Referentenentwurf Medizinforschungsgesetz
Darum geht‘s
Ende Januar haben das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesumweltministerium einen Referentenentwurf für ein Medizinforschungsgesetz vorgelegt. Das Gesetz bildet einen wesentlichen Teil der im Dezember 2023 von der Bundesregierung beschlossenen Pharmastrategie mit einem umfassenden Handlungskonzept für den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland. Ziel des Gesetzes ist es, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu verbessern und den bürokratischen Aufwand bei klinischen Studien zu reduzieren. Das Bundeskabinett wird sich voraussichtlich am 27.03.2024 mit dem Gesetzentwurf befassen.
Wesentlicher Inhalt des Referentenentwurfs:
- Vereinfachung, Beschleunigung und Entbürokratisierung des Genehmigungsverfahrens für klinische Prüfungen und des Zulassungsverfahrens von Arzneimitteln und Medizinprodukten
- Einführung vertraulicher Erstattungsbeträge: Auf Wunsch der pharmazeutischen Unternehmen sollen die mit dem GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen vertraulich bleiben. Die Krankenkassen sollen dann einen Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen dem von ihnen zunächst tatsächlich gezahlten Abgabepreis und dem nicht öffentlich bekannten Erstattungsbetrag erhalten. Begründet wird die Regelung mit dem Hinweis der pharmazeutischen Unternehmen, dass ein öffentlich bekannter Erstattungsbetrag zu ihren Lasten Einfluss auf die Höhe der Preise in anderen Ländern habe, da viele Länder bei ihrer Preisbildung auf den deutschen Preis Bezug nähmen.
So steht die AOK Baden-Württemberg dazu
Die AOK Baden-Württemberg begrüßt ausdrücklich die Zielsetzung des Entwurfs, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu verbessern. Die vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung des Forschungsstandorts Deutschland unter Wahrung der Interessen der Patienten und Patientinnen finden zu großen Teilen die Zustimmung der AOK BW. So ist es erfreulich, dass Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen vereinfacht, entbürokratisiert und beschleunigt werden sollen. Wichtig ist dabei allerdings, die Patientensicherheit weiter im Blick zu behalten und die hohen Standards für die Sicherheit von Patientinnen und Patienten zu wahren.
Die im Referentenentwurf vorgesehene Änderung bei den Regelungen zur Preisbildung von Arzneimitteln zur Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags für neue Arzneimittel lehnt die AOK Baden-Württemberg dagegen entschieden ab. Die Regelung bedeutet einen großen bürokratischen Mehraufwand für die Krankenkassen und führt zu erheblichen Mehrausgaben. Entgegen dem mit der Pharmastrategie angekündigten Bürokratieabbau müssten die Krankenkassen Millionen an Beitragsgeldern für neue Prozesse zur Rückerstattung sowie ein neues Mahnwesen aufwenden. Außerdem stünden funktionierende Instrumente zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit nicht mehr zur Verfügung, wenn man im Rahmen der Nutzenbewertung dann nicht die wirtschaftlichste, zweckmäßige Vergleichstherapie ausweisen kann und Ärztinnen und Ärzte oder Apotheken die Kosten einer Therapie nicht abschätzen und Arzneimitteln nicht mehr entsprechend preisgünstig verordnen bzw. abgeben können. Die Regelung steht damit im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot des Fünften Sozialgesetzbuches und ist nicht mehr als eine Wirtschaftsförderung pharmazeutischer Unternehmen zu Lasten der Beitragszahlenden. Diese werden durch ein weiter steigendes Preisniveau neuer Arzneimittel und den zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei den Krankenkassen gleich doppelt belastet – mit negativen Auswirkungen auf die derzeit ohnehin herausfordernde Finanzlage der GKV.
Neben den negativen Aspekten der geplanten Regelung zum vertraulichen Erstattungspreis auf die Krankenkassen bestehen auch berechtigte Zweifel, ob die Zielsetzung des Gesetzentwurfs erreicht werden kann, weil in allen Ländern die Verfahrensweise zum Erstattungspreis in Deutschland auch bei Vertraulichkeit desselben bekannt ist und bei Bedarf nachvollzogen werden kann. Die Vertraulichkeit des Erstattungspreises verzögert im schlechtesten Fall den Marktzutritt in den betreffenden Ländern noch mehr als bisher schon zum Nachteil der Patienten und der Hersteller.