Gesunde Lebenswelten: Von anderen Ländern lernen
Gravierenden Erkrankungen durch ungesunde Ernährung, Rauchen oder Alkoholkonsum sowie Bewegungsmangel wollen Länder weltweit Einhalt gebieten. Denn sie bringen chronische Leiden mit sich und verursachen hohe Kosten für die Gesundheitssysteme. G+G stellt einige erfolgreiche Beispiele vor, wie gesundes Verhalten erleichtert wird.
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Im Kampf gegen die drängenden Gesundheitsprobleme durch nichtübertragbare Erkrankungen ist die Politik gefragt, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, fordern Krankenkassen, Verbände sowie Expertinnen und Experten in Deutschland. Gesundes Essen müsse zur einfachen Wahl werden, auf Alkohol sollte es höhere Steuern und gesundheitliche Warnhinweise geben und Rauchen sollte weiter aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Dagegen gibt es jedoch auch Widerstände, teils aus wirtschaftlichen Gründen, teils als Absage gegen Verbote und dem Verweis auf Freiheitsrechte.
Statistiken untermauern den Handlungsbedarf: In Deutschland sind rund zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen gilt als adipös. Damit ist laut Deutscher Adipositas Gesellschaft ein Großteil der hiesigen Bevölkerung von dieser chronischen Erkrankung betroffen.
An den Folgen des Rauchens sterben in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jährlich etwa 127.000 Menschen. Der Zigarettenkonsum ist eine der häufigsten Ursachen für Krebs und verursacht so hohe Kosten für die Gesundheitsversorgung. Gesetze zum Nichtraucherschutz haben nachweislich die Zahl der Herzinfarkte bei Rauchern sowie bei Passivrauchenden gesenkt, belegen Studien unter anderem zum 2005 in Italien eingeführten Rauchverbot.
Weiteres Problem: Bewegungsmangel; Sitzen gilt als das neue Rauchen. Dadurch erhöht sich Analysen zufolge ebenfalls das Krebsrisiko.
Und galt das moderate Gläschen lange als ungefährlich, liegen nun Erkenntnisse vor, dass der Konsum von Alkohol in Zusammenhang mit mehr als 200 verschiedenen negativen gesundheitlichen Folgen wie Krankheiten und Unfällen steht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt in ihrem Positionspapier 2024 daher, komplett auf Alkohol zu verzichten.
Andere Länder haben im Vergleich zu Deutschland auf diese Entwicklungen und Erkenntnisse bereits rigoroser reagiert und mit politischen Mitteln gesündere Lebenswelten geschaffen. G+G gibt einen Überblick:
Schweden: Hürden zum Alkoholkonsum
Als positiv hebt die Weltgesundheitsorganisation WHO den nordischen Ansatz im Umgang mit Alkohol hervor. Einer der Hauptgedanken bei diesem Modell sei die Auffassung, „dass die mit dem Alkoholkonsum verbundenen Gesundheitsschäden schwerer wiegen als die potenziellen wirtschaftlichen Gewinne und Einnahmen aus dem Verkauf alkoholischer Getränke“, so die WHO.
Maßnahmen: Der vergleichsweise niedrige Konsum in diesen Ländern, darunter in Schweden, ist laut WHO vor allem auf bestimmte Schlüsselelemente zurückzuführen. Dazu zählen eine eingeschränkte Verfügbarkeit von alkoholischen Getränken sowie Verbote oder Beschränkungen von Werbung dafür, neben einer hohen Besteuerung und entsprechender Preisgestaltung. Die praktische Umsetzung erfolgt in Form von staatlichen Einzelhandelsmonopolen, die kontrollieren, wann, wo und zu welchem Preis Alkohol verkauft werden darf. So wird Alkohol von einer alltäglich verfügbaren Ware zu einer deutlich schwerer erreichbaren. Einnahmen durch eine höhere Besteuerung könnten zudem für Investitionen in das Gesundheitswesen verwendet werden, schlägt die WHO vor.
Ergebnisse: In Schweden ist der Alkoholkonsum nach Angaben der Alkohol- und Drogenbehörde in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent zurückgegangen. Im Jahr 2023 tranken die Schweden 2,7 Prozent weniger Alkohol als im Vorjahr. Der Durchschnitt lag bei 8,6 Litern reinem Alkohol pro Person über 15 Jahren. Zum Vergleich: In Deutschland waren es durchschnittlich etwas mehr als zehn Liter pro Person.
