Blickwinkel Gesundheitssystem

Kommentar: Die Mediziner sind gefordert

15.05.2024 Rainer Woratschka 3 Min. Lesedauer

Mit Selbstzahler-Leistungen verdienen viele Ärzte gut. Oft verspielen sie damit Vertrauen, gibt Rainer Woratschka, Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel, in seinem Kommentar zu bedenken.

Foto: Ein Mediziner im weißen Kittel, von dem nur der Oberkörper zu sehen ist, hält eine kleine Tafel in der Hand, auf der "IGEL" steht.
Viele Mediziner bieten individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) an, die die Patientinnen und Patienten aus eigener Tasche bezahlen müssen.

Müssen Patienten in Arztpraxen besser vor Selbstzahler-Leistungen geschützt werden? Bräuchte es gar Verbote für besonders zweifelhafte Offerten? Der Patientenbeauftragte der Regierung fordert beides. Die Bundesärztekammer hält dies für unnötig, unverhältnismäßig und einen Verstoß gegen das „Selbstbestimmungsrecht“ der Patienten. Will heißen: Die sind mündig genug, um das für sie Vorteilhafte herausfiltern und sich gegen den Druck allzu eifriger „Verkäufer“ wehren zu können.

Gute Medizin lebt vom Vertrauen des Behandelten

Foto: Porträtbild von Rainer Woratschka, Redakteur Tagesspiegel
Rainer Woratschka, Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel

Beides darf bezweifelt werden. Wer krank, alt, vielleicht auch wenig gebildet ist, hat für solchen Widerstand weder die Energie noch das Selbstbewusstsein. Und in Zeiten des Ärztemangels will es sich auch kaum jemand mit „seinem Doktor“ verscherzen. Info-Kampagnen und Belehrungen über den Umgang mit individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) allein helfen in dieser ungleichen Beziehung nicht aus dem Dilemma.

Tatsächlich ist es ein Armutszeugnis für die Ärzteschaft, dass der Ruf nach Restriktionen überhaupt laut wird. Gute Medizin lebt vom Vertrauen des Behandelten zum Behandler. In etlichen Praxen wurde dieses wertvolle Gut aus Gewinnsucht beschädigt. Und die Standesvertretung hat dem all die Jahre nicht wirklich Einhalt zu bieten vermocht. Im Gegenteil: Die Klagen derer, die sich über den Tisch gezogen fühlen, scheinen ebenso gestiegen zu sein wie die Zahl unnützer Leistungen.

„Der Ruf nach Restriktionen ist ein Armutszeugnis für die Ärzteschaft.“

Rainer Woratschka

Redakteur für Gesundheitspolitik beim Tagesspiegel

Schwarze Schafe sanktionieren

Warum müssen gesetzliche Kassen und der Medizinische Dienst Sinn und Unsinn von IGeL bewerten? Weshalb kommen solche Initiativen nicht aus den Reihen der Mediziner? Wenn die Ärzteschaft nicht möchte, dass sich der Gesetzgeber in ihre Angelegenheiten einmischt, muss sie ihre Hausaufgaben erledigen. Also selber Qualitätsvorgaben machen, auf evidenzbasierte Versorgung pochen. Und schwarze Schafe sanktionieren. Es sind zu viele geworden. 

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