Feinstaub verstärkt Grippe-Risiko
Studie zeigt Effekt von Umwelteinflüssen auf Gesundheit
Ulm. Eine hohe Feinstaubbelastung und niedrige Temperaturen erhöhen das Risiko, an Grippe zu erkranken. Zu dieser Erkenntnis kommt eine einzigartige Zusammenarbeit zwischen der AOK Baden-Württemberg und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR). Das Team erforscht die Zusammenhänge zwischen Umweltstressoren und Erkrankungen und kombiniert hierfür Erdbeobachtungsdaten mit anonymisierten Gesundheitsdaten der Krankenkasse.
Die Feinstaubbelastung in der Stadt Ulm liegt bei durchschnittlich 11,64 Mikrogramm PM 2,5 (Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer), im Alb-Donau-Kreis bei 11,27 Mikrogramm PM 2,5 und im Landkreis Biberach bei 10,98 Mikrogramm PM 2,5. Zum Vergleich: Der Landesdurchschnitt beträgt im Jahresmittel und gemittelt auf den Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2018 zwischen 8,7 und 12,56 Mikrogramm PM 2,5 für die 1.195 Postleitzahlgebiete in Baden-Württemberg. Die Europäische Kommission will mit strengeren Grenzwerten die Luft in den Städten der EU verbessern. Konkreter Vorschlag ist die Reduktion von Feinstaub-Grenzwerten bis 2030 um mehr als die Hälfte – von 25 auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Bis 2050 soll die Luftverschmutzung auf Null gebracht werden.
Durch die Kombination von Erdbeobachtungs- und Gesundheitsdaten schafft die Forschungskooperation eine neue und bislang einmalige Basis für den flächendeckenden Nachweis gesundheitlicher Auswirkungen des Klimawandels. In der ersten veröffentlichten Studie wurden Zusammenhänge zwischen den vorherrschenden Umweltstressoren und Grippe-Inzidenz ist eine Messgröße aus der Epidemiologie, die die Anzahl der Neuerkrankungen an einer bestimmten… untersucht. Die Ergebnisse machen eine regionalisierte, postleitzahlengenaue Betrachtung möglich.
In der Untersuchung zeigen sich deutliche saisonale Schwankungen bei der Grippe-Neuerkrankungsrate. Von den 513.404 im Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2018 identifizierten Influenzafällen traten über 54 Prozent in den Monaten Januar bis März auf. Solche vierteljährlichen Schwankungen bei der Grippe-Inzidenz sind auch für Feinstaub und Temperatur sichtbar. Die statistische Modellierung bestätigt einen signifikanten Effekt von Feinstaub und Temperatur auf die Grippeerkrankung der Versicherten. Gemäß den Hochrechnungen der Studie ist das Risiko an Grippe zu erkranken in Regionen mit der höchsten beobachteten Feinstaubbelastung in etwa doppelt so hoch wie in Regionen mit den niedrigsten Feinstaubwerten. Noch größer als beim Feinstaub ist der Einfluss der Temperatur auf die Inzidenz. So ergibt sich nach den statistischen Berechnungen ein etwa achtfach größeres Risiko zur Infizierung bei den niedrigsten beobachteten Temperaturen. „Das Risiko an Grippe zu erkranken, ist in Regionen am höchsten, in denen es besonders kalt und in denen die Feinstaubbelastung besonders hoch ist“, fasst Dr. Sabine Hawighorst-Knapstein, Ärztin bei der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Baden-Württemberg, die Ergebnisse der Studie zusammen.
Hauptauslöser für die Influenza sind Viren, die durch günstige Bedingungen in ihrer Vermehrung und Verbreitung gefördert werden. Bei Grippeviren sind dies äußere Umstände wie ein Temperaturabfall unter 13 Grad Celsius und auch verschmutzte Luft. In der Studie zeigte sich eine deutliche saisonale Schwankung bei der Inzidenz, welche sich auch durch Temperatureffekte und Feinstaub erklären lassen und verstärkt werden durch die Temperaturextreme in Folge des Klimawandels. „Gleichzeitig spielen Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder auch fehlende Impfungen Aufgrund des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes sind Leistungen für bestimmte Schutzimpfungen seit dem… eine Rolle“, so die Ärztin.
Die AOK Baden-Württemberg möchte die Erkenntnisse nutzen, um regionalspezifische Leistungen und Angebote für Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… und Vorsorge Für die medizinische Vorsorge und die Rehabilitation gilt der Grundsatz ambulant vor stationär – das… der Versicherten abzuleiten. „Unsere Versicherten können wir zukünftig noch stärker auf den Zusammenhang von Umwelt und Gesundheit hinweisen, auf mögliche Präventionsmaßnahmen aufmerksam machen und damit gezielt die gesundheitliche Versorgung vor Ort stärken“, sagt Dr. Sabine Hawighorst-Knapstein. Besonders vulnerable Gruppen können somit vor Auswirkungen von Umwelt- und Klimaeinflüssen besser geschützt werden.
Insgesamt gewinnen Präventionsmaßnahmen in Regionen mit erhöhter Feinstaubbelastung an Bedeutung. „Wichtig ist die gemeinsame Betrachtung von Verhältnis- und Verhaltensprävention. In der Verknüpfung von Natur- und Kulturlandschaft ist die natürliche Beschattung und Begrünung für Mensch und Tier in jedem Alter überlebenswichtig und mindert die Feinstaubbelastung“, so die Ärztin. „Zudem kann auch jeder Einzelne dazu beitragen, diese zu reduzieren und gleichzeitig seine individuelle Gesundheit fördern, zum Beispiel durch das Zurücklegen kurzer Strecken mit dem Fahrrad oder zu Fuß.“ Gemäß der Studienergebnisse können Bevölkerungsgruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Influenza-Verlauf in Regionen mit starker Feinstaubbelastung noch stärker von regelmäßigen Grippeschutzimpfungen und einem gesunden Lebensstil profitieren.
Influenza ist das erste untersuchte Krankheitsbild bei der langfristigen Zusammenarbeit von AOK Baden-Württemberg und DLR. Weitere Studien für andere Krankheitsbilder, beispielsweise Atemwegs-, Kreislauf-, Haut- und Stoffwechselerkrankungen, sollen folgen.
Die Veröffentlichung im wissenschaftlichen Fachmagazin Environmental Health finden Sie hier.