Artikel Gesundheitssystem

In Behandlung beim Holo-Doc

24.07.2024 Ines Körver 4 Min. Lesedauer

Spätestens seit ChatGPT wird in der Bevölkerung breit über den Einsatz von künstlicher Intelligenz diskutiert. Kernfragen sind „Was kann sie leisten?“ und „Was sollte sie dürfen?“. Essentiell ist diese Debatte auch für das Gesundheitswesen.

Foto: Ein angeleuchteter Mensch steht in einem Kreis – um ihn herum sind verschiedene Symbole des Gesundheitswesens gruppiert.
Künstliche Intelligenz spielt auch im Gesundheitswesen eine immer größere Rolle.

Im Jahr 2371 wird das medizinische Personal der USS Voyager bei einem Einsatz getötet und es springt ein Medizinisch-Holografisches Notfallprogramm ein, das aussieht wie ein Mensch. Der virtuelle Doktor muss nun die Crew des Enterprise-Nachfolgers ambulant und stationär im Weltall versorgen. Auch wenn er nur für den Kurzzeiteinsatz konzipiert ist, seine Programmierung ist solide: Er verfügt über eine Datenbank mit 500.000 chirurgischen Verfahren, das Wissen über 3.000 Kulturen sowie die Expertise von 47 medizinischen Offizieren. Im Laufe von sieben Star-Trek-Staffeln lernt der Doktor, wie er schlicht genannt wird, einiges über Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen, kämpft dabei – welch Metapher! – mit seiner eigenen ständig wechselnden Körpergröße und reift trotz aller Widrigkeiten zu einem menschenartigen Wesen heran, was auch daran liegt, dass die Raumschiffbesatzung ihn allmählich wie einen der ihren behandelt.

Holo-Docs auf der ISS

Derlei Science-Fiction-Geschichten kann man belächeln, sollte man aber nicht. Im Oktober 2021 hat bereits ein Team aus Ärzten und Mitarbeitern des Weltraumunternehmens Aexa Aerospace die International Space Station (ISS) – und damit die größte und langlebigste Weltraumstation der Menschheit – holografisch besucht. Die 3-D-Modelle der Holografierten konnten dabei in Echtzeit konstruiert und übertragen werden, sie kamen aber aufgrund der Entfernung mit einer gewissen Zeitverzögerung auf der Raumstation an. Nichtsdestotrotz waren die virtuellen Besucher ein beeindruckendes Erlebnis für die Astronauten an Bord.

Gerlachs Visionen

Vom künftigen Einsatz von Avataren im Gesundheitswesen sprach kürzlich auch der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege, Ferdinand Gerlach, in einem Interview in der Ärzte Zeitung. Darin ging es eigentlich vor allem um das Thema Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Der Mediziner und Gesundheitswissenschaftler Gerlach rechnete vor, dass der Ärztemangel, so wie er immer wieder dargestellt werde, gar nicht existiere und im übrigen Künstliche Intelligenz (KI) den Medizin-Profis in den Kliniken eine Menge stumpfsinnige Arbeit und Bürokratie abnehmen könnte, sodass wieder mehr Zeit für die Patientenversorgung zur Verfügung stehe.

Gerlachs Szenario für die Niedergelassenen lautete wie folgt: „In Zukunft arbeiten mehrere Hausärztinnen und -ärzte in einer Praxis zusammen mit anderen Grundversorgern, einem Pflegeteam und weiteren Gesundheitsberufen. Diese Praxis ist immer erreichbar. Nur: Wenn Sie Ihren persönlichen Hausarzt in dieser Praxis erreichen wollen, kann dies ja nicht immer möglich sein. Aber Sie können mit seinem Avatar kommunizieren. Der sieht aus wie er, spricht lippensynchron mit Ihnen, weiß um Ihre Patientengeschichte, etwa dass Sie lieber mit Naturheilmitteln behandelt werden wollen, Spritzen nicht mögen und vieles mehr.“ Interviewer Anno Fricke entgegnete darauf übrigens: „Klingt ein bisschen gruselig …“

Grundlegende Fragen

Allein schon aus Effizienzgründen müssen wir alle ein Interesse daran haben, dass eine potente Technik künftig unser Wohlergehen unterstützt. Wir sollten aber auch alle damit einhergehenden Gefahren abwenden, solange wir das noch können. Dazu gehören Datenschutzprobleme und die Abhängigkeit von bestimmten Industrieunternehmen, wie die dieses Jahr in die Kinos gekommene Dokumentation „Watching You“ über das Big-Data-Unternehmen Palantir eindrücklich zeigt. In der komplexen Gemengelage will die Redaktion der G+G Wissenschaft helfen, sich einen Überblick zu verschaffen. Wir haben einige grundlegende Fragen an ausgewiesene Experten gegeben. Darunter: Was ist KI eigentlich, was kann sie im Gesundheitswesen leisten, was leistet sie schon und welche rechtlichen Grundsätze und Regeln gelten im Umgang mit KI?

In den sieben Star-Trek-Staffeln mit dem Doktor haben die Drehbuchschreiber für diesen einen Running Gag eingebaut. Der Doktor greift den früheren Standardspruch von Enterprise-Arzt McCoy auf („Ich bin Doktor und kein XY“) und dreht ihn weiter. In der Episode „Vor dem Ende der Zeit“ sagt er: „Ich bin Doktor und keine Datenbank“. Ob das Realität wird oder nicht, hängt maßgeblich davon ab, wofür wir uns in naher Zukunft entscheiden.

G+G Wissenschaft 03/2024

Foto: Titel der GGW 03/2024.

Künstliche Intelligenz in der Medizin

GGW 03/2024

Format: PDF | 2 MB

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