Medizinische Versorgungszentren auf dem Vormarsch
Die ambulante Versorgung steht vor einem Wandel: Während bei der Zahl an klassischen Vertragsarztpraxen ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist, geht die der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) steil nach oben.
Die Zahl der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sinkt kontinuierlich. Das geht aus der Ärztestatistik der Bundesärztekammer (BÄK) von 2023 hervor. So ist deren Anzahl seit 2018 um rund acht Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Zahl der angestellten Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Sektor deutlich gestiegen, seit 2018 sogar um 51 Prozent. Das liegt auch an den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ).
MVZ als attraktiver Arbeitgeber
MVZ können von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, zugelassenen Krankenhäusern, Anbietern nichtärztlicher Dialyseleistungen, ausgewählten gemeinnützigen Organisationen und anerkannten Praxisnetzen gegründet werden. Zusätzlich haben auch Kommunen die Möglichkeit, MVZ ins Leben zu rufen, um die medizinische Versorgung in ihrer Region gezielt zu stärken.
Die Zentren bieten eine patientenorientierte Versorgung aus einer Hand. Unter ärztlicher Leitung arbeiten dort ambulant tätige Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte zusammen. Zu den größten Fachgruppen gehören laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) Hausärztinnen und -ärzte, gefolgt von Chirurgie und Orthopädie sowie der fachärztlichen Inneren Medizin.
Von den im Jahr 2023 insgesamt 30.112 in den MVZ tätigen Ärztinnen und Ärzten sowie
Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten waren 1.722 als Vertragsärzte und -psychotherapeuten tätig sowie 28.390 als Angestellte. Für viele Medizinerinnen und Mediziner sind MVZ ein attraktiver Arbeitgeber, da sie neben einem Angestelltenverhältnis meist auch flexiblere Arbeitszeiten bieten.
Steigende Anzahl an MVZ
Als eigenständige Leistungserbringer in der ambulanten Versorgung verankert wurden die MVZ im Paragraf 95 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) von 2004. Ab 2016 stieg ihre Anzahl besonders stark, was unter anderem aus gesetzlichen Änderungen, wie der Einführung fachgleicher MVZ, resultierte. Davor durften diese nur fachübergreifend betrieben werden.
Im Jahr 2023 lag die Anzahl der zugelassenen MVZ laut KBV bei 4.897. Im Vergleichszeitraum von 2014 (mit 2.073 MVZ) bis 2023 (siehe Grafik) bedeutet dies eine Zunahme von rund 136 Prozent. Zum Vergleich: 2023 gab es insgesamt 98.985 vertragsärztliche Arztpraxen, das heißt Einzel- und Gemeinschaftspraxen ohne MVZ. Ihre Anzahl sank jedoch im Zeitraum von 2014 bis 2023 um rund drei Prozent. 2014 waren es noch 102.336 Praxen.
Kritik an investorengetragenen MVZ
Anders als bei Einzel- und Gemeinschaftspraxen ist bei MVZ die Inhaberschaft von der ärztlichen Tätigkeit organisatorisch getrennt. Das erleichtert es Investoren, Träger von MVZ zu werden. So gab es laut dem Transaktionsmonitor der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in den Jahren 2022 und 2023 insgesamt 186 Fusionen und Übernahmen im Gesundheitswesen. Besonders stark wuchsen dabei MVZ-Ketten, die häufig von Finanzinvestoren und strategischen Investoren aus dem Ausland getätigt werden, so die Untersuchung. Laut Schätzungen der Beratungsfirma Deloitte befanden sich im Jahr 2021 etwa 21 Prozent der damals 4.179 MVZ in Deutschland im Besitz von Private-Equity-Unternehmen.
Unterschiede bei der Versorgung konnte ein Rechtsgutachten des Bundesministeriums für Gesundheit im Jahr 2020 nicht feststellen. Es seien keine empirischen Daten vorhanden, „die belastbar – positive oder negative – Zusammenhänge zwischen Versorgungsqualität in MVZ und bestimmten MVZ-Trägern (in ärztlichem Eigenbesitz oder in Hand von Investoren) belegen könnten“.
Insbesondere Ärztevertreter sehen die Entwicklung trotzdem kritisch. So äußerte etwa Jochen Kriens, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH), im „Tagesspiegel Background“ Bedenken hinsichtlich einer überhandnehmenden Zentralisierung der ambulanten Versorgung durch (investorengetragene) MVZ. Zudem sei es für Ärztinnen und Ärzte immer schwieriger, sich niederzulassen, da sie im Bemühen um einen Kassensitz oftmals mit Private-Equity-Firmen konkurrierten. Auch die Bundesärztekammer plädiert für eine stärkere Regulierung der investorengetragenen MVZ.
Unterschiede bei Honorarumsätzen
Deutliche Unterschiede bei den Honorarumsätzen stellte 2022 eine Studie des Iges-Instituts für die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) fest. Der Auswertung zufolge erzielten MVZ pro Arztgruppenfall in Bayern, dem Bundesland mit den meisten MVZ, ein Honorarvolumen, das im Vergleich zu Einzelpraxen um 5,7 Prozent höher lag. Bei MVZ, die von Finanzinvestoren betrieben werden, stieg das Honorarvolumen sogar um 10,4 Prozent.
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