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Debatte: Alle Ergebnisse auf den Tisch

24.07.2024 Jörg Meerpohl 4 Min. Lesedauer

Wenn Studienergebnisse unveröffentlicht bleiben, verzerrt das die Wissensbasis. Darunter leidet die evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, sagt Jörg Meerpohl von Cochrane Deutschland.

Foto: Ein Stethoskop liegt neben einem Laptop und einem Klemmbrett und leuchtet – um das Stethoskop sind verschiedene Gesundheitssymbole gruppiert.
Nicht immer werden Studienergebnisse auch veröffentlicht.

Seit drei Jahrzehnten reden wir über die schwerwiegenden Folgen des Disseminationsbias, auch Publication Bias genannt. Gemeint ist die bevorzugte Veröffentlichung positiver Ergebnisse  – etwa von solchen, die für die Wirksamkeit einer Intervention sprechen. Negative Resultate, welche die in eine Studie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen, bleiben dagegen oft in der Schublade liegen. Unveröffentlichte Ergebnisse (auch vermeintlich negative) fehlen im Gesamtbild der wissenschaftlichen Studienlage. Der Disseminationsbias trifft damit das Herz der evidenzbasierten Gesundheitsversorgung, deren Fundament die bestmögliche wissenschaftliche Evidenz ist.

 

„Die Verzerrung der Evidenz gefährdet Patienten und vergeudet Forschungsgelder.“

Prof. Dr. Jörg Meerpohl

Wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung

Foto: Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg und wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung.
Prof. Dr. Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg und wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung

Cochrane wertet diese Evidenz in seinen systematischen Reviews aus und ist daher unmittelbar betroffen, wenn Studienergebnisse unveröffentlicht bleiben. Dahinter muss kein böser Vorsatz stehen. Und doch bedeutet die Verzerrung der Evidenz eine potenzielle Gefährdung von Patienten, einen Vertrauensbruch gegenüber Studienteilnehmenden und eine Vergeudung von Forschungsgeldern.

Die Lösung liegt in der Vorab-Registrierung aller Studien und in einer Verpflichtung zur zeitnahen Veröffentlichung der Ergebnisse nach Studienabschluss, wie das unter anderem auch die Weltgesundheitsorganisation fordert. Dies ist für interventionelle Studien mit Arzneimitteln und Medizinprodukten weitgehend Realität. Doch für rund jede dritte klinische Studie an deutschen Universitätskliniken fehlen auch Jahre nach Abschluss noch die Ergebnisse. Betroffen sind Disziplinen wie Chirurgie oder Psychotherapie.

Cochrane Deutschland hat mit zahlreichen Partnern das „Bündnis für Transparenz in der Gesundheitsforschung“ gegründet und ein Positionspapier veröffentlicht. Damit wollen wir das Problem nicht veröffentlichter Studienergebnisse erneut ins Bewusstsein von Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern rücken und eine lösungsorientierte Diskussion anregen. Deutschland braucht klare Rahmenbedingungen und Regelungen für die Veröffentlichung der Ergebnisse aller klinischen Studien. Denn nur so kann sich unsere Gesundheitsversorgung auf die bestmögliche Evidenz aus klinischer Forschung stützen.

Foto: Auf einem Bücherstapel liegt ein Stethoskop.
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