Bitte Fakten statt Mythen
Jacobs' Weg: Ungleiche Wartezeiten sind eine Folge der Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung (GKV/PKV). Dieses überholte System dient nur dem Erhalt von Privilegien.


Ein Thema beherrschte zum Jahreswechsel die Schlagzeilen: die Bevorzugung von Privatversicherten bei der Vergabe von Arztterminen. Daran etwas zu ändern, wäre eine Aufgabe für versorgungsorientierten Kassenwettbewerb, den die Union laut ihrem Wahlprogramm stärken will. Das dürfte wirksamer und unbürokratischer sein als eine Transparenz-Verpflichtung aller Arztpraxen, wie sie der GKV-Spitzenband ins Spiel gebracht hat.
Die zum Teil aufgeregte Debatte hat auch ein Schlaglicht auf das europaweit einzigartige Nebeneinander von GKV und PKV geworfen. Kein anderes gesundheitspolitisches Thema ist derart von Mythen geprägt, um Privilegien zu erhalten.
Anfang des Jahres kommentierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, in der Diskussion um Wartezeiten gehe unter, dass Privatversicherte die anderen Patienten subventionierten und die PKV keine Bundeszuschüsse erhalte. Gleich zwei Mythen in einem Satz.
„Gesundheitspolitik muss sich an Fakten orientieren.“
Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
Der Bundeszuschuss an die GKV erfolgt für versicherungsfremde Aufgaben, die die PKV nicht hat. So erhielt die GKV 2024 für Beziehende von Bürgergeld pro Kopf 119,60 Euro im Monat, die PKV dagegen bis zu 421,76 Euro. Per Saldo reichen die jährlich 14,5 Milliarden Euro Bundeszuschuss aber nicht aus. Insofern subventionieren die Beitragszahlenden der GKV faktisch den Bundeshaushalt, wovon auch privatversicherte Steuerzahler profitieren. Und die angebliche Subventionierung in umgekehrter Richtung durch die höheren privatärztlichen Honorare? Hier reicht der Platz nicht aus für alle Vorteile, die die PKV von der unentgeltlichen Teilhabe an den vielen GKV-Systemregelungen hat – von der Bedarfsplanung bis zur AMNOG-Nutzenbewertung und weiteren Maßnahmen der Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss. Zudem profitieren von den „Mehrumsätzen“ der PKV eher Orthopäden im Grunewald als Kinderärzte in Neukölln. Bei einem Solidarbeitrag der Privat-versicherten gemäß ihrem Einkommen könnte das Geld deutlich bedarfsgerechter fließen.
Hoffentlich orientiert sich die Gesundheitspolitik nach der Wahl an Fakten statt an Mythen. Damit Deutschland wieder ein international vorzeigbares Gesundheitssystem erhält.
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