Artikel Gesundheitssystem

Stabile Basis für ärztliche Praxen

16.04.2025 Dirk Bürger 5 Min. Lesedauer

Die wirtschaftliche Lage niedergelassener Ärztinnen und Ärzte ist stabil – vor allem dank stetig steigender Einnahmen aus der Versorgung gesetzlich Versicherter. Dennoch zeichnen Standesvertretungen Zerrbilder vom „Kaputtsparen“ der Medizin und vom „Mehrumsatz“ mit Privatversicherten.

Frau in einer Arztpraxis füllt ein Formular am Tresen aus.
Die wirtschaftliche Existenz von Vertragsärztinnen und -ärzten ist durch die Einnahmen aus der GKV gesichert.

Finanziell gut aufgestellt: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten behandeln, gehören zu der Gruppe von Selbstständigen, um die sich die Kreditwirtschaft in Deutschland die geringsten Sorgen machen muss. So zeigt zum Beispiel der „Branchenreport 2024 – Allgemeinmediziner“ der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe, dass die Umsätze der Arztpraxen, die überwiegend aus der vertragsärztlichen Versorgung – also aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – erwirtschaftet werden, zwar langsam, aber dafür stetig zunehmen. Die Experten der Sparkassen-Finanzgruppe stellen zudem seit Jahren fest, dass das Kreditausfallrisiko von Arztpraxen sehr gering ist. Es liegt, so der aktuelle Branchenreport 2024, wie schon in den vergangenen Jahren bei 0,3 Prozent und damit deutlich unter dem Wert der Gesamtwirtschaft von 1,0 Prozent.

Einnahmen aus der GKV verdoppelt

In den vergangenen 20 Jahren sind die Einnahmen der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte aus der GKV kontinuierlich angestiegen. Zahlte die GKV für die vertragsärztliche Versorgung nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums im Jahr 2003 rund 24,3 Milliarden Euro, so waren es 2023 mehr als 47,1 Milliarden Euro. Das heißt, die Einnahmen der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte aus der GKV haben sich in nur 20 Jahren nahezu verdoppelt (plus 94 Prozent). Auch das „Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung“ (Zi) untersucht seit vielen Jahren mit dem Zi-Praxis-Panel die Kosten- und Versorgungsstrukturen in den Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeuteninnen und -therapeuten. Im aktuell veröffentlichten Jahresbericht 2023 weist das ZI daher auch darauf hin, dass „(…) auf der Einnahmenseite die Bedeutung der GKV-Einnahmen für die wirtschaftliche Lage über den Zeitraum von 2019 bis 2022 weiter zugenommen hat. (…) Die Einnahmen aus kassenärztlicher Tätigkeit stiegen im Verlauf des Beobachtungszeitraums um insgesamt 18,4 Prozent beziehungsweise um jährlich 5,8 Prozent, während die Zuwachsrate bei den Privateinnahmen mit 5,2 Prozent zwischen den Jahren 2019 und 2022 beziehungsweise 1,7 Prozent jährlich deutlich unter dem Durchschnitt lag“ (siehe Tabelle „Die Bedeutung der gesetzlichen Krankenversicherung als Einkommensquelle nimmt zu“).

Grafik Niedergelassene Ärzte Tabelle
Die Bedeutung der gesetzlichen Krankenversicherung als Einkommensquelle nimmt zu

Meinungsmache mit marodem Charme

Obwohl sich die finanziellen Rahmenbedingungen für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte als sehr stabil erwiesen haben, zeichnen Ärzteverbände, wie zum Beispiel der Virchowbund, ein düsteres Bild der vertragsärztlichen Zukunft. Für ihre jüngste Kampagne „Praxis in Not“ warben sie mit einer Szenerie, die nicht einmal mehr in Entwicklungsländern vorzufinden ist: ein vorsintflutlich anmutender Behandlungsstuhl, verrostet und ohne Polster in einem Raum, der an eine Folterkammer oder Gefängniszelle erinnert.

Die Nebenwirkungen einer solchen Kampagne auf den ärztlichen Nachwuchs sind bisher vermutlich nicht untersucht worden. Die Aussagen und Bilder müssen aber massiv abschreckend auf junge Medizinerinnen und Mediziner wirken, die mit dem Gedanken spielen, sich in Deutschland niederzulassen. Hier kann nur an die Vernunft der ärztlichen Interessenvertretungen, vor allem Ärztekammern, appelliert werden, diesem maroden Eindruck entgegenzutreten. Denn wer seinem beruflichen Nachwuchs signalisiert, dass die Berufstätigkeit wenig Freude und Einkommen mit sich bringt, darf sich nicht wundern, dass der umworbene Nachwuchs lieber im Angestelltenverhältnis arbeitet oder dem Beruf ganz den Rücken kehrt.

Die Mär vom Mehrumsatz im Realitätscheck

Ein weiteres Zerrbild der Realität versucht die Private Krankenversicherung (PKV) mit ihrer Rede vom „Mehrumsatz“ zu erzeugen. Seit vielen Jahren behauptet die PKV, dass ihre Bedeutung für das Gesundheitswesen, vor allem für die ambulant-ärztliche Versorgung zugenommen hat. So hat beispielsweise das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) in einer Pressemitteilung vom 8. März 2024 berichtet, der Mehrumsatz durch Privatversicherte liege im Durchschnitt für jede Arztpraxis bei 63.000 Euro im Jahr.

Aber wie ist dieser sogenannte Mehrumsatz zu bewerten? Die Aufwendungen für Personal- und Sachkosten liegen laut Statistischem Bundesamt in einer Einzelpraxis im Durchschnitt bei 52,6 Prozent. Zieht man vom Mehrumsatz die durchschnittlichen Aufwendungen in Höhe von 52,6 Prozent ab, so verbleiben als Brutto-Einnahme bei der Ärztin beziehungsweise dem Arzt noch 29.862 Euro pro Jahr. Legt man den Spitzensteuersatz in Höhe von 42 Prozent zugrunde, bleiben von den 29.862 Euro als Brutto-Jahresüberschuss nach Abzug der Steuern 17.320 Euro. Hiervon sind noch die Kosten zur ärztlichen Altersvorsorge (rund 13 Prozent) sowie Kranken- und Pflegeversicherung (rund sieben Prozent) abzuziehen. Daraus ergibt sich also ein Netto-Jahresüberschuss von 13.856 Euro beziehungsweise eine monatliche Mehreinnahme von 1.154 Euro durch privat versicherte Patientinnen und Patienten.

Hände einer jungen Person halten die Hand einer älteren Person.
Für ihren Dienst am Menschen erhalten Ärztinnen und Ärzte ein ansehnliches Einkommen.

GKV sichert ansehnliches Einkommen

Laut aktuellem Zi-Praxis-Panel erzielten Vertragsärztinnen und Vertragsärzte durch die Versorgung von GKV-Versicherten im Jahr 2022 durchschnittliche Einnahmen in Höhe von 295.700 Euro. Rechnet man hier ebenso die Betriebskosten ab, dann verbleibt ein Brutto-Jahresüberschuss aus GKV-Einnahmen von rund 140.162 Euro. Auch darauf sind Steuern (Steuer-Netto vor Sozialabgaben: 81.294 Euro) und Sozialabgaben (rund 16.259 Euro) zu zahlen. Der Netto-Jahresüberschuss  beträgt demnach 65.035 Euro. Das entspricht einer monatlichen Nettoeinnahme von 5.420 Euro.

Mit einem durchschnittlichen Monats-Netto-Einkommen aus der Versorgung von GKV-Versicherten von rund 5.420 Euro erreicht also eine selbstständige Vertragsärztin beziehungsweise -arzt ein ansehnliches Einkommen. Es liegt um 4,6-mal höher als das Einkommen aus der Versorgung von PKV-Versicherten mit 1.154 Euro. Dies sollte in der Diskussion um die Bedeutung der Privatversicherten für die Einkommenssituation von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten berücksichtigt werden.

Kaum Privateinnahmen im ländlichen Raum

Die Zahlen zeigen also, dass – anders als Standesvertretungen behaupten – die wirtschaftliche Existenz der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte durch die Einnahmen aus der GKV gesichert sind. Tatsache ist zudem, dass nur die wenigsten Ärztinnen und Ärzte in ländlichen oder strukturschwachen Regionen vom System der Privateinnahmen profitieren. Für gleichwertige Versorgungsstrukturen der Menschen in Deutschland und für eine sehr gute Vergütung der Vertragsärztinnen und -ärzte steht allein die GKV. Nicht ohne Grund weist das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung darauf hin, dass die GKV-Einnahmen für die wirtschaftliche Lage der Vertragsärztinnen und -ärzte immer relevanter werden.
 

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