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Einwurf: Schattendasein in der Sommerhitze

20.06.2024 Martin Herrmann 4 Min. Lesedauer

Das Thema Hitzeschutz hat Deutschland bis vor kurzem verschlafen, kritisiert der Mediziner Martin Herrmann. Er fordert eine Diskussion über Zuständigkeiten und Budgets.

Foto: Ein Hitzebarometer ragt in den blauen Himmel und wird von der Sonne angestrahlt.
Die letzten Sommer waren heiß. Doch der Hitzeschutz kommt nicht von alleine.
Foto: Dr. Martin Herrmann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG)
Dr. Martin Herrmann ist Mediziner, Mitglied der AG Klima der Bundesärztekammer sowie Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG).

Jedes Jahr sterben in Deutschland hitzebedingt bis zu 10.000 Menschen. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommen noch Millionen Menschen, die stark unter Hitze leiden. Nach einer aktuellen Studie fühlen sich 23 Prozent aller Beschäftigten im Job durch Extremwetter sehr belastet. Das sind mehr als zehn Millionen Menschen. Besonders betroffen sind Pflegekräfte. Von ihnen berichten 49 Prozent über große Probleme bei der Arbeit an heißen Tagen. Gleichzeitig klagen mehr als 50 Prozent der Pflegebedürftigen über schwere Beeinträchtigungen bei Hitze.

Wir stehen also vor einem doppelten Dilemma: Bei tropischen Temperaturen benötigen Pflegebedürftige besonders viel Zuwendung, gleichzeitig sinkt die Belastbarkeit der Pflegekräfte, falls sie nicht sogar komplett ausfallen. Im schlimmsten Fall ist die Versorgung gefährdet. Hinzu kommen weitere vulnerable Gruppen, wie vorerkrankte, obdachlose oder sozial isolierte Menschen, Schwangere und Kleinkinder. Ein ärztlicher Kollege erzählte mir, dass während Hitzewellen verstärkt Jugendliche und junge Erwachsene die Praxen aufsuchen. Dennoch ist Deutschland bislang auf Hitzewellen schlecht vorbereitet. Woran liegt das? Erstens herrscht bei vielen Entscheidungsträgern große Unkenntnis über Gesundheits-gefahren und zweitens fehlt eine Gesetzesgrundlage über Zuständigkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten.

„Deutschland ist auf Hitzewellen schlecht vorbereitet.“

Martin Herrmann

Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit

Um diese Defizite zu thematisieren, haben mehr als 40 bundesweite Institutionen aus dem Gesundheitswesen den bundesweiten Hitze-aktionstag am 5. Juni organisiert. Die Botschaft: Nehmt das Thema endlich ernst und handelt. Bürgermeister, Wissenschaftler, Lehrer, Ärzte, Pflegekräfte oder Führungskräfte in Unternehmen – alle müssen in ihren Bereichen Hitzeschutzpläne aufstellen und umsetzen. Bislang verfügen aber zu wenige Entscheidungsträger über eine ausreichende Hitzekompetenz. Unser Ziel ist, das in den nächsten Jahren zu ändern. Klar ist auch: Hitzeschutz kommt nicht von alleine. Es braucht die gesetzliche und haushalterische Verankerung in Bund, Ländern und Kommunen. Wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen, können wir viel Leid und Todesfälle verhindern.

Foto: Ein aufgespannter gelber Schirm steht unter einem blauen Himmel.
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