Interview Pflege

„Griff des Bundes in die Sozialkassen beenden“

22.01.2025 Thorsten Severin 2 Min. Lesedauer

Nur eine Finanzreform kann die Beitragsspirale bei der Pflegeversicherung stoppen, meint Lutz Schäffer ist alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK NordWest (Versichertenseite).

Foto: Hunderteuroschein mit Schatten auf der linken und rechten Seite.
Die erneute Anhebung der Beitragssätze löst das grundsätzliche Finanzierungsproblem in der Pflege nicht.
Foto: Porträt von Lutz Schäffer, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK NordWest (Versichertenseite).
Lutz Schäffer ist alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK NordWest (Versichertenseite).

Herr Schäffer, wie bewerten Sie die Situation der sozialen Pflegeversicherung (SPV)?

Lutz Schäffer: Die erneute Anhebung der Beitragssätze verschafft lediglich eine kurze Atempause und löst nicht das grundsätzliche Finanzierungsproblem in der Pflege. Die beitragszahlenden Versicherten und Arbeitgeber werden damit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer mehr belastet. Wir brauchen umgehend eine Finanzreform, die die Liquidität der SPV kurzfristig sicherstellt und langfristig einer weiteren Anhebung des Beitragssatzes vorbeugt. 

Was schlagen Sie vor?

Schäffer: Der Bund muss endlich aufhören, beliebig in die beitragsfinanzierten Sozialkassen zu greifen, und einen finanziellen Ausgleich für versicherungsfremde Leistungen über Steuermittel schaffen. Zwei Beispiele: In der Corona-Pandemie verpflichtete er die Pflegekassen, verschiedene Maßnahmen zur Pandemiebewältigung zu finanzieren. Ein aktuelles Rechtsgutachten der Uni Hamburg unterstreicht, dass eine solche Zweckentfremdung von Beitragsgeldern unzulässig ist. Bis heute macht der Bund keine Anstalten, das Geld vollständig zu erstatten. Auf 5,9 Milliarden Euro der pandemiebedingten Mehrkosten bleiben die Beitragszahlenden sitzen. Zweites Beispiel sind die Rentenversicherungsbeiträge von pflegenden Angehörigen. Auch die müssen aus Steuermitteln bezahlt werden. Das würde den Pflegekassen fast vier Milliarden Euro bringen.

„Wir brauchen umgehend eine Finanzreform, die die Liquidität der SPV kurzfristig sicherstellt und langfristig einer weiteren Anhebung des Beitragssatzes vorbeugt.“

Lutz Schäffer

Alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK NordWest (Versichertenseite)

Wie kann die Reform in der Pflege gelingen?

Schäffer: Der Rahmen ist klar: Die SPV stellt als Teilleistungssystem eine Absicherung in Form von unterstützenden Hilfeleistungen zur Verfügung. Dies wird auch künftig Eigenleistungen der Versicherten und die Hilfe zur Pflege nicht entbehrlich machen. Neben einer verlässlichen Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen durch den Bund müssen gleichzeitig die Länder ihrer finanziellen Verantwortung für die pflegerische Infrastruktur nachkommen. Die Lasten zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung müssen zudem fairer verteilt werden.

Foto: Illustration – ein Mann hebt eine Decke an und stemmt sich dagegen.
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