Impulse für eine datengestützte Medizin
Unikliniken und Krankenkassen haben das Modellvorhaben Genomsequenzierung vereinbart. Im Kern geht es um die Harmonisierung von Daten. Die digitale Infrastruktur muss hohe Datenvolumen handhaben und möglichst offen bleiben für neue Anwendungen.
Die Genommedizin hat die Diagnostik und Therapie von Krebs und Seltenen Erkrankungen revolutioniert. Nun wollen Wissenschaftler erstmals in der Regelversorgung menschliche Erbanlagen vollständig sequenzieren und digital archivieren, um klinische Phänomene besser zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln. Dafür änderte der Bundestag das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, die Krankenkassen stellen rund 700 Millionen Euro bereit. „Mit dem Projekt könnte Deutschland eine Vorreiterrolle in der Genommedizin übernehmen“, sagt Thomas Berlage vom Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik in Aachen. Berlage verantwortet im Projekt die digitale Infrastruktur. „Die Herausforderung ist, aus der umfangreichen Datensammlung einen echten Nutzen zu ziehen“, so der Experte.
„Mit dem Projekt könnte Deutschland eine Vorreiterrolle in der Genommedizin übernehmen.“
Professor für Informatik im Bereich Life Sciences am Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik in Aachen
Dafür soll eine digitale Plattform sorgen, die sechs Genomrechenzentren mit klinischen Datenknoten verschiedener Unikliniken verbindet. Plattformbetreiber ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das die Zulassung der Rechenzentren, der klinischen Datenknoten und der Datendienste verantwortet – also der Werkzeuge, die die Daten künftig abrufen, verarbeiten und zur Verfügung stellen. Wer auf die Daten zugreifen möchte, muss dies beim BfArM beantragen. Bei Bezug zu Patientendaten vermittelt das Robert-Koch-Institut zwischen Antragstellern und Datenlieferanten.
Große Aufgabe für Kliniken
Mehr als 20 Unikliniken haben sich für das Modellvorhaben qualifiziert. In einigen klinischen Netzwerken sind genommedizinische Daten vorhanden, aber nicht hinreichend strukturiert. „Die Kliniken müssen dem BfArM die in der Genomdatenverordnung geforderten Daten in einheitlichen Formaten zur Verfügung stellen“, erklärt Oliver Kohlbacher, Direktor des Interfakultären Instituts für Biomedizinische Informatik an der Uni Tübingen. Kohlbacher ist Mitglied des Steuerungsgremiums von genomDE und hat die digitale Infrastruktur des Modellvorhabens Genomsequenzierung mit konzipiert. Nur für standardisiert erhobene klinische Dokumentationen mit Informationen zur Einwilligung der Patienten in die Datenverarbeitung und die genomischen Rohdaten gibt es die vereinbarte Vergütung. „Die Herausforderung ist, diese Datensätze in kurzer Zeit und über alle Standorte zu liefern, sodass sie für die Forschung nutzbar sind“, sagt Kohlbacher.
„Das Projekt setzt wichtige Impulse, die Versorgung auch datengetrieben zu denken.“
Direktor des Interfakultären Instituts für Biomedizinische Informatik an der Uni Tübingen
Nutzungen sind noch offen
Wer wie und zu welchem Zweck auf die Daten zugreift, ist bisher offen. „Wir haben keine konkreten Nutzungen festgeschrieben, das BfArM wird im Laufe des Vorhabens durch Zulassung festlegen, was auf der Plattform geschehen darf“, sagt Berlage. So könnten Wissenschaftler nach Patienten suchen, die den eigenen Erkrankten klinisch ähnlich sind, um die genetischen Voraussetzungen zu vergleichen. Abfragen zur Epidemiologie bestimmter Erkrankungen sind ebenso denkbar wie Portale zur Rekrutierung von Studienteilnehmern. Kohlbacher glaubt, dass dieses Vorhaben die Medizin langfristig verändern wird: „Das Projekt setzt wichtige Impulse, die Versorgung auch datengetrieben zu denken und diese Daten für die Forschung zu erschließen.“
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