Einwurf: Versorgung vulnerabler Gruppen
Armut und Gesundheit bedingen sich gegenseitig. Doch die Politik tut zu wenig für vulnerable Gruppen, meint Gerhard Trabert und plädiert für eine gerechte Umverteilung der Ressourcen.
Armut führt zu Krankheit und Krankheit führt zu Armut. Das ist statistisch belegt und praktisch erfahrbar. Von Armut betroffene Menschen sterben deutlich früher – Frauen circa 4,4 Lebensjahre, Männer 8,6 Jahre. Zudem gibt es immer noch zahlreiche Mitbürgerinnen und Mitbürger, die nicht krankenversichert sind.
Strukturelle Benachteiligung im Gesundheitssektor
Die zunehmende Privatisierung im Gesundheitssektor schließt ebenfalls immer mehr Menschen aus. Man kann und muss von einer strukturellen Benachteiligung, insbesondere von Armut betroffener Menschen, im Gesundheitssektor sprechen. Einige Beispiele: Für einen Menschen, der schlecht sieht, ist eine Brille überlebenswichtig. Dennoch werden die Kosten nur bis zum 18. Geburtstag übernommen. Frauen sind auf Produkte der Monatshygiene angewiesen, bekommen im Bedarfsfall aber keine finanzielle Unterstützung. Hier hat sich bereits der Begriff Periodenarmut etabliert. Darüber hinaus ist beim Bürgergeld das Budget für Ernährung viel zu gering. Damit lässt sich kein Kind gesund ernähren.
„Von Armut betroffene Menschen sterben deutlich früher.“
Arzt für Allgemein- und Notfallmedizin sowie Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie
Psychosozialen Hintergrund mehr berücksichtigen
Es besteht ein hohes Wissens- und Informationsdefizit aufseiten der politisch Verantwortlichen. Die Bitte und das Angebot durch unseren Verein „Armut und Gesundheit“ an das Bundesgesundheitsministerium, eine entsprechende Arbeitsgruppe zu implementieren, wurde abgelehnt. Für vulnerable Gruppen gibt es beispielsweise den Plan, Gesundheitskioske aufzubauen. Doch das Konstrukt ist unzureichend, ein wirkliches Konzept nicht erkennbar. Dabei sind genügend finanzielle Ressourcen im reichen Deutschland vorhanden.
Neben der Notwendigkeit einer finanziellen Umverteilung, um Armut zu reduzieren und zu verhindern, muss die Ausbildung von zukünftigen Medizinerinnen und Medizinern verbessert werden. Viele Studierende kennen sich nicht mit Armut aus. Umso nachteiliger ist es, dass Sozialmedizin und soziale Medizin im Studium keine Rolle spielen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Bereich Soziale Arbeit oder mit Beratungsstellen könnte für mehr Wissen und eine größere Sensibilisierung sorgen. Viele Krankheiten haben einen psychosozialen Hintergrund – das wird zu wenig berücksichtigt.
Mitwirkende des Beitrags
Autor
Datenschutzhinweis
Ihr Beitrag wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion auf anstößige Inhalte überprüft. Wir verarbeiten und nutzen Ihren Namen und Ihren Kommentar ausschließlich für die Anzeige Ihres Beitrags. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, sondern lediglich für eventuelle Rückfragen an Sie im Rahmen der Freischaltung Ihres Kommentars verwendet. Die E-Mail-Adresse wird nach 60 Tagen gelöscht und maximal vier Wochen später aus dem Backup entfernt.
Allgemeine Informationen zur Datenverarbeitung und zu Ihren Betroffenenrechten und Beschwerdemöglichkeiten finden Sie unter https://www.aok.de/pp/datenschutzrechte. Bei Fragen wenden Sie sich an den AOK-Bundesverband, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin oder an unseren Datenschutzbeauftragten über das Kontaktformular.