Gesundheitsaspekte beim Klimawandel zu wenig beachtet
Mit einer Strategie zur globalen Gesundheit will Deutschland dabei helfen, die gesundheitliche Situation aller Menschen weltweit zu verbessern. Wichtige Unterstützung kommt hier von nichtstaatlichen Akteuren, die sich jetzt im Bundesgesundheitsministerium zum Austausch mit der Politik getroffen haben.
Wie ist es um die Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit bestellt? Darüber hat sich jetzt das Netzwerk Global Health Hub Germany aus nichtstaatlichen Akteuren mit der Politik im Bundesgesundheitsministerium ausgetauscht. Denn 2020 hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt: „Die Wirksamkeit und die Dauerhaftigkeit des deutschen Engagements im Bereich der globalen Gesundheit sicherzustellen, um einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheit aller Menschen weltweit bis 2030 zu leisten.“
Gespanntes Warten auf Pandemieabkommen
Welche besondere Bedeutung die Bewältigung der Klimakrise für die globale Gesundheit hat, führte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum Auftakt aus. „Gesundheitsaspekte sind beim Klimawandel viel zu wenig beachtet worden“, erklärte der SPD-Politiker. Das Risiko neuer Pandemien steige exponentiell mit dem Klimawandel, bei dem bestehende Phänomene nicht geringer würden und neue hinzukämen, die nur schwer zu verstehen seien. Hinzu käme, dass die Ressourcen im Kampf gegen die Klimaveränderungen zunehmend mit den Mitteln zur Wahrung der internationalen Sicherheit konkurrierten.
Um kommende Pandemien frühzeitig abzuwenden, sei ein internationales Abkommen „dringend nötig“. Auf der Weltgesundheitsversammlung im Mai soll die Entscheidung darüber fallen. Doch trotz langer Verhandlungen gäbe es kurz vor Abschluss noch kein Ergebnis, „mit dem man wirklich zufrieden sein kann", so der Minister. Daher liefen intensive Gespräche mit den G7- und G20-Staaten. Die Kräfte müssten gebündelt und Zuständigkeiten klar geregelt werden. Die Hälfte der Weltbevölkerung sei nicht gut gerüstet für Pandemien. Es gelte den „One Health“-Ansatz weiter zu verfolgen und den Aufbau von Gesundheitssystemen nicht zu vernachlässigen.
Strategie hat fünf Kernthemen im Blick
Die große Relevanz der Klimakrise für die Gesundheit untermauerte auch Marion Schulte zu Berge, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. Aus Sicht des Gremiums sollten Klima und Gesundheit nicht nur eins der fünf Kernthemen in der Strategie der Bundesregierung sein, sondern „das wichtigste Thema“. Denn „wir wissen, dass unsere Lebensstile uns krank machen“, so Schulte zu Berge. Mit schlechter Ernährung schadeten sich die Menschen nicht nur selbst, sondern auch der Umwelt. Ebenso sei dies bei zu wenig Bewegung und zu viel Nutzung des Autos der Fall. Um den Problemen global entgegenzuwirken: „sollten die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass alle Menschen weltweit in der Lage sind, gesundheitsförderliche und nachhaltige Entscheidungen zu treffen“. Umwelt und Klima gelte es, systematisch und flächendeckend in Gesundheitspolitik und Gesundheitssysteme einzuweben.
Weiteres Kernthema der Strategie ist die Prävention. Dass Deutschland im europäischen Vergleich trotz überdurchschnittlich hoher Ausgaben auf eine geringere Lebenserwartung im Vergleich kommt, nannte Viyan Sido, Fachärztin für Herzchirurgie an den Asklepios-Kliniken in Hamburg, „ernüchternd“. Gründe hierfür sieht sie in der noch mangelhaften Krankheitsbekämpfung und Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Gesundheitsprobleme verursachten 40 Prozent aller Sterbefälle. Ein Hauptfaktor neben Tabak und Alkohol dabei: Übergewicht. Sido sprach sich daher für die Einführung einer Zuckersteuer aus, wie bereits in einigen Ländern geschehen.
Ebenfalls Teil der Strategie ist die Stärkung der Gesundheitssysteme. Ohne diese „kann kein Zugang zu Gesundheitsleistungen erreicht werden und auch keine finanzielle Absicherung im Krankheitsfall“, stellte Wilm Quentin, Professor für Planetary & Public Health an der Universität Bayreuth, heraus. Mit Blick auf globale Gesundheitssicherheit seien verbindliche Regelungen wichtig, die „Gerechtigkeit im Zentrum haben“, sagte Mareike Haase, Vorstandsmitglied des Verbands Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe. Beim fünften Punkt der Strategie, Forschung und Innovation, unterstrich Thomas Wiegand, Leiter des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institutes, die Herausforderung, wie mithilfe Künstlicher Intelligenz geschaffene Neuerungen in Gesundheitssysteme eingeführt werden können, besonders in „Low-Income-Settings“.
Messbarkeit der Ziele gefordert
Um die Ziele der Strategie für die globale Gesundheit zu erreichen, sei es wichtig, dass Europa „an einem Strang ziehe“, forderte Andrew Ullmann, Vorsitzender des Unterausschusses für globale Gesundheit. In den Niederlanden und Frankreich gäbe es bereits ebenfalls eine nationale Strategie. Nun müssten weitere Staaten überzeugt werden, „eine Strategie für globale Gesundheit langfristig auf die politische Agenda zu setzen“, so der Bundestagsabgeordnete. Eine der größten Aufgaben im Zuge der Strategie seien „messbare Indikatoren“, befand Sophie Gepp, Co-Vorsitzende des Lenkungskreises des Global Health Hub Germany. An dieser Stelle käme den nichtstaatlichen Akteuren eine besondere Bedeutung mit dem Einbringen ihrer Perspektive und Kenntnisse zu – auch, um Zielkonflikte aufzulösen.
Kritisch aus Sicht der WHO ist laut Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung, unter anderem beim Thema globale Gesundheit das Abwerben von medizinischen Fachkräften finanzstarker Länder aus weniger gut situierten Staaten, denn der Mangel an qualifiziertem Personal sei ein weltweites Problem.
Netzwerk freut sich über guten Austausch
Eine positive Bilanz zog die Geschäftsführerin des Global Health Hub Germany, Corinna Heineke, nach dem Treffen. „Wir freuen uns sehr über das große Interesse an unserem Austausch zur Global-Health-Strategie der Bundesregierung. Über 200 Teilnehmende diskutierten über Fortschritte, Herausforderungen und mögliche Anpassungen. Das hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen“, sagte sie auf Nachfrage von G+G. Es zeige das große Engagement nichtstaatlicher Akteure im Bereich der globalen Gesundheit und Verbindlichkeit im deutschen Beitrag für Gesundheit und Wohlergehen weltweit. In den kommenden sechs Wochen sollen im Nachgang der Veranstaltung Akteure aus dem nichtstaatlichen Raum die Gelegenheit haben, ihre Sicht auf die Strategie auch schriftlich in einer Umfrage des Netzwerkes einzubringen.
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