Artikel Versorgung

Recht: Kein Anspruch auf bestimmten Operateur

22.01.2024 Anja Mertens 5 Min. Lesedauer

Krankenhauspatienten können ohne ausdrückliche Vereinbarung mit der Klinik keinen bestimmten Arzt für einen chirurgischen Eingriff verlangen.

Symbolbild eines Paragraphenzeichen, das auf einem geöffneten Buch steht

Urteil vom 25. August 2023

– 1 U 100/22 –
Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken

Zwischen Arzt und Patient kommt zu Beginn einer Behandlung ein Vertrag zustande. Bei einem stationären Aufenthalt eines gesetzlich versicherten Patienten besteht der Behandlungsvertrag in der Regel nur mit dem Krankenhausträger (sogenannter totaler Krankenhausaufnahme­vertrag). Bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag entsteht kein eigenes Vertragsverhältnis zwischen Patient und Arzt, auch nicht mit dem Chefarzt des Krankenhauses. Dafür wäre ein Arztzusatzvertrag erforderlich. Wie steht es dann um die Patientenrechte, wenn Patienten eine fehlerhafte Behandlung vermuten? Eine Frage, die das Saarländische Oberlandesgericht zu entscheiden hatte.

In dem Fall ging es um eine heute 48-jährige Frau, bei der im Jahr 2011 ein Bandscheibenvorfall festgestellt wurde. Wegen starker Schmerzen folgten zahlreiche Behandlungen durch verschiedene Orthopäden und Neurochirurgen sowie Reha-Maßnahmen. Da der Erfolg ausblieb, besprach sie mit dem Arzt einer Gemeinschafts­praxis, der selbst in einer Klinik operierte, weitere Möglichkeiten. Schließlich wurde mit der Klinik ein OP-Termin vereinbart. Die Aufklärung erfolgte durch einen Arzt der Klinik. Am 7. Oktober 2015 führte dieser Arzt bei der Frau eine Sequestrektomie durch und ­setzte ein Barricaid-Implantat ein, das künftige Bandscheibenvorfälle verhindern sollte. Bei diesem chirurgischen Eingriff war ein Be­rater des Medizinprodukteherstellers anwesend.

Weiter Schmerzen nach OP

Nach dem Eingriff bestanden die Schmerzen fort, sodass im November 2015 eine Korrektur des Implantatsitzes versucht wurde. Weil die Patientin aber weiterhin über starke Schmerzen klagte, wurde 2016 in einem anderen Krankenhaus eine Versteifungsoperation durchgeführt. Infolge der chirurgischen Eingriffe ist die Frau inzwischen wegen voller Erwerbsminderung verrentet.

Ihr Ehemann hielt die beiden ersten Implantat-Operationen für fehlerhaft und verlangte von Klinik und behandelnden Ärzten für seine Frau Schmerzensgeld von mindestens 40.000 Euro, über 44.000 Euro Schadenersatz und weitere 8.625 Euro für vorgerichtliche Anwaltskosten. Weil seine Frau den Haushalt nicht mehr führen könne und nicht mehr arbeits- und verdienstfähig sei, forderte er zudem eine monatliche Rente in Höhe von 2.647 Euro.

Falsche Erwartung

Foto eines abgedunkelten Operationssaals, in dem operiert wird
Welcher Arzt operiert, entscheiden in der Regel die Krankenhäuser.

Seine Frau sei nach den Gesprächen davon ausgegangen, dass der Arzt aus der Gemeinschaftspraxis die Erstoperation durchführen würde. Tatsächlich habe aber ein anderer Arzt der Klinik operiert. Bei korrekter Benennung des tatsächlichen Operateurs hätte sie dem Eingriff nicht zugestimmt. Außerdem sei das Implantat in falscher Größe eingesetzt worden, und ohne ihr Wissen habe ein Medizin­produkteberater an der OP teilgenommen. Hätte seine Frau vorher davon gewusst, hätte sie nicht in die OP eingewilligt.

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Einwilligung wirksam

Die Klage scheiterte sowohl vor dem Land- als auch vor dem Oberlandesgericht. Weder sei die ­erste Operation mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig ge­wesen. Noch habe der Kläger einen Behandlungsfehler nachgewiesen. Bei Abschluss eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages ­stehe „dem Krankenhausträger das Recht zu, sich für die Behandlung seines gesamten Personals zu bedienen“, urteilten die Gerichte. Demnach sei die unbeschränkt erteilte Einwilligung der Patientin nicht deshalb unwirksam, weil sie davon ausging, dass ein bestimmter Arzt operieren würde, aber dann ein anderer Krankenhausarzt den Eingriff vorgenommen habe. Wolle der Patient, der keinen Arztzusatzvertrag geschlossen hat, seine Einwilligung auf einen bestimmten Operateur beschränken, müsse er dies eindeutig zum Ausdruck bringen und gegebenenfalls auch beweisen. Dieser Beweis sei aber nicht erbracht worden.

„Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, scheitern oft an der ihnen obliegenden Beweislast und dem geltenden Beweismaß.“

Anja Mertens

Rechtsanwältin im Justiziariat des AOK-Bundesverbandes

Aufklärung nicht bemängelt

Aufklärungsversäumnisse sah das Oberlandesgericht nicht. Die Patientin sei darüber informiert worden, dass es sich bei dem Implantat um ein neuartiges Medizinprodukt handelt. Über die Vor- und Nachteile der Methode und die besonderen mit dem Einsatz des Implantats verbundenen ­Risiken habe der Erstoperateur aufgeklärt.

Auch die Anwesenheit des Medizinprodukteberaters benötige keine Einwilligung. Dieser habe nicht direkt am OP-Tisch gestanden und sei nicht in die Behandlung involviert gewesen. Er habe lediglich als „lebende Gebrauchsanweisung“ für das verwendete Implantat fungiert.

Darüber hinaus habe der Kläger nicht bewiesen, dass der Operateur die falsche Implantatgröße ausgewählt habe. Den Einwand des Klägers, die vorgelegte Behandlungsdokumentation habe keinen Beweiswert, weil die digitale Dokumentation gegen nach­trägliche nicht sichtbare Änderungen nicht geschützt gewesen sei und ihre Echtheit und inhaltliche Richtigkeit bestritten werde, ließ das Oberlandesgericht nicht gelten. Zwar komme einer elek­tronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen entgegen Paragraf 630f Bürgerliches Gesetzbuch nicht erkennbar mache, keine positive Indizwirkung zu. Sie müsse jedoch als tatsächlicher Umstand vom Gericht kritisch gewürdigt und in seine Über­zeugungsbildung einbezogen werden.

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