bedarfs- und qualitätsorientiert zu gestalten. Selbstverständlich brauchen die Länder auch künftig Gestaltungsoptionen, um landes- und regionsspezifischen Gegebenheiten gerecht zu werden. Diese Optionen sollen die Krankenhausreform stützen und flankieren, aber keinesfalls in ihrer Substanz in Frage stellen. Für die AOK Baden-Württemberg kommt es ganz entscheidend auf die Ausgestaltung und Umsetzung an.
Folgende Kernpunkte sind für die AOK Baden-Württemberg von besonderer Bedeutung:
- Nicht die Level, sondern die Leistungsgruppen sind der strukturelle Anker der Reform.
- Die Leistungsgruppen sind neben qualitativen Anforderungen auch mit einer quantitativen Komponente auf der Basis eines Bevölkerungsbezugs zu versehen.
- Ein bundeseinheitlicher Regelungs- und Definitionsrahmen ist für den Erfolg der Reform unverzichtbar. Das schließt landes- bzw. regionalspezifische „Opt-outs“ in der Umsetzung durch die Landesplanung nicht aus; die Voraussetzungen und Kriterien dafür sind verbindlich zu regeln.