Artikel Finanzierung

Recht: Klinikfusion – Kasse muss Krankentransport nicht zahlen

20.06.2024 Jutta Kaempfe 5 Min. Lesedauer

Ein Krankenhaus muss die Kosten für Krankentransporte zwischen weiter entfernten Fachabteilungen selbst tragen.

Symbolbild eines Paragraphenzeichen, das auf einem geöffneten Buch steht

Urteil vom 22. Februar 2024

– B 3 KR 15/22 R –
Bundessozialgericht

In Deutschland nimmt die Zahl der Krankenhäuser ab. Waren es zur Jahrtausendwende noch 2.424, zählte das Statistische Bundesamt im Jahr 2022 noch 1.893 Krankenhäuser. Ein Grund für die Abnahme sind Klinikfusionen, die die Effizienz der Häuser sowie die Qualität der stationären Versorgung erhöhen sollen. Aber müssen dann Krankenkassen Rettungsdiensten medizinisch notwendige Krankentransporte von Versicherten vergüten, die für eine stationäre Weiterbehandlung von der einen zu einer anderen Betriebsstätte eines Krankenhauses verlegt werden? Darüber hatte das Bundessozialgericht zu entscheiden.

Klinikverordnung lag vor

Ein Rettungsdienstbetreiber ­hatte im November und Dezember 2015 mehrmals qualifizierte Krankentransporte übernommen. Die Besonderheit bestand darin, dass die gesetzlich Krankenversicherten für die stationäre Behandlung von dem einem Standort eines Krankenhauses zu einem anderen Standort derselben Klinik transportiert wurden. Die erforder­lichen Verordnungen der Krankenhausärzte lagen ebenso vor wie die nötigen Anforderungen durch die Krankenkasse der Versicherten. Die beiden Stand­orte des Krankenhauses lagen etwa 18 Kilometer auseinander.

Die Klinik war als Plankrankenhaus nach Paragraf 108 Nummer 2 des Sozialgesetzbuchs ­(SGB) V zugelassen und hielt Fachabteilungen jeweils nur an einem der beiden Standorte vor. Außerdem gab es nach der Klinikfusion nur ein Direktorium und ein Institutionskennzeichen.

Kasse lehnt Zahlung ab

Foto eines Krankenwagens, der vor einer Stadtsilhouette über eine Brücke fährt
Für welche Krankentransporte die Kassen aufkommen müssen, ist sozialrechtlich geregelt.

Der Rettungsdienstbetreiber verlangte von der Krankenkasse, die Kosten der Krankentransporte für die gesetzlich Versicherten zu zahlen. Diese müsse für die Verlegung der Patienten in ein anderes Krankenhaus aufkommen, wenn diese aus „zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist“. Die Krankenhausärzte hätten die Verlegung verordnet, sodass eine Zahlungspflicht bestehe.

Dies lehnte die Kasse ab. Sie müsse lediglich für Krankentransporte in ein „anderes“ Krankenhaus aufkommen. Hier handele es sich jedoch um ein Krankenhaus mit zwei Betriebsstätten. Damit ­lägen innerklinische Transportfahrten vor, für die das Krankenhaus aufkommen müsse. Die Kosten für diese Krankentransporte seien bereits von den Fallpauschalen umfasst.

Tipp für Juristen

Regelungen zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), Zulässigkeit digital erlangter AU-Bescheinigungen sind Themen des Online-Vortrags „Fallstricke bei der Digitalisierung der Arbeits­unfähigkeitsbescheinigung aus arbeits- und sozialrechtlicher Sicht“ des Deutschen Anwaltsinstituts am 23. Juli.

Weitere Informationen über den Online-Vortrag

Innerklinisch verlegt

Daraufhin verklagte der Rettungsdienstbetreiber die Kranken­kasse. Sowohl das Sozial- als auch das das Landessozialgericht verurteilten die Kasse dazu, die Kosten für die Krankentransporte zu zahlen.  Gegen diese Entscheidungen legte die Kasse Revision beim Bundessozialgericht ein und hatte Erfolg damit. Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen sei sie nicht verpflichtet, dem Rettungsdienstbetreiber die streitigen qualifizierten Krankentransporte zu vergüten, urteilten die obersten Sozialrichter.

In ihrem Urteil stellten die Kasseler Bundesrichter zunächst fest, dass die gesetzlichen Krankenkassen für Fahrkosten bei stationär erbrachten Leistungen aufkommen müssen. Dazu ge­höre auch die Kostenüber­nahme für Krankentransporte in ein Krankenhaus, das heißt zur stationären Erstaufnahme. Bei der Verlegung von Patientinnen und Patienten in ein anderes Krankenhaus müsse eine Krankenkasse die Transportkosten nur dann übernehmen, wenn ­diese aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich sei (Paragrafen 60 und 133 SGB V).
 
Doch im vorliegenden Streitfall handele es sich um innerklinische Krankentrans­porte von bereits vollstationär aufgenommenen Patienten zwecks stationärer Weiterbehandlung in einer Fachabteilung an einem anderen Standort der Klinik und nicht um Krankentransporte in ein „anderes Krankenhaus“. Aus diesem Grund seien diese Transporte Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen und fielen unter die Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses.

„Das Urteil überzeugt und schafft Rechtssicherheit im Falle von Klinikfusionen. Krankentransportunternehmen können Ansprüche gegenüber einem Krankenhaus zivilrechtlich geltend machen.“

Dr. Jutta Kaempfe

Justiziarin beim AOK-Bundesverband

In Fallpauschale enthalten

In diesem Zusammenhang wiesen die obersten Sozialrichter ausdrücklich darauf hin, dass der Krankenhausbetreiber für die stationäre Behandlung der gesetzlich Versicherten Fallpauschalen von der Krankenkasse erhalte. Diese erfassten auch vom Krankenhaus veranlasste innerklinische Transporte (Paragrafen 7 bis 9 des Krankenhausentgeltgesetzes). Nehme eine Klinik für allgemeine Krankenhausleistungen auch Leistungen „Dritter“ – im vorliegenden Fall den Rettungsdienstbetreiber – in Anspruch, seien diese durch die  Fallpauschalen abgedeckt. Das gelte auch dann, wenn die Kranken­hausärzte die innerklinische Verlegung verordnet hätten.

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