Pflegende Angehörige unter Druck
Viele der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden überwiegend von pflegenden Angehörigen versorgt. Welche zeitlichen, physischen, psychischen und finanziellen Belastungen damit verbunden sind, zeigt der aktuelle WIdO-Monitor auf.
Die betagte Mutter oder den pflegebedürftigen Partner versorgen und daneben noch arbeiten gehen – diesen Spagat meistern bundesweit nach wie vor viele Menschen. Durchschnittlich 49 Stunden pro Woche widmen die Hauptpflegepersonen der Pflege und Betreuung ihrer Angehörigen. 2019 lag der Durchschnittswert noch bei 43 Stunden. Für den aktuellen WIdO-Monitor wurden im August und September 2023 rund 1.000 pflegende Angehörige zu ihrem Einsatz in der häuslichen Pflege befragt. Die vorliegende Untersuchung knüpft an eine Vorgängeruntersuchung aus dem Jahr 2019 an und zeichnet nach, wie sich die Situation der pflegenden Angehörigen verändert hat.
An der Belastungsgrenze
Auch 2023 ist die häusliche Pflege nach wie vor überwiegend Frauensache und findet größtenteils in selbst organisierten Strukturen statt. Die mit der Pflege verbundenen Belastungen waren vor der Corona-Pandemie bereits erheblich und sind seither in einigen Bereichen noch angestiegen. So hat im Vergleich zu 2019 der von den Befragten angegebene Unterstützungsbedarf in allen Tätigkeitsbereichen der häuslichen Pflege, vor allem bei der Grundpflege, zugenommen. Etwa ein Viertel der pflegenden Angehörigen empfindet sich als hoch belastet und gibt an, die Pflegesituation „eigentlich gar nicht mehr“ oder „nur unter Schwierigkeiten“ bewältigen zu können. Vor allem diese hoch Belasteten stehen unter einem immensen Druck: Sie geben weitaus häufiger als noch 2019 an, überfordert zu sein. Gleichzeitig zeigt die Studie deutlich: Die zeitlichen, finanziellen und psychischen Belastungen unterscheiden sich je nach persönlicher Pflegekonstellation erheblich und liegen in manchen Teilgruppen weit über dem Durchschnitt.
Pflege statt Berufstätigkeit
Die Pflege von Angehörigen ist offenbar einer der Hauptgründe für eine Teilzeittätigkeit oder Nichterwerbstätigkeit. Mehr als jede zweite Person mit reduzierter Arbeitszeit hat ihre Erwerbstätigkeit pflegebedingt reduziert. Mehr als 25 Prozent der Nichterwerbstätigen sagen, dass die Pflegesituation der Grund dafür war, ihren Job an den Nagel zu hängen. Gleichzeitig haben die finanziellen Belastungen zugenommen. Die durchschnittliche private Zuzahlung für einen ambulanten Pflegedienst beispielsweise, die 2019 noch rund 200 Euro im Monat betrug, lag 2023 bereits bei 325 Euro monatlich.
Angebote werden nicht genutzt
Trotz bestehender Ansprüche verzichten viele Pflegende auf Unterstützung – meist, weil der pflegebedürftige Angehörige „nicht von Fremden“ versorgt werden möchte. Fehlende Angebote vor Ort und finanzielle Aspekte spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Der Gesetzgeber hat zwar eine Reihe von Möglichkeiten zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf geschaffen, die Angebotsformen ausgeweitet, die leistungsrechtlichen Regelungen flexibilisiert und sich bemüht, die Pflegeberatung zu verbessern. Doch diese Entlastungsangebote erreichen die Zielgruppe offenbar nicht; sie werden nur in geringem Umfang genutzt. Um pflegende Angehörige wirksam zu entlasten, besteht weiterer Reformbedarf.
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