Debatte: Nichtsdestotrotz geht in Schweden wie andernorts die politische Diskussion über den Alkoholkonsum weiter. Um den Tourismus und die Wirtschaft anzukurbeln, sollen ab Juni 2025 kleine Produzenten wie Brauereien direkt ab Hof verkaufen dürfen. Die schwedische Regierung will mit dieser sogenannten Freiheitsreform wieder etwas näher an Europa rücken.
EU: In der Europäischen Union wird weiter darum gerungen, verbindlich auf die Etiketten von alkoholischen Getränken Warnhinweise zu drucken, die über die Gesundheitsrisiken wie Krebs aufklären.
Neuseeland: kaum noch Qualm
In dem Pazifikstaat gibt es seit vielen Jahren Anstrengungen, die Menschen vom gesundheitsschädlichen Rauchen abzuhalten und sie im öffentlichen Raum vor dem Qualm zu schützen. Die Tabakpolitik gilt weltweit als Musterbeispiel.
Maßnahmen: 1990 wurde ein umfassendes Nichtraucherschutzgesetz erlassen, das 2003 novelliert wurde. Danach ist das Rauchen in fast allen öffentlichen Innenräumen verboten und regional auch unter freiem Himmel wie auf den Geländen von Universitäten oder Parkanlagen. Tabakwerbung ist fast vollständig verboten und neutrale Einheitspackungen sind verpflichtend, um Konsumanreize zu minimieren. Die Steuer wurde drastisch auf den weltweit zweithöchsten Satz raufgesetzt. Eine Packung kostet damit umgerechnet mehr als 20 Euro.
Ergebnisse: Die Quote der Rauchenden ist in Neuseeland infolge der getroffenen Maßnahmen vergleichsweise niedrig. Ein erstes signifikantes Tief in der Geschichte des Landes erreichte sie 2022 mit acht Prozent. 2024 war der Anteil der Rauchenden noch weiter gesunken und lag laut Gesundheitsministerium bei 6,9 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland rauchten Stand 2024 knapp 30 Prozent. Als weiteres Ziel strebt Neuseeland an, die Quote der Tabakkonsumierenden weiter zu senken.
Debatte: Ein komplettes Rauchverbot per Gesetz im Pazifikstaat fiel jüngst einem Regierungswechsel zum Opfer. Unter der 2023 zurückgetretenen damaligen Premierministerin Jacinda Ardern war ein neues Gesetz für ein Rauchverbot verabschiedet worden. Dieses sollte den Verkauf von Tabakprodukten an alle ab 2009 Geborenen untersagen. Ab 2025 wollte Neuseeland damit so gut wie rauchfrei sein und wäre weltweit führend gewesen. Doch die nachfolgende konservative Regierung kippte das Gesetzespaket umgehend noch vor Inkrafttreten.
EU: Eine Verfügung zu rauchfreien Zonen unter freiem Himmel in der Öffentlichkeit war Ende 2024 im EU-Parlament gescheitert. Der Streit zwischen den politischen Lagern aus Befürwortern und Gegnern hält an.
Chile: drastische Mittel gegen Adipositas
Chile belegt in puncto Übergewicht einen traurigen Spitzenplatz laut OECD. 67,7 Prozent sind demnach übergewichtig. Um dieser neuartigen Form von Epidemie entgegenzuwirken, hat das lateinamerikanische Land politisch eingegriffen und gilt international als Vorreiter im Kampf gegen Fehlernährung und ernährungsbedingte Krankheiten.
Maßnahmen: Chile hat ab den 2010er-Jahren gestaffelt ungesunde Ernährung aus dem öffentlichen Raum gedrängt und die Bevölkerung für die Gesundheitsgefahren sensibilisiert. Seit 2016 gilt hier eines der strengsten Lebensmittelkennzeichnungsgesetze der Welt.
Ein Stoppschild warnt auf der Verpackung vor beispielsweise einem sehr hohen Zucker-, Salz- oder Fettgehalt. So markierte Produkte dürfen an Schulen nicht mehr verkauft oder in Schulmensen verarbeitet werden. Kindern unter 14 Jahren ungesunde Lebensmittel mit zusätzlichem Spielzeug oder Ähnlichem schmackhaft zu machen, ist ebenso nicht gestattet. Seit 2018 ist es untersagt, zwischen 6 und 22 Uhr für als ungesund gekennzeichnete Produkte im Fernsehen zu werben.
