Artikel Gesundheitssystem

Vorbild Fußball: Stürmer und Spielmacher in der Gesundheitspolitik

04.07.2024 Thorsten Severin 3 Min. Lesedauer

Von der Klinikreform über die Stärkung der wohnortnahen Versorgung bis hin zur hitzigen Debatte über den Pharmastandort: Parallel zur Fußball-Europameisterschaft befinden sich auch die Gesundheitspolitiker in spannenden Matches und jeder hofft für sich auf einen Sieg. Zwischen der Politik und der Lieblingssportart der Deutschen zeigen sich jedoch noch weitaus mehr Parallelen und so mancher Gesundheitsexperte hofft bei dem ein oder anderen Vorhaben auf eine Nachspielzeit, wie eine Umfrage auf dem Instagram-Kanal des AOK-Bundesverbandes zeigt.

Foto: Carola Reimann, Karl Lauterbach, Andreas Philippi, Andrew Ullmann, Tino Sorge, Kirsten Kappert-Gonther, Kathrin Vogler, Heike Baehrens, Karl-Josef Laumann, Judith Gerlach – mit ihren Porträtbilder auf sogenannten Panini-Bilder für die Fußball-EM 2024.
Auch die Gesundheitspolitik hat das EM-Fieber erfasst.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der in diesen Wochen mit zahlreichen Gesetzesvorlagen aufwartet, sieht sich selbst in der Rolle des Stürmers, denn „Gesetze sind auch wie Tore“. Von den Tugenden eines Fußballprofis hält der SPD-Politiker vor allem „Durchsetzungsvermögen“ für eine entscheidende Eigenschaft in der Politik, da sie letztlich Ergebnisse bringe. Seine Mannschaft leitet der promovierte Arzt und Gesundheitsökonom nach eigener Einschätzung als „Spielertrainer“ auf dem Platz, denn es sei wichtig, „nah am Team“ zu sein.

Bei drohendem Scheitern die Taktik ändern

Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach, die nicht selten als Gegnerin des Bundesministers auftritt, sieht sich selbst in der Rolle der Mittelfeldspielerin. „Spielemacher spielen die Bälle zwischen den Verteidigern der Tradition und den Stürmern der Innovation“, begründet sie ihre Wahl. Auch die CSU-Politikerin führt ihr Team als Spielertrainerin. „Ich will mitgestalten und nicht von draußen zusehen“, so die 38-Jährige. Wenn ein Projekt zu scheitern droht, würde Gerlach die Taktik ändern – das würde im Übrigen auch der bekennende Fußballfan Lauterbach in einer solchen Situation sofort tun.

Der nordrhein-westfälische Ressortchef Karl-Josef Laumann hält sich ebenfalls für einen Stürmer, „der allerdings nach hinten mitverteidigt“. Abgesehen vom spielerischen Talent kommt es dem CDU-Politiker, der schon zahlreiche Ämter in Bund und Land innehatte, vor allem auf Teamgeist an. Auch er würde die Taktik ändern, wenn ein Projekt den Bach herunterzugehen droht. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Heike Baehrens, zieht in einem solchen Fall hingegen die „Kabinenpredigt“ vor, was die 68-Jährige auf ihren gelernten Beruf der Religionspädagogin zurückführt. Ihr Gegenspieler und „Stürmer“ Tino Sorge von der CDU setzt auf „Motivieren statt Meckern“. Überhaupt sieht er „Spielfreude“ als entscheidende Eigenschaft in seiner Position an, denn „Jammern gewinnt kein Spiel“. Sein Team leitet der Oppositionspolitiker am liebsten vom Spielfeldrand, wo er „das Gras wachsen hören“ kann.

