„Die Zukunft des Paktes ist ungewiss"
Nach der Pandemie sind 5.000 neue Stellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) entstanden. Der Pakt für den ÖGD hat auch die Digitalisierung vorangebracht. Doch die Finanzierung ist nur bis Ende 2026 gesichert, warnt die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des ÖGD, Kristina Böhm.
Frau Dr. Böhm, ist der ÖGD jetzt besser auf eine Gesundheitskrise vorbereitet?
Dr. Kristina Böhm: Jein! Tatsächlich hat es in den Gesundheitsämtern einen wichtigen und überfälligen Personalzuwachs im Rahmen des Paktes für den ÖGD gegeben – sowohl zahlenmäßig als auch qualitativ. Es sind mehr als 5.000 Stellen geschaffen worden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Finanzierung dieser Stellen ist aber nur bis Ende 2026 sichergestellt. Leider müssen wir feststellen, dass wegen der Unklarheit über die Fortführung des Paktes nach 2026 in den Kommunen bereits wieder „kreativ“ Stellen abgewickelt werden. Damit wird leider wieder unsicherer, ob für künftige Krisen das notwendige Personal mit entsprechenden Qualifikationen zur Verfügung steht.
Liegt denn die Umsetzung der bisher im Pakt für den ÖGD vereinbarten Maßnahmen im Zeitplan?
Böhm: Grundsätzlich ja. Aber zusätzlich zur Unsicherheit über die Fortsetzung des Paktes haben natürlich auch die Gesundheitsämter mit dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel zu kämpfen. Besetzungsverfahren können sich länger hinziehen oder bleiben erfolglos.
Der ÖGD ist föderal strukturiert. Gibt es regionale Unterschiede bei der Umsetzung des Paktes?
Böhm: Ja, die gibt auf jeden Fall. Der ÖGD war schon vor Corona sehr heterogen aufgestellt. Diese Unterschiede konnten mit dem Pakt für den ÖGD nicht wirklich beseitigt werden. Von einem zentralem ÖGD – zum Beispiel in Bayern – bis zur Aufstellung im Rahmen kommunaler Selbstverwaltung ist alles dabei. Und auch zwischen Stadt und Land gibt es große Unterschiede. Ein „Ranking“ gibt es meines Wissens nicht. Wir haben aber jetzt zumindest die Möglichkeit, über das Statistische Bundesamt die Abfragen des Bundesgesundheitsministeriums zur bundesweiten Situation des ÖGD abzurufen.
Wie steht es um neue, auf den Erfahrungen der Pandemie aufbauende Konzepte – etwa Notfallpläne, um gegebenenfalls schnell wieder eine Test- oder Impfzentren-Struktur aufbauen zu können?
Böhm: Leider lässt sich das nicht so einfach beantworten. An konkreten Empfehlungen des Beirats für den ÖGD-Pakt mangelt es nicht. Ob und wie das aber in den Kommunen und auf der Länderebene jetzt inzwischen geregelt oder verbindlich umgesetzt ist beziehungsweise wurde, kann ich nicht überschauen. Einzelne Bundesländer, etwa Nordrhein-Westfalen und Hessen, novellieren gerade ihre Gesundheitsdienst-Gesetze, um entsprechende Grundlagen zu fixieren. Mit dem Kritis-Dachgesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen, darunter auch das Gesundheitswesen, sollte eine bundesweite Grundlage geschaffen werden. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf im November 2024 verabschiedet. Es ist dann aber wegen des Koalitionsbruchs nicht mehr vom Bundestag verabschiedet worden.
In den ersten Monaten der Pandemie haperte es teils deutlich an der Kommunikation der Gesundheitsämter untereinander. Der Kontakt zu Arztpraxen und Kliniken lief vor allem über Fax. Was hat sich hier getan?
Böhm: Die bundesweite IT-Lösung für die Meldung von Infektionskrankheiten entsprechend dem Infektionsschutzgesetz ist grundsätzlich die Software Demis. Diese „Datenautobahn“ zwischen Krankenhäusern, Laboren und Gesundheitsämtern funktioniert de facto gut. Unbenommen davon benutzen die Gesundheitsämter weiterhin ihre jeweilige Fachsoftware, zum Beispiel ISGA, OctoWare oder auch SurvNet. Die Plattform Agora als Austausch-Plattform unter anderem für die Gesundheitsämter befindet sich noch im Aufbau und wird noch nicht flächendeckend genutzt. Meldungen von Arztpraxen kommen immer noch über verschiedene Wege: Post, Telefon, Fax. Ob und wie Demis mit den verschiedenen Praxissoftware-Systemen harmonisiert, kann ich derzeit nicht abschätzen.
Sie sind Mitglied im ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz der Bundesregierung. Ist das ein Alibi-Gremium oder werden Ihre Ratschläge ausreichend wahrgenommen und auch umgesetzt?
Böhm: Die Arbeit im Gremium erfolgt auf einem hohen fachlichen und wissenschaftlichen Niveau und sehr kollegial. Die von mir eingebrachten Aspekte und Erfahrungen aus dem ÖGD werden wahrgenommen und finden auch Eingang in die Stellungnahmen.
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