Ergebnisse: Erste Studien belegen die Wirkung der getroffenen Maßnahmen, Ungesundes weniger verfügbar zu machen und über Gesundheitsrisiken aufzuklären. So ist der Konsum von Lebensmitteln mit viel Zucker, Fett und Salz deutlich zurückgegangen. Bei den Käufen von viel konsumierten Lebensmitteln gab es Rückgänge um rund 24 Prozent hinsichtlich der Kalorien, um 37 Prozent beim Kauf von stark natriumhaltigen Lebensmitteln und um 27 Prozent beim Kauf von Produkten mit hohem Zuckergehalt im Vergleich zu der Zeit vor der Kennzeichnung, ergab eine Studie.
Debatte: Die drastischen Gesetze zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit sind in Chile zunächst auf massiven Widerstand der Industrie gestoßen. Bei dem Verbot von Zeichentrickfiguren auf Packungen für Kinder sahen Unternehmen ihr geistiges Eigentum gefährdet, auch versuchten sie, die Kennzeichnungen und Inhaltsangaben zu ihren Gunsten zu ändern. Doch diese juristischen Schritte scheiterten ebenso wie der Versuch, gegen das Werbeverbot anzugehen. Umfragen zufolge ist die Akzeptanz in der Bevölkerung hoch. Studien haben zudem belegt, dass die befürchteten Nachteile für die Werbewirtschaft ausgeblieben sind.
EU: Im europäischen Raum gibt es erhebliche Widerstände gegen eine stärkere Kennzeichnung und Regulierung von ungesunden Lebensmitteln. Ein Team aus Expertinnen und Experten hat für die EU-Kommission Empfehlungen erarbeitet, um die gesunde Ernährung für die Bevölkerung zu erleichtern. Die entscheidenden Stellschrauben sind demnach die Preisgestaltung wie geringere Steuern auf gesunde Nahrungsmittel sowie höhere für Ungesundes. Daneben sollten gesunde Produkte leichter erreichbar und prominent platziert sein.
Bislang gibt es aber keine zwingenden Vorgaben. Der Europäische Rechnungshof kritisierte jüngst den für Verbraucherinnen und Verbraucher kaum durchschaubaren Dschungel an Kennzeichnungen am Markt.
Großbritannien: höhere Steuern auf Süßes
Übergewicht und Adipositas sind in Industrienationen grundsätzlich ein zunehmendes Problem mit der Folge chronischer Erkrankungen wie Diabetes. Neben Chile kämpfen auch die Menschen in Großbritannien besonders mit den ungesunden Pfunden. Der Inselstaat kommt mit 63,7 Prozent auf Platz fünf im OECD-Vergleich.
Maßnahmen: Um besonders stark zuckerhaltige Getränke weniger beliebt zu machen, hat Großbritannien 2018 die sogenannte Zuckersteuer mit der offiziellen Bezeichnung „Soft Drinks Industry Levy“ (SDIL) eingeführt. Die Besteuerung ist gestaffelt je nach Höhe des Gehalts: Ab fünf Gramm Zucker pro 100 Millilitern beträgt die Steuer 18 Pence pro Liter, ab acht Gramm Zucker sind es 24 Pence pro Liter. Das gilt daneben für alkoholische Getränke mit einem niedrigen Wert bis 1,2 Prozent Alkoholgehalt. Ausgenommen sind Milchgetränke sowie Obst- und Fruchtsäfte. Seit 2022 ist daneben sogenannte Quengelware an der Supermarktkasse nicht mehr erlaubt.
Ergebnisse: Die Industrie hat auf die Steuer reagiert und den Zuckergehalt in ihren Produkten zurückgefahren. Enthielten 2015 noch fast 50 Prozent der im Supermarkt angebotenen Getränke mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter, waren es 2019 nur noch 15 Prozent. Außerdem zeigen Analysen, dass der Konsum solcher Produkte zurückgegangen ist. Eine Studie der Cambridge University ergab, dass die Zuckersteuer die Fettleibigkeit bei zehn- und elfjährigen Mädchen um acht Prozent verringert hat. Bei Jungen fand sich ein solcher Effekt allerdings nicht.
Debatte: Die Zuckersteuer ist Teil eines Maßnahmenpaketes im Kampf gegen Übergewicht. Ebenso soll es ab Oktober 2025 ein Werbeverbot für als ungesund eingestufte Lebensmittel im Fernsehen sowie im Internet geben. Eigentlich sollten diese weiteren Vorgaben bereits 2022 in Kraft treten, doch Widerstände vonseiten der Industrie hatten die Pläne zum Ärger von Organisationen wie „Action in Sugar“ verzögert.
EU: In den einzelnen Ländern ringen die politischen Lager seit Jahren um eine Zuckersteuer. Die EU setzt auf freiwillige Maßnahmen zur Zuckerreduktion in ihren Mitgliedstaaten. Einige Länder verfolgen verschiedene Modelle. Jüngst haben Spanien und Polen eine Zuckersteuer eingeführt.
Frankreich (Paris): bewegungsfördernde Verkehrswende
Körperliche Aktivität ist unerlässlich für die Prävention nichtübertragbarer Krankheiten, die die größte gesundheitliche Bedrohung in der Europäischen Region der WHO darstellen und auf die 90 Prozent aller Todesfälle zurückgehen. Zwar gab es angesichts der Bemühungen in den Mitgliedstaaten Verbesserungen zu verzeichnen, doch können die WHO-Ziele bis 2030 zur Bewegungssteigerung der Menschen wohl trotzdem nicht erreicht werden, zeigt ein Bericht der Gesundheitsorganisation Ende 2024. In Frankreich gibt es in der Hauptstadt Paris einige vorbildliche Initiativen, die durch veränderte Mobilität im öffentlichen Raum Bewegungsanreize schaffen.
Maßnahmen: Paris treibt die Verkehrswende nachdrücklich voran zugunsten des Klimas sowie der Gesundheit der Bevölkerung durch sauberere Luft und mehr Bewegung. Die Vorteile nicht-motorisierter Mobilität für Fitness sowie Volkswirtschaft belegt eine aktuelle Studie. Zu den bisherigen Maßnahmen in der Millionenmetropole zählen insbesondere der Ausbau von Rad- und Fußwegen, eine verkehrsbeschränkte Zone im Stadtzentrum, Verbot von Durchgangsverkehr sowie Tempo 30. Bürgermeisterin Anne Hidalgo kündigte in ihrer Neujahrsansprache 2025 an, Autos zum Schutz von Leben noch weiter zurückzudrängen und mehr begrünte Fußgängerzonen entstehen zu lassen. 120 Maßnahmen soll es in den kommenden zwölf Monaten dafür geben. Es seien dabei weitere geschützte Rad- und Fußwege geplant. Ziel soll es sein, Paris zu einer hundertprozentigen Fahrradstadt zu machen. Ebenso soll das U-Bahn-Angebot ausgebaut werden. Um die Luftbelastung zu reduzieren, gibt es Aktionen zu kostenlosem Parken in Wohngebieten.
Ergebnisse: 2023 stieg nach Angaben der Stadtverwaltung durch den Radwegeausbau in den ersten drei Monaten die Fahrradnutzung um 37,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Eine Erhebung des Stadtplanungsinstituts Paris Region ergab, dass 11,2 Prozent aller Wege in Paris mit dem Fahrrad zurückgelegt werden und nur noch 4,3 Prozent auf das Auto entfielen. 53,5 Prozent der Wege gingen die Befragten zu Fuß, direkt danach folgten öffentliche Verkehrsmittel mit 30 Prozent.
Debatte: Die Verkehrswende in Paris geht nicht geräuschlos über die Bühne. Vor allem Autofahrer protestieren. Die geplanten drastisch hohen Parkgebühren für SUV’s stoßen auf Ablehnung. Kritisiert wird zudem, dass Familien mit Kindern, die größere Autos bräuchten, benachteiligt würden. Durch die Verringerung von Parkplätzen und hohen Parkgebühren fürchtet der Einzelhandel Einbußen.
EU: Die Bemühungen im europäischen Raum, Luftverschmutzung und Lärmbelastung zu reduzieren und eine Verkehrswende herbeizuführen, hinken den Zielen hinterher. Das zeigen regelmäßig Berichte auf EU-Ebene. Als Gründe werden Finanzierungsprobleme, geringe Akzeptanz von Vorgaben sowie fehlende Alternativen zum Auto angegeben. Während Paris als Vorbild gilt, gehen in Deutschland Radwegeausbau, bessere Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel sowie Ladeinfrastruktur für E-Bikes nur zögerlich voran.
Mitwirkende des Beitrags
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