Manchmal tut ein schneller Abpfiff auch in der Politik not

Und wann hätten sich die Gesundheitspolitiker einen schnellen Abpfiff gewünscht? Für Lauterbach war das ganz klar bei den Kommentaren der Wahlergebnisse zur Europawahl der Fall, bei der die Sozialdemokraten im Juni massiv an Stimmen einbüßten und die AfD stark zulegte. Tino Sorge und die Grünen-Parlamentarierin Kirsten Kappert-Gonther hätten die Corona-Krise gern schneller hinter sich gelassen. „Die Corona-Pandemie wäre am besten gleich in der ersten Spielminute beendet gewesen“, sagt auch NRW-Minister Laumann. Gerlach dagegen bekennt, dass sie sich einen Pfiff des Schiedsrichters immer dann wünscht, „wenn die AfD im bayerischen Landtag redet“. Auch SPD-Politikerin Baehrens würde auf diese Weise gerne „Schwalben von rechts außen“ unterbinden.

AOK-Bundesverbandschefin Carola Reimann hat sich zuletzt einen schnellen Abpfiff bei Lauterbachs Herz-Gesetz gewünscht, da dies „in die falsche Richtung“ gehe. Nach gegnerischen Fouls neigt die frühere niedersächsische Gesundheitsministerin dazu, unbeirrt weiterzumachen. Und im Einsatz für Versicherteninteressen weiß sie, dass sich „Ausdauer“ und ein „langer Atem“ auszahlen.

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24.06.20241 Min

„Eigentore passieren den Besten“

Von Abseits, Eigentor oder Foulspiel kann die Bayerin Gerlach am ehesten ein Eigentor verzeihen, denn das passiere schließlich „den Besten“. Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann zeigt sich besonders milde: „Wer vollen Einsatz zeigt, dem kann ich fast jeden Fehler verzeihen.“ Unions-Kollege Sorge würde vor allem bei einem „taktischen Foul, um einen Konter zu verhindern,“ ein Auge zudrücken. AOK-Vorständin Reimann schaut am ehesten über ein Abseits hinweg, denn „einen Schritt voraus zu sein, ist selten ein Fehler“.

Politik hat mit dem Fußball nicht zuletzt gemein, dass die gegnerischen Mannschaften gelegentlich länger brauchen, um zu einem klaren Ergebnis zu kommen. „Bei der stolperhaften Krankenhausreform des Bundes wird eine Nachspielzeit leider notwendig sein“, merkt Gerlach an. Die Gesundheitsexpertin der Linken, Kathrin Vogler, hat bei den Streiks der Beschäftigten im Gesundheitswesen auf eine möglichst lange Nachspielphase gehofft. „Die Krankenhausbewegungen machen Mut“, schreibt sie. Als Erfolg, der am ehesten einem verwandelten Elfmeter glich, nimmt die langjährige Abgeordnete die Abschaffung der Praxisgebühr zum Jahresbeginn 2013 für sich in Anspruch.

Lauterbach wünscht sich Verlängerung

Heike Baehrens räumt ein, dass sie in leidenschaftlichen Verhandlungen schon häufiger auf eine möglichst lange Spielzeit gehofft hat, „um das Spiel zu drehen“. Als persönlichen verwandelten Elfmeter sieht sie die Einführung der Tarifbindung in der Pflege an, die aus ihrer Sicht dringend notwendig war. Der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi freut sich in diesem Zusammenhang über die Verabschiedung des letzten Haushalts in seinem Bundesland, da damit entscheidende Voraussetzungen geschaffen worden seien. 

Lauterbach hingegen stuft ebenso wie „Ampel“-Kollegin Kappert-Gonther die Cannabisreform als eigenen Elfmeter-Erfolg ein. Der 61-jährige Bundesminister macht zudem kein Geheimnis daraus, dass er sich für sich selbst im Amt eine Verlängerung wünscht: „Ich hoffe auf die nächste Legislaturperiode.“

Einig sind sich so gut wie alle befragten Gesundheitsexpertinnen und -experten, dass die deutsche Mannschaft Europameister wird. Lauterbach, dessen Wahlkreis die Fußballmeister-Stadt Leverkusen umfasst, mutmaßt gar, dass Florian Wirtz in der 94. Minute das 2:1 im Finale gegen Frankreich erzielen wird.

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