Artikel Gesundheitssystem

ePA – ein Mammutprojekt mit offenen Baustellen  

26.02.2025 Maria Sinjakowa 3 Min. Lesedauer

Griffbereite Behandlungsdaten, weniger Doppeluntersuchungen, ein reibungsloser Informationsfluss zwischen Arztpraxen, Kliniken und Apotheken – die elektronische Patientenakte (ePA) soll die Gesundheitsversorgung effizienter und transparenter machen. Inzwischen haben die Krankenkassen über 70 Millionen gesetzlich Versicherte mit einer digitalen Akte ausgestattet. Doch der flächendeckende Einsatz verzögert sich. Technische Herausforderungen und die Verbesserung der Sicherheit bleiben dabei zentrale Themen.

ein Mann mittleren Alters steht am Tresen einer Praxis und gibt einer Arzthelferin seine Krankenkassenkarte
Die Pilotphase zur elektronischen Patientenakte (ePA) hat begonnen.

Anfang Februar war es soweit. 26,4 Millionen digitale Akten hat die AOK für ihre Versicherten angelegt. Nur knapp 3,8 Prozent der AOK-Versicherten hatten zu diesem Zeitpunkt dem Anlegen einer ePA widersprochen. „Damit ist der erste entscheidende Schritt getan“, erklärt Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. „Nun gilt es, Arztpraxen, Krankenhäuser und weitere Leistungserbringer sicher anzuschließen und in der praktischen Anwendung der ePA zu trainieren.“ Ziel sei es, die Akten schnell mit Inhalten zu füllen und damit die Versorgung der Patienten zu verbessern.

Derzeit wird die ePA in drei Modellregionen mit etwa 300 teilnehmenden Einrichtungen erprobt: in Hamburg und Umland, Franken sowie in Teilen Nordrhein-Westfalens. Die Pilotphase soll vor dem bundesweiten Roll-out reibungslose Abläufe bei allen beteiligten Akteuren gewährleisten und dabei helfen, Probleme zu erkennen und zu beheben. Viele Arztpraxen und Kliniken haben aktuell noch mit technischen und organisatorischen Hürden zu kämpfen und berichten, die ePA noch nicht richtig testen zu können.

Testphase zeigt noch viele Hürden

Bei den niedergelassenen Ärzten zeigt sich bislang ein gemischtes Bild. „Obwohl die Testphase in den Modellregionen seit vier Wochen läuft, ist das Ergebnis bislang sehr ernüchternd: Noch immer kann von den rund 230 Testpraxen erst ein Drittel fehlerfrei auf die ePA zugreifen. Wir können also noch gar nicht sagen, ob die ePA funktioniert.“, sagt Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die Erprobungspraxen seien motiviert, doch „ihnen sind oft noch die Hände gebunden“. Hier hapert nach Angaben der KBV auch bei der Implementierung des ePA-Moduls in die Praxisverwaltungs-Software der Praxen: Knapp ein Viertel, so die KBV auf ihrer Website, habe überhaupt noch kein ePA-Modul.

Auch in den Kliniken ist die ePA bislang nur begrenzt im Einsatz. „In den ersten Wochen der Pilotierung stehen in den Krankenhäusern die technischen Vorarbeiten und Systemtests im Vordergrund, bevor die ePA im Versorgungsalltag eingesetzt werden kann“, erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Der Prozess sei dort deutlich komplexer als in Arztpraxen. Die Hersteller statteten die zirka 20 an der Pilotierung beteiligten Krankenhäuser sukzessive mit den notwendigen Updates aus. „Einzelne Krankenhäuser konnten bereits mit dem Einsatz der ePA im Versorgungsalltag beginnen, doch viele warten noch auf notwendige Software-Updates.“ 

„Noch immer kann von den rund 230 Testpraxen erst ein Drittel fehlerfrei auf die ePA zugreifen. “

Dr. Sibylle Steiner

Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Datensicherheit und Praxistauglichkeit sind von entscheidender Bedeutung

Zudem melden sich immer wieder Fachleute zu Wort, die die Sicherheit des Systems in den Fokus rücken. Die Gematik, die für die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen verantwortlich ist, betont immer wieder, dass die ePA nach höchsten Sicherheitsstandards entwickelt worden sei. Doch nicht alle sind überzeugt. Der Chaos Computer Club (CCC) hat Ende 2024 potenzielle Schwachstellen aufgezeigt. In einer Stellungnahme räumte die Gematik ein, dass die theoretischen Angriffsszenarien technisch möglich gewesen wären – ihre Umsetzung in der Praxis jedoch „unwahrscheinlich“ sei, da mehrere Sicherheitsvorkehrungen überwunden werden müssten.

Um die Sicherheit weiter zu erhöhen, setzt die Gematik in der Pilotphase zusätzliche Schutzmaßnahmen um. Dazu zählen die Verschlüsselung der Krankenversichertennummer, eine verstärkte Überwachung durch Anomalie-Erkennung und eine Sensibilisierung der Nutzerinnen und Nutzer im Umgang mit der Telematikinfrastruktur. „Die ePA für alle wurde und wird mit höchsten und modernsten Sicherheitsstandards gebaut“, heißt es seitens der Gematik. Um vor dem bundesweiten Rollout weitere Sicherheitslösungen umzusetzen, ist der Zugriff auf die ePA in der Pilotphase auf ausgewählte Einrichtungen beschränkt.

„Die Krankenhäuser erfüllen bereits hohe branchenspezifische Sicherheitsstandards, die auch den Schutz der Patientendaten im Krankenhaus umfassen.“

Dr. Gerald Gaß

Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft

„Die Sicherheit der sensiblen Gesundheitsdaten muss oberste Priorität haben“, betont AOK-Vorständin Reimann. „Daher ist es gut, dass die Verantwortlichen die Pilotphase nutzen, um vor dem bundesweiten Rollout alle nötigen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und Praxistauglichkeit umzusetzen.“

Auch für die DKG haben Datenschutz und IT-Sicherheit für die Kliniken höchste Relevanz. „Die Krankenhäuser erfüllen bereits hohe branchenspezifische Sicherheitsstandards, die auch den Schutz der Patientendaten im Krankenhaus umfassen. Derzeit prüfen wir, ob über die bestehenden Maßnahmen hinaus zusätzliche Anpassungen notwendig sind, wenn künftig weitere Datenkategorien aus der ePA in das Krankenhaus-Informationssystem übernommen werden“, so Gaß. Die DKG geht davon aus, dass die Hersteller der Systeme nicht in der Lage sein werden, die notwendigen Module in kürzester Zeit allen Krankenhäusern zur Verfügung zu stellen. Laut einer DKI-Umfrage rechnen 54 Prozent der Krankenhäuser damit, dass sie für die technische Umsetzung aller Voraussetzungen bis zu einem Jahr benötigen werden. 44 Prozent gehen davon aus, dass es bis zu drei Monate dauern wird. Entscheidend für den bundesweiten Start sei, dass die vom CCC aufgezeigten potenziellen Sicherheitslücken der ePA geschlossen und die Praxistauglichkeit in der stationären Versorgung sichergestellt werden könne.

Für KBV-Vorstandsmitglied Steiner muss die Testphase zwingend dazu genutzt werden, Kinderkrankheiten der ePA zu erkennen und das Zusammenspiel mit anderen TI-Anwendungen zu überprüfen. Entscheidend sei, dass die ePA reibungslos in den Praxen funktioniert. „Das ist eine zwingende Voraussetzung, um einen bundesweiten Rollout zu starten“, sagt die Steiner. Ein ebenso wichtiger Aspekt bleibe die Datensicherheit. Sie betont, dass sowohl für Ärzte als auch für Patienten das Vertrauen in die Sicherheit der ePA eine „Grundvoraussetzung für die Akzeptanz“ sei.

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Erfolg der ePA hängt vom Vertrauen der Versicherten ab

Ob die ePA wie geplant im Frühjahr bundesweit eingeführt wird, bleibt offen. Mitte März soll die Entscheidung fallen. „Die Umsetzung zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen verläuft weiterhin wie vorgesehen und ist ein maßgebliches Kriterium für den bundesweiten Rollout“, erklärt die Gematik.

Doch selbst wenn die technischen Schwierigkeiten gemeistert werden, bleibt nach Ansicht der KBV eine weitere Herausforderung: die Akzeptanz der Versicherten. „Damit die Integration in den Praxisalltag gelingt, erwarten wir von den Krankenkassen, dass sie ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen und ihre Versicherten umfassend über die ePA informieren“, sagt Steiner. Eine repräsentative AOK-Umfrage hatte im Sommer 2024 großes Interesse der Versicherten an der ePA gezeigt: 77 Prozent der Befragten interessieren sich für die Akte und möchten künftig Gesundheitsdaten wie Arztbriefe oder Labordaten einsehen.

Viele Mediziner sehen in der ePA grundsätzlich einen Gewinn, insbesondere in Notfallsituationen, bei Unfällen oder Behandlungen im Bereitschaftsdienst sowie für chronisch und schwer kranke Menschen, bei denen mehrere Ärzte in die Therapie involviert sind. Die ePA könnte die Gesundheitsversorgung in Deutschland revolutionieren, indem sie die Vernetzung zwischen behandelnden medizinischen Einrichtungen fördert. Die kommenden Wochen müssen dafür genutzt werden, um die notwendige Sicherheit und Praxistauglichkeit nachzuweisen. Der entscheidende Faktor für den Erfolg der ePA neben der Akzeptanz der Ärzteschaft bleibt jedoch das Vertrauen der Versicherten. Nur wenn sie überzeugt sind, dass ihre Daten geschützt und ihre Versorgung tatsächlich verbessert werden, kann die ePA ihr volles Potenzial entfalten.

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