Artikel Versorgung

Recht: Personalvorgaben für die Psychiatrie sind rechtens

16.04.2025 Kathleen Neumann 4 Min. Lesedauer

Psychiatrische und psychosomatische Kliniken müssen die vom Gemeinsamen Bundesausschuss in einer Richtlinie festgelegte Mindestpersonalgrenze einhalten.

Symbolbild eines Paragraphenzeichen, das auf einem geöffneten Buch steht

In der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung regelt seit dem 1. Januar 2020 die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) beschlossene Richtlinie zur Personalausstattung in Psychia-trie und Psychosomatik (PPP-RL) Mindestanforderungen an die Personalausstattung der stationären Einrichtungen. Psychiatrische und psychosomatische Kliniken müssen ihre Personalausstattung nachweisen und an das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) übermitteln. Das IQTIG stellt dem GBA die Ergebnisse in Form von Quartalsberichten und ab 2025 in Form von Jahresberichten zur Verfügung.

Urteile vom 20. Dezember 2024 (Bundessozialgericht)

B 1 KR 16/23 R, B 1 KR 17/23 R, B 1 KR 19/23, B 1 KR 26/23 R

Ziel: Versorgungsqualität

Die Mindestpersonalvorgaben des GBA, so das erklärte Ziel, sollen möglichst evidenzbasiert sein und zu einer leitliniengerechten Behandlung beitragen. Das Gremium hat schließlich für verschiedene Behandlungsbereiche und Berufsgruppen Minutenwerte pro Patientin und Patient und Woche festgelegt, aus denen sich die Mindestpersonalbesetzung für jede Einrichtung errechnet. Wird diese unterschritten, sollen Sanktionen folgen. Die Mindestvorgaben an die Personalausstattung wurden in der Vergangenheit mehrfach aus- und herabgesetzt.

Die Höhe des Wegfalls des Vergütungsanspruch hängt vom Umfang des fehlenden Personals ab und ist nach der aktuellen Fassung der vom GBA erlassenen Richt-linie begrenzt. Berechnungsmaßstab ist der Anteil des fehlenden Personals. Der Beginn der möglichen Sanktionen wurde nochmals bis Ende 2025 ausgesetzt. Seit Juli 2024 müssen die Mindest-vorgaben dann zunächst zu 90 Prozent erfüllt sein, ab dem Jahr 2027 zu 95 Prozent und ab 2029 vollständig. Für psychosomatische Einrichtungen, Tageskliniken und den Nachtdienst gelten teilweise abweichende Regelungen.

Verbindlichkeit hinterfragt

Foto: Ein grauer Sessel steht in einem dunklen Zimmer vor zugezogenen Gardinen.
Unbesetzte Stellen in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken sind der Qualität der Versorgung abträglich.

Aber ist die vom GBA erlassene Richtlinie rechtmäßig? Diese Frage lag dem Bundessozialgericht (BSG) zur Entscheidung vor. Geklagt hatten mehrere Träger psychiatrischer und psychosomatischer Kliniken. Sie beantragten beim Landessozialgericht festzustellen, dass die PPP-RL nichtig sei. Zur Begründung führten die Krankenhausträger unter anderem an, dass sie durch die Vorgaben und ein daraus resultierendes Leistungsverbot in ihrer durch Artikel 12 des Grundgesetzes geschützten Berufsfreiheit verletzt seien. Die Sanktionsregelungen seien unverhältnismäßig.

Das Landessozialgericht wies jedoch die Klagen als unbegründet ab. Das Gericht sah weder einen Verfahrensverstoß beim Erlass der PPP-RL noch einen Verstoß gegen höherrangiges Recht oder gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Vielmehr habe sich der GBA an die gesetzlichen Vorgaben gehalten. Die Interessen der Krankenhausträger seien durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft als eine der Trägerorganisationen des GBA gewahrt. Gegen diese Entscheidungen legten die Krankenhausträger Revision beim Bundessozial-gericht ein, hatten jedoch keinen Erfolg damit.

„Das Bundessozialgericht hat die demokratische Legitimation des GBA zum Erlass der Richtlinie zur Personalausstattung in der Psychiatrie und Psychosomotik bestätigt.“

Kathleen Neumann

Justiziarin im AOK-Bundesverband

Richtlinie rechtmäßig

Das BSG entschied, dass die vom GBA erlassene PPP-RL rechtmäßig ist. Der hinreichend demokratisch legitimierte GBA sei ermächtigt, durch Richtlinien mit normativer Wirkung sanktionsbewehrte Mindestpersonalvorgaben festzusetzen – nach der Gesetzeshistorie und -systematik auch für das Pflegefachpersonal. Der GBA habe seine Aufgabe – wie in Paragraf 136a Absatz 2 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs V (SGB V) gesetzlich vor-gesehen – umgesetzt und nachvollziehbar begründet. Dabei habe er sich an den Anforderungen der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) orientieren dürfen, wenn keine evidenzbasierten Anhaltspunkte gegeben seien. Auch habe er die dortigen Vor-gaben anpassen und erhöhen dürfen, wenn es dafür eine plausible Grundlage gebe.

Vergütungswegfall droht

Ab dem Jahr 2026 drohen daher Vergütungseinbußen, wenn die festgelegten Mindestvorgaben nicht eingehalten werden. Der in Paragraf 13 der PPP-RL vorgesehene partielle Wegfall der Vergütung sei durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gedeckt und wahre das Gebot der Verhältnismäßigkeit, so die obersten Sozialrichter. Dies trage insbesondere dem Umstand Rechnung, dass die Mindestvorgaben weitestgehend nicht auf Evidenz beruhten und die Krankenhäuser teilweise mehr Zeit für den erforderlichen Personalaufbau benötigten.

Tipp für Juristen

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