Artikel Gesundheitssystem

Wegbereiter der Digitalisierung

18.09.2024 Stefanie Roloff 4 Min. Lesedauer

Als sichere Datenautobahn soll die Telematikinfrastruktur (TI) alle Akteure im Gesundheitswesen miteinander vernetzen. Doch bei ihrer Umsetzung gibt es einige Hürden zu meistern.

Symbolbild einer Ärztin im weißen Kittel. Sie hält einen Block in der linken Hand. Mit der rechten bedient sie vor sich ein digitales Panel mit verschiedenen medizinischen Symbolen, die um die Silhouette eines Patienten kreisen.
Die Telematikinfrastruktur führt Gesundheitsinformationen gebündelt zusammen.

Vom E-Rezept bis zur „elektronischen Patientenakte (ePA) für alle“: Die Telematikinfrastruktur (TI) ist die Grundlage für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Über die TI können Ärzte, Apotheken, Kliniken und Krankenkassen nach Einwilligung der Patienten medizinische Daten verschlüsselt austauschen sowie untereinander und mit den Versicherten kommunizieren. Dabei haben sie unterschiedliche Befugnisse und Zugangsrechte – mit strengen Anforderungen an den Datenschutz.

Den Grundstein für die TI legte das GKV-Modernisierungsgesetz 2004. Die Bundesregierung hat die ein Jahr später gegründete Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mb (gematik) beauftragt, diese umzusetzen. Jedoch verlief die Entwicklung schleppend, bis das „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health-Gesetz) im Jahr 2015 die Einführung vorantrieb. Doch weiterhin sind einige Hürden zu überwinden.

Hohe Sicherheitsstandards nötig

So stellt der voranschreitende Ausbau der TI umfangreiche Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beleuchtet die Bedrohungslage im Gesundheitswesen regelmäßig. „Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Bedrohungslage im Gesundheitswesen stark schwankend ist“, sagt eine Sprecherin des BSI. Dabei sei die Art der Angriffe auf die TI nicht anders als beim Rest des Gesundheitswesens. Aufgrund des besonders hohen Potentials von Auswirkungen erfolgreicher Angriffe, wie etwa dem möglichen Missbrauch von sensiblen personenbezogenen Daten, würden jedoch bei der TI besondere Schutzmaßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen getroffen. Unter anderem werde die gematik konzeptionell „nach umfassenden Beteiligungsverfahren durch Sicherheitsexperten fortentwickelt“, so die Sprecherin (fachportal.gematik.de und gemspec.gematik.de).

Außerdem würden sicherheitsrelevante Dokumente dem BSI und der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) zur Bewertung vorgelegt, aber auch den Gesellschaftern der gematik und Vertretern der Industrie. „Bevor Dienste und Komponenten der Telematikinfrastruktur in Betrieb genommen werden, werden diese durch ein Zulassungsverfahren der gematik nach §325 SGB V auf Sicherheit und Funktionsfähigkeit geprüft“, so die Sprecherin des Bundesamtes. Im laufenden Betrieb wiederum werde die Sicherheit der Telematikinfrastruktur durch das „Cyber Defence Center“ und das „Computer Emergency Response Team“ der gematik überwacht.

Ausblick auf die TI 2.0

Schaubild zur Telematikinfrastruktur: Dargestellt ist eine Patientin in der Mitte und um sie herum die Akteure im Gesundheitswesen sowie ihre Zugangsmöglichkeiten zur TI

Momentan befindet sich die TI in einer Umstellungsphase hin zur sogenannten TI 2.0, die bis 2025 vollständig eingeführt werden soll. Geplant sind zum einen wichtige technische Neuerungen, wie die flächendeckende Ablösung des bisher notwendigen lokalen Konnektors durch cloudbasierte Lösungen zur TI-Anbindung. So können Einrichtungen ganz einfach über das Internet und von überall auf die TI zugreifen. Außerdem in Planung ist, weitere Gesundheitsberufe, wie Pflegekräfte und Physiotherapeuten, an die TI anzubinden. Um all dies gezielt voranzutreiben, soll auf Basis des „Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes“ ein Ausbau der gematik zur Digitalagentur Gesundheit erfolgen.

Foto: Bildschirm von einem Tablet in dem eine G+G Story zu sehen ist
Weniger Papierkram und mehr Zeit für den Patienten – das wünschen sich viele Ärztinnen und Ärzte. Sichere Infrastrukturen und standardisierte Kommunikation können helfen. Wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen jetzt schon voranschreitet und wie sie in Zukunft aussehen könnte, das erfahren Sie in unserem neuen digitalen Format G+G Story.
18.09.20241 Min

Glossar

elektronische Gesundheitskarte (eGK):

  • seit 2015 verpflichtend
  • ermöglicht Identifikation von Versicherten
  • erlaubt Zugriff auf Gesundheitsdaten und digitale Dienste, wie E-Rezept und zukünftig auch die ePA

elektronische Patientenakte (ePA):

  • seit 2021 verfügbar
  • sichere Speicherung von Gesundheitsdaten
  • Einführung der „ePA für alle“ ab 2025, wird automatisch zur Verfügung gestellt mit möglichem Widerspruch

E-Rezept:

  • seit 2024 für alle Arztpraxen verpflichtend
  • digitale Übermittlung von Rezepten von der Arztpraxis zur Apotheke

Kommunikation im Gesundheitswesen (KIM):

  • Einführung ab 2020
  • ermöglicht sichere und rechtsverbindliche elektronische Kommunikation zwischen Akteuren im Gesundheitswesen
  • verschlüsselte Übertragung von medizinischen Dokumenten

Mehr Nutzerfreundlichkeit gewünscht

Neben all ihren Errungenschaften löst die schrittweise Umsetzung der TI auch Unsicherheiten und Vorbehalte aus – sowohl bei den Gesundheitsakteuren als auch bei den Patienten. So wollen dem TI-Atlas 2024 der gematik zufolge zwar 61 Prozent der befragten Versicherten die ePA aktiv nutzen. Jedoch ist lediglich elf Prozent die „epA für alle“ bekannt. Und obwohl die Mehrheit der medizinischen Einrichtungen mittlerweile an die TI angeschlossen ist, wünschen sich viele noch mehr Informationen, beispielsweise 44 Prozent der Krankenhäuser und 41 Prozent der Arztpraxen.

„Die Erwartungen an digitalisierte, sektorübergreifende Prozesse sind sowohl bei den Patientinnen und Patienten als auch bei Ärztinnen und Ärzten hoch“, sagt dazu Erik Bodendieck, Co-Vorsitzender des Ausschusses „Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung“ der Bundesärztekammer (BÄK). Zugleich aber befürchteten Patientinnen und Patienten, dass ihre Daten an Versicherungen oder für unklare Forschungsvorhaben preisgegeben werden, ohne dass sie ausdrücklich zugestimmt haben. „Hier bedarf es noch sehr viel Aufklärungsarbeit.“

Bodendieck bemängelt zudem, dass sich die medizinische Versorgung durch die Telematikinfrastruktur bislang nicht spürbar verbessert habe. Nach einem holprigen Start gehörten zwar das E-Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) weitestgehend zum ärztlichen Praxisalltag – und minderten so manchen bürokratischen Aufwand. „Medizinische Anwendungen der Telematikinfrastruktur wie etwa die ePA, das Notfalldatenmanagement oder der elektronische Medikationsplan führen jedoch aktuell ein Schatten-Dasein,“ so der Digitalexperte. Die Hoffnung läge nun auf der „ePA für alle“. Spannend sei, wie diese akzeptiert werde und wie viele Patientinnen und Patienten von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen würden. Vor diesem Hintergrund fordert der Co-Vorsitzende des BÄK-Ausschusses eine „Betriebsstabilität der Telematikinfrastruktur und ihrer Anwendungen“. Eine entscheidende Rolle komme dabei vor allem Anbietern von Praxisverwaltungssystemen zu. Wünschenswert sei außerdem „ausreichend Zeit für eine Erprobung der Anwendungen im Echtbetrieb“.

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