Solidarische Finanzierung stärken
Jacobs' Weg: Die soziale Kranken- und Pflegeversicherung bedarf zeitgemäßer Finanzierungsgrundlagen. Dabei muss es primär um die Weiterentwicklung der solidarischen Beitragsfinanzierung gehen.
Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist in diesem Jahr 140 Jahre alt geworden, seit 1883 das „Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ verabschiedet wurde. Was hat die GKV seitdem nicht alles durchlebt: mit dem Kaiserreich, der Weimarer Republik, der Nazi-Diktatur und der Bundesrepublik nicht weniger als vier Staatsformen, inklusive der deutschen Vereinigung. Dazu zwei Weltkriege, Weltwirtschafts- und -finanzkrisen und Währungsreformen.
GKV ist robuster gesellschaftspolitischer Stabilitätsanker
Die GKV hat allen Herausforderungen erfolgreich getrotzt und genießt hohe Anerkennung in der Bevölkerung. Das gilt insbesondere für das Solidarprinzip: Beiträge nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Versicherten sowie Leistungen gemäß ihrem Versorgungsbedarf nach dem Stand des medizinischen Wissens.
Leider erfährt die GKV nicht überall die Wertschätzung, die sie verdient. Wirtschaft und Politik betrachten sie oft als lästigen Kostenfaktor. Dabei ist die GKV – wie auch die 1995 eingeführte Pflegeversicherung – ein robuster gesellschaftspolitischer Stabilitätsanker.
Die Gesundheits- und Pflegewirtschaft ist ein wichtiger Jobmotor mit großem Wachstumspotenzial. Die Vertrauenskrise, die der Politik in Umfragen bescheinigt wird, könnte auch mit ihrem Umgang mit dem Sozialstaat und seinen Institutionen zu tun haben.
„Vertrauen in die Politik setzt voraus, dass diese ihre Versprechen hält.“
Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
Vertrauen in die Politik setzt voraus, dass diese ihre Versprechen hält. Dazu zählt die sachgerechte Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben aus Steuermitteln, angefangen mit einem auskömmlichen Beitrag für Bürgergeld-Beziehende. Doch auch Prävention, Verbraucherberatung und Versorgungsforschung sind Aufgaben des Staates, von der Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern und Pflegeheimen ganz zu schweigen.
Ansonsten gilt es jedoch, die solidarische Beitragsfinanzierung zu stärken. Die strukturelle Wachstumsschwäche der beitragspflichtigen Einkommen der GKV-Mitglieder ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Stellschrauben für zukunftsstabile Reformen liegen unverändert in der Ausweitung von Beitragsbasis und Personenkreis. Der Großteil der Bevölkerung wünscht schon lange mehr Solidarität. Wann folgt dem endlich auch die Politik?
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