Blickwinkel Gesundheitssystem

Jacobs' Weg: Rote Linie überschritten – Wissenschaft ist gefordert

26.06.2024 Klaus Jacobs 3 Min. Lesedauer

Im Referentenentwurf für ein „Gesundes-Herz-Gesetz“ wird die Axt an zentrale Errungenschaften der gesetzlichen Krankenversicherung gelegt. Auch die Wissenschaft muss das verhindern.

Foto: Ein Stethoskop liegt auf einer Herzfrequenz, die mit Kreide gezeichnet ist.
Das geplante Gesunde-Herz-Gesetz soll zur Senkung der Krankheitslast durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zur Stärkung der Herz-Kreislauf-Gesundheit in Deutschland beitragen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist als Wissenschaftler in die Politik gegangen, um einen Beitrag zu leisten, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zum Wohle der Menschen möglichst schnell bei diesen ankommen. Das ist speziell in der Gesundheitspolitik aller Ehren wert. Doch heiligt allein die gute Absicht eines Ministers noch keineswegs alle Mittel. Das gilt gerade auch aus Sicht der Menschen, denen er helfen will.

Warum die Aufregung, was ist geschehen? Aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist der Entwurf für ein „Gesundes-Herz-Gesetz“ in die Öffentlichkeit gelangt. Damit soll zur Senkung der Krankheitslast durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und zur Stärkung der Herz-Kreislauf-Gesundheit in Deutschland beigetragen werden. So begrüßenswert dieses Ziel, so umstritten sind die im Gesetzentwurf vorgesehenen Instrumente. So spricht der AOK-Bundesverband von einem „Pillen-statt-Prävention-Gesetz“. Hinterfragt wird auch der hohe Stellenwert der Früherkennung, ohne dass dazu entsprechende Evidenz vorliegt. Beides und vieles andere wird noch gründlich zu diskutieren sein.

„Das BMG soll ermächtigt werden, bei der Bestimmung von Gesundheitsuntersuchungen zwei zentrale Merkmale der gesetzlichen Krankenversicherung außer Kraft zu setzen.“

Prof. Dr. Klaus Jacobs

Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK

Foto: Porträtbild von Prof. Dr. Klaus Jacobs, Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
Prof. Dr. Klaus Jacobs

Es genügt aber schon ein einziger Absatz in einem neu vorgesehenen Paragrafen, um das Selbstverständnis des Gesetzentwurfs grundlegend zu hinterfragen. Danach soll das BMG ermächtigt werden, bei der Bestimmung von Gesundheitsuntersuchungen zwei zentrale Merkmale der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) außer Kraft zu setzen: dass Qualität und Wirksamkeit der GKV-Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen müssen und dass bei diesen Leistungen das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt. Über so etwas darf ein Minister nicht einmal nachdenken.

Es ist Sache von Regierungsfraktionen und Kanzleramt klarzustellen, dass diese Regelung weder im Interesse des Bundestags noch der Bundesregierung inklusive BMG selbst liegt – im Interesse der GKV und ihrer Beitragszahlenden schon gar nicht. Es ist vor allem aber auch Sache der Wissenschaft – einschließlich aller Mitglieder politischer Beratungsgremien –, dem Minister unmissverständlich deutlich zu machen: Jede willkürliche Öffnungsklausel für den seit 20 Jahren in der GKV beschrittenen Weg der Evidenzbasierung erweist auch der Wissenschaft einen Bärendienst und wird deshalb auf ihren erbitterten Widerstand stoßen.

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