Rundruf Versorgung

Mehr Hilfe für Süchtige?

24.07.2024 Tina Stähler 4 Min. Lesedauer

In Deutschland starben 2023 über 2.200 Menschen an einer Drogenüberdosis. Vor allem Crack- und Opioid-Abhängige sind immer öfter im Straßenbild zu sehen. Was kann die Politik tun, um die Drogen- und Suchthilfe in Städten und Gemeinden zu unterstützen?

Foto: Ein Mann in Lederjacke sitzt mit dem Rücken zur Kamera auf einem Gehweg, daneben steht auf einer Mauer "Stop Drugs".
Drogensüchtige, vor allem Crack- und Opioid-Abhängige, sind immer öfter im Straßenbild zu sehen, nicht nur in Großstädten.

Appell an Kommunen und Länder: Lasst die Suchthilfe nicht allein

Foto: Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung
Burkhard Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung

Wir brauchen gute Lösungen vor Ort, für die niemand das Rad neu erfinden muss. Der Bund lässt über die Modellförderung stets neue Präventions- und Suchthilfekonzepte entwickeln und wissenschaftlich prüfen. Er stellt über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung viele Bausteine für die kommunale Drogenarbeit bereit. Gemeinsam mit einem breiten kassenfinanzierten Portfolio gibt es viele Angebote für Schulen, Suchthilfeträger und weitere Akteure.

Natürlich müssen unsere Partner vor Ort finanziell und personell auch genug Luft zum Atmen haben. Ich werbe deshalb stets bei Ländern und Kommunen: Lasst die Suchthilfe nicht allein. Was sie leistet, zahlt sich zigmal aus. Als Bundesregierung setzen wir wichtige Impulse: mit einer realistischen und evidenzbasierten Cannabispolitik; mit der Möglichkeit, Drug Checking anzubieten; mit so viel Geld für die Prävention wie nie zuvor; indem wir das Thema Sucht endlich aus der Tabuzone holen und die Menschen hinter den Problemen sichtbar machen.

Präventionsangebote schlüssig aufeinander aufbauen

Foto: Marc Elxnat, Beigeordneter Recht, Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur & Sport, Deutscher Städte- und Gemeindebund.
Marc Elxnat, Beigeordneter Recht, Gesundheit, Bildung, Soziales, Kultur & Sport, Deutscher Städte- und Gemeindebund

Die Zahl der verstorbenen Drogenkonsumierenden liegt auf einem viel zu hohen Niveau. Wir brauchen effiziente Hilfsstrukturen, damit alle Betroffenen unterstützt, Todesfälle vermieden und Gesundheitsschäden verringert werden. Dies stellt die Kommunen vor besondere Herausforderungen. Wirkungsvolle Suchtprävention wird vor Ort insbesondere dann erreicht, wenn die Akteure aus Kommunalpolitik und -verwaltung sowie die verschiedenen externen Akteure, wie Polizei, Sportvereine und Jugendclubs an einem Strang ziehen. Nur durch eine dauerhaft angelegte Zusammenarbeit aller Akteure können Präventionsangebote schlüssig aufeinander aufbauen.

Wir müssen präventiv auf Kinder und Jugendliche zugehen und die Aufklärung ausbauen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Suchtbehandlungs- und -beratungsstellen unter ständigem Personal- und Geldmangel leiden. Bund und Länder sind gefordert, vor Ort zusätzliche Präventionsangebote der Drogen- und Suchthilfe dauerhaft finanziell zu unterstützen.

Ausbau von schadensmindernden Maßnahmen und Überlebenshilfen

Foto: Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS).
Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS)

Kommunen und Städte stehen angesichts der aktuellen Entwicklungen in den örtlichen Drogenszenen vor der Herausforderung, Lösungsansätze in der kommunalen Drogenpolitik zu finden. Dort, wo sich die Problematik in den örtlichen Drogenszenen ausweitet und zuspitzt, rät die DHS dringend zur Einführung beziehungsweise zum Ausbau von schadensmindernden Maßnahmen und Überlebenshilfen.

Dazu zählen unter anderem niedrigschwellige und aufsuchende Hilfen, mobile und stationäre medizinische Notfall- und Grundversorgung, Drogenberatung, Notschlafstellen und Drogenkonsumräume. Auch Drug Checking und Substitutionsbehandlung, Informationen und Utensilien zum sicheren Drogengebrauch, Naloxonmitgabe, Bereitstellung von Entgiftungs- und Therapieplätzen sowie Vernetzung und Koordinierung der Hilfen vor Ort gehören dazu. Die genannten Maßnahmen müssen in die bestehende Hilfestruktur eingebettet und von der örtlichen Suchthilfe, beziehungsweise in enger Abstimmung mit ihr, umgesetzt werden.

Suchtforschung muss ausgebaut werden

Foto: Prof. Dr. Daniel Deimel, Forschungsprofessur für Gesundheitsförderung und Prävention, TH Nürnberg.
Prof. Dr. Daniel Deimel, Forschungsprofessur für Gesundheitsförderung und Prävention, TH Nürnberg

Wir brauchen verschiedene Maßnahmen, die flächendeckend verfügbar sein müssen: Drug Checking, in denen Konsumenten Drogen auf Reinheitsgrad und Verunreinigungen überprüfen lassen können; Drogenkonsumräume in allen Großstädten, da sie ein sicheres Umfeld für den Drogenkonsum bieten; Naloxon-Programme; medizinische Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung sowie die effektive Bekämpfung der Obdachlosigkeit. Housing First ist ein wirksamer Ansatz, der regelhaft finanziert werden muss.

Zudem muss die Suchtforschung ausgebaut werden: ein Drogenmonitoring auf offenen Drogenszenen oder die Entwicklung von psychosozialen Interventionen und Substitutionsbehandlung für Konsumenten von Crack. Zudem müssen die Konsumenten entkriminalisiert werden, da die jetzigen Bedingungen die Probleme mit verursachen und verschärfen. Dies kostet Geld und braucht einen politischen Willen. Ändert sich nichts, werden die drogenbedingten Todesfälle weiter steigen.

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