„Krebspatienten suchen Verständnis für ihre Ängste“
Menschen mit bösartigen Tumoren vertrauen mitunter auf fragwürdige Behandlungen. Onkologin Jutta Hübner erläutert die Risiken alternativer Methoden und den Nutzen der Komplementärmedizin.
Frau Professorin Hübner, Menschen mit Krebs hoffen oft auch auf Heilung durch Behandlungsmethoden abseits der Schulmedizin. Worauf führen Sie das zurück?
Jutta Hübner: Auf die Verzweiflung der Patienten, die wissen, dass Krebs eine gefährliche Erkrankung ist. Mit dieser Diagnose müssen sie in einem komplexen Gesundheitssystem mit vielen gehetzten Menschen zurechtkommen. Krebspatienten suchen Verständnis für ihre Ängste und brauchen Zuwendung, die sie bei Anbietern alternativer Behandlungsmethoden eher finden. Außerdem wollen Patienten selbst etwas dazu beitragen, die Krebserkrankung in den Griff zu bekommen. Die Erklärung der Wirkweisen bei alternativen Methoden sind zudem meist laienverständlich. Dagegen sind die wissenschaftlichen Konzepte kompliziert und für Laien schwer verständlich.
Welche Gefahren sehen Sie darin, dass Krebspatienten alternative Behandlungsmethoden wählen?
Hübner: Alternative Methoden sind gefährlich, wenn sie die evidenzbasierte Tumortherapie ersetzen sollen. Krebs schreitet fort, wenn er nicht angemessen behandelt wird. Wenn Patienten parallel zur Schulmedizin nicht darauf abgestimmte alternative Behandlungen wählen, besteht das Risiko von Wechselwirkungen und einer Wirkungsabschwächung der Tumortherapie. Studien belegen, dass Brustkrebs-Patientinnen, die freiverkäufliche Antioxidantien einnehmen, eine deutlich höhere Rezidivrate haben. Außerdem investieren die Patienten Geld und Zeit, ohne sinnvollen Effekt oder sogar mit Schaden.
„Wir ermutigen Patienten, selber aktiv zu werden.“
Was leistet im Unterschied dazu die komplementäre Medizin?
Hübner: Komplementäre Medizin basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie fordert genauso wie die Schulmedizin Studien, die belegen, welche Methoden in welcher Situation helfen. Sie sieht sich als Begleitung mit dem Ziel, Lebensqualität zu verbessern, will Patienten ermutigen, selber aktiv zu werden. Und sie arbeitet mit Methoden, die Patienten nach einer Erklärung selbst anwenden können. Das ist für mich ein wichtiger Unterschied zur Schul- wie zur Alternativmedizin. Bei diesen beiden sind Patienten oft abhängig von den Leistungserbringern oder von den Anbietern.
Sie sind Koordinatorin der S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Onkologie. Wie gehen Sie bei der Entwicklung und Aktualisierung vor?
Hübner: Wir formulieren ein Thema, also zum Beispiel: Was weiß man über Ingwer? Wir definieren den Zielpunkt der Behandlung. Bei Ingwer ist es Übelkeit. Dann schauen wir gezielt, welche randomisierten, kontrollierten Studien es dazu gibt. Wir analysieren, was gemacht worden ist und was dabei herausgekommen ist, und bewerten die Studien nach ihrer Qualität. Anschließend wird in einem Abstimmungsprozess mit vielen Experten für jede der Fragestellungen eine Empfehlung formuliert.
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