Kommentar: Finanziell auf Grundeis
Kranken- und Pflegeversicherung könnten von einer Lockerung der Schuldenbremse profitieren, meint Rainer Woratschka, Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel.
Es ist ein zunehmendes Ärgernis, weder logisch noch ordnungspolitisch zu begründen. Die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen gehen finanziell auf Grundeis, müssen ihre Beiträge erhöhen, belasten dadurch den Faktor Arbeit. Gleichzeitig drückt ihnen der Bund mehr und mehr gesamtgesellschaftliche Leistungen auf, die eigentlich aus Steuern zu bezahlen wären. Jüngstes und besonders krasses Beispiel: die hälftige Mitfinanzierung des Klinikumbaus im Zuge der Krankenhausreform. Dabei hatte die Ampel beste Vorsätze. Im Koalitionsvertrag war angekündigt, der Pflegeversicherung pandemiebedingte Zusatzkosten zurückzuerstatten. Die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige sollten künftig aus Steuern bezahlt werden. Es gab die Zusage, den Bundeszuschuss für versicherungsfremde GKV-Leistungen wegen steigender Kosten „regelhaft“ zu dynamisieren. Auch die Absicherung der Bürgergeld-Bezieher im Krankheitsfall wollte die Koalition den Kassen angemessener erstatten. Bisher bleiben sie dafür pro Jahr auf zehn Milliarden Euro sitzen.
„Nicht ein einziges dieser Versprechen wurde erfüllt. “
Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel
Nicht ein einziges dieser Versprechen wurde erfüllt. Unter Hinweis auf Ukrainekrieg und unbedingt einzuhaltende Schuldenbremse ließ der Finanzminister alle Forderungen nach höheren Steuerzuschüssen abprallen. Mit den bekannten Folgewirkungen für Versicherte und Arbeitgeber, deren Beiträge nun in nie dagewesener Wucht nach oben schießen.
So kann das nicht weitergehen, die Kosten müssen gerechter verteilt werden. Schließlich sind die Beiträge der besser Verdienenden nach oben gedeckelt, und knapp zehn Prozent der Bürger sind gar nicht gesetzlich versichert. Wenn die Schuldenbremse in der nächsten Legislatur endlich gelockert wird, müssen Kranken- und Pflegeversicherung ganz vorne stehen. Beide haben immensen Reform- und Investitionsbedarf.
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