Blickwinkel Gesundheitssystem

Strukturreformen nötig – bloß welche?

20.06.2024 Klaus Jacobs 4 Min. Lesedauer

Jacobs' Weg: Weil die Ampel keine Finanzierungsreformen hinbekommt, ist mehr Effizienz der Versorgung umso wichtiger. Wie das gehen kann, zeigt ein Blick in zwei Nachbarländer.

Die Niederlande und die Schweiz haben Deutschland in Sachen Strukturreformen einiges voraus.

Die Notwendigkeit von Strukturreformen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steht außer Frage. Mit dieser Einschätzung endet der gesundheitspolitische Konsens jedoch bereits, denn welche Strukturen wie geändert werden sollen, ist höchst strittig.
 
Da sind zunächst die Finanzierungsstrukturen, die neben einer sachadäquaten Steuerfinan­zierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben der Stärkung der Grundlagen für die solidarische Beitragsfinanzierung bedürfen. Zu beidem ist die Ampel-Regierung nicht in der Lage, weil ihr die Einhaltung der restriktiven Schuldenbremse und der Erhalt bestimmter Privilegien wichtiger sind. Dass der Bundesgesundheitsminister für mehr Gerechtigkeit der GKV-Finanzierung kämpft, ist auch nicht erkennbar. Im Gegenteil: Ihm fallen immer neue Aufgaben ein, die die Beitragszahlenden sachfremd bezahlen sollen.

„Vertragswettbewerb wird bei uns kaum diskutiert.“

Klaus Jacobs

Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK

Foto: Porträtbild von Prof. Dr. Klaus Jacobs, Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
Prof. Dr. Klaus Jacobs

Wenn Finanzierungsreformen nicht klappen, nimmt die Dringlichkeit von Reformen der Versorgungsstrukturen zu. Hierzu zählen etliche von Karl Lauterbach angekündigte Vorhaben, die von einer revolutionierten Krankenhausversorgung bis zu flächendeckenden Herz-Check-ups ab dem Kindesalter reichen. Letzter Aufreger: der von der Krankenhaus-Regierungskommission empfohlene Abbau der „doppelten Facharztschiene“. Die gebe es gar nicht, sagt der Fachärzte-Spitzenverband, weil die fachärztliche Tätigkeit in der Klinik oft grundsätzlich anders sei als in der ambulanten Versorgung. In den Niederlanden arbeiten Fachärzte dagegen im Krankenhaus und in Facharztzentren sowohl ambulant als auch stationär – also eine integrierte Facharztversorgung mit positiven Folgen für deren Qualität und Wirtschaftlichkeit.
 
Wie sektorenübergreifende Versorgung Realität werden kann, ist eine Frage der Steuerungsstrukturen. Deren Reform wird kaum diskutiert. Der Regierungskommission fällt nur  neue Planwirtschaft ein – von wettbewerblichen Integrationsverträgen hat sie offenbar noch nie gehört. Wie die regional differenziert „von unten“ funktionieren können, zeigt die Schweiz. Vor weiterem – meist teurem! – gesetzlichen ­Aktionismus wäre ein Blick über die Grenzen äußerst hilfreich